Bewilligung von PKH trotz Nießbrauchsrechts an Hausgrundstück
Zusammenfassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz vom 02.12.2013 (Az.: 3 W 658/13)
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat in diesem Beschluss entschieden, dass einer Klägerin, die in finanziell schwierigen Verhältnissen lebt und einen gesetzlichen Betreuer hat, Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt werden muss, obwohl das Landgericht dies zuvor abgelehnt hatte. PKH ist staatliche Hilfe, um auch mittellosen Personen die Führung eines Gerichtsverfahrens zu ermöglichen.
Eine ältere Dame, die Klägerin, wollte vor Gericht einen Anspruch gegen den Beklagten geltend machen. Dabei ging es um die Rückforderung eines zinslosen Darlehens in Höhe von 10.000,00 Euro. Hilfsweise forderte sie das Geld als Schenkung wegen Verarmung des Schenkers zurück. Da sie die Prozesskosten nicht tragen konnte, beantragte sie Prozesskostenhilfe.
Das zuständige Landgericht lehnte den Antrag ab. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Klägerin entweder unrichtige Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen gemacht habe oder über ausreichend Vermögen verfüge, um die Kosten des Prozesses selbst zu bezahlen.
Es gab offensichtliche Fehler im Antragsformular. Der gesetzliche Betreuer der Klägerin hatte versehentlich die Felder für Grundvermögen und Bankguthaben verwechselt und die Höhe des Bankguthabens (über 7.000 Euro) beim Grundvermögen eingetragen.
Die Klägerin war Nießbrauchsberechtigte an einem Hausgrundstück. Das Landgericht meinte, sie müsse entweder dieses Anwesen verkaufen oder vermieten, um die Prozesskosten zu finanzieren.
Da der Ehemann der Klägerin das Haus ihrem Betreuer vermacht hatte, sah das Landgericht in einem möglichen Pflichtteilsanspruch der Klägerin gegen ihren Betreuer ein weiteres „Vermögen“, das sie zur Prozessfinanzierung nutzen müsse.
Die Klägerin legte gegen die Entscheidung des Landgerichts sofortige Beschwerde ein. Das OLG Koblenz gab ihr Recht und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. Es bewilligte der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung.
Das OLG stellte klar, dass der versehentliche Fehler des Betreuers im Antragsformular, also die Verwechslung der Felder für Grundvermögen und Bankguthaben, berichtigt werden konnte. Die korrigierten Angaben zur Vermögenslage waren ausreichend, um sich ein Bild von den Verhältnissen der Klägerin zu machen.
Das Gericht erkannte an, dass die Klägerin zwar ein Nießbrauchsrecht (das Recht, die Früchte eines Grundstücks zu ziehen, z.B. Mieteinnahmen) an dem Haus hatte, dieses aber aktuell wertlos war.
Die Klägerin konnte das Haus nicht vermieten, weil es durch einen Wasserschaden und massiven, gesundheitsgefährdenden Schwarzschimmel stark befallen und unbewohnbar war.
Ihr fehlten die finanziellen Mittel, um den Schaden und den Schimmel beseitigen zu lassen.
Unter diesen Umständen konnte das OLG von der Klägerin nicht verlangen, das Anwesen zu vermieten oder ein Darlehen dafür aufzunehmen. Das Nießbrauchsrecht stellte somit kein verwertbares Vermögen dar, das zur Begleichung der Prozesskosten hätte eingesetzt werden müssen.
Auch der Einwand des Landgerichts, die Klägerin könne einen Pflichtteilsanspruch gegen ihren Betreuer geltend machen, überzeugte das OLG nicht. Dieser Pflichtteilsanspruch bezog sich auf das vermachte, aber in sehr schlechtem Zustand befindliche Haus. Angesichts des Zustands des Anwesens wurde diese Argumentation als unbegründet abgewiesen.
Das OLG ermittelte die bereinigten Einkommensverhältnisse der Klägerin:
Ihre Rente und andere Einnahmen (ca. 1.612,36 €)
Abzüglich der Kosten für das Pflegeheim und Medikamente (ca. 1.771,30 €)
Es stellte fest, dass die Klägerin ein bereinigtes maßgebliches Einkommen von unter 700,00 Euro hatte. Damit waren die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung erfüllt.
Zuletzt bejahte das OLG auch die Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage. Die Klägerin hatte für ihre Behauptungen (Darlehen oder Rückforderung einer Schenkung wegen Verarmung) Beweis durch Zeugenvernehmung angetreten, sodass die Erfolgsaussichten der Klage nicht von vornherein als ausgeschlossen betrachtet werden konnten.
Das OLG Koblenz korrigierte die Entscheidung des Landgerichts und betonte, dass die tatsächlichen und aktuellen Verhältnisse einer mittellosen Partei bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschlaggebend sind. Ein formales Recht wie der Nießbrauch an einem Haus gilt nicht als verwertbares Vermögen, wenn das Haus wegen massiven Schimmelbefalls unbewohnbar und die Sanierung unfinanzierbar ist. Die Klägerin erhielt somit die notwendige staatliche Unterstützung, um ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen.
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