Bezugnahme auf gemeinschaftliches Testament in Einzeltestament

September 15, 2017

Bezugnahme auf gemeinschaftliches Testament in Einzeltestament

OLG Frankfurt 20 W 483/2000

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Ein kinderloses Ehepaar hatte ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten

und für den Fall ihres gleichzeitigen Todes detaillierte Anweisungen zur Verteilung des Nachlasses trafen,

wobei der Bruder des Erblassers (Beteiligter zu 2) explizit von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.

Nach dem Tod der Ehefrau verfasste der Erblasser ein handschriftliches Testament, in dem er auf das gemeinschaftliche Testament Bezug nahm

und dessen Regelungen für den Fall seines Todes für gültig erklärte.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte der Bruder des Erblassers einen Erbschein als Alleinerbe,

da er die Bezugnahme auf das gemeinschaftliche Testament im Einzeltestament für unwirksam hielt.

Der Testamentsvollstrecker (Beteiligter zu 1) beantragte hingegen die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Bezugnahme auf gemeinschaftliches Testament in Einzeltestament

Rechtsfrage:

Ist die Bezugnahme in einem eigenhändigen Testament des länger lebenden Ehegatten auf ein gemeinschaftliches Ehegattentestament

auch dann zulässig, wenn der vorverstorbene Ehegatte das gemeinschaftliche Testament niedergeschrieben hat?

Entscheidung des OLG Frankfurt:

Das OLG Frankfurt entschied, dass die Bezugnahme auf das gemeinschaftliche Testament wirksam ist und der Bruder des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen bleibt.

Begründung:

  1. Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments:

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Formulierung „Sollten wir beide zur gleichen Zeit sterben“ im gemeinschaftlichen Testament dahingehend auszulegen sei,

dass sie sich auf den Fall des in etwa zeitgleichen Todes der Eheleute bezieht.

Ob die Eheleute mit dieser Formulierung möglicherweise auch den Fall des Nacheinanderversterbens erfassen wollten, ließ das Gericht offen.

Bezugnahme auf gemeinschaftliches Testament in Einzeltestament

  1. Wirksamkeit der Bezugnahme:

Das Gericht bejahte die Wirksamkeit der Bezugnahme im Einzeltestament auf das gemeinschaftliche Testament,

obwohl dieses nicht vom Erblasser selbst, sondern von seiner Ehefrau handschriftlich niedergeschrieben worden war.

Zwar ist nach § 2247 BGB für die Wirksamkeit eines Testaments grundsätzlich die eigenhändige Niederschrift des Erblassers erforderlich.

Eine Bezugnahme auf ein nicht eigenhändig geschriebenes Schriftstück ist in der Regel unzulässig.

Das OLG Frankfurt argumentierte jedoch, dass im vorliegenden Fall eine Ausnahme von diesem Grundsatz gerechtfertigt sei.

  • Formgültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments:

    Das gemeinschaftliche Testament war gemäß § 2267 BGB formgültig, da es von beiden Ehegatten unterschrieben wurde, obwohl es nur von einem Ehegatten handschriftlich verfasst worden war. § 2267 BGB stellt insoweit eine Ausnahme vom Grundsatz der Eigenhändigkeit dar.

  • Ausdruck des letzten Willens im gemeinschaftlichen Testament:

    Durch die Unterschrift unter das gemeinschaftliche Testament hatte der Erblasser seinen letzten Willen formgültig zum Ausdruck gebracht. Dieser Wille war zwar durch den Zeitablauf und den Tod der Ehefrau gegenstandslos geworden, da die Bedingung des gleichzeitigen Todes nicht mehr eintreten konnte. Die Formgültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments blieb jedoch davon unberührt.

  • Zulässigkeit der Bezugnahme:

    Da der Erblasser seinen letzten Willen im gemeinschaftlichen Testament formgültig erklärt hatte, war es ihm auch gestattet, im Einzeltestament auf dieses zu verweisen.

  • Andernfalls müsste man die Bestimmungen im gemeinschaftlichen Testament so behandeln, als hätte der Erblasser seinen letzten Willen darin nicht formgültig niedergelegt.

  1. Ausschluss des Bruders von der Erbfolge:

Aufgrund der wirksamen Bezugnahme auf das gemeinschaftliche Testament war der Bruder des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen.

Fazit:

Das OLG Frankfurt hat in diesem Urteil entschieden, dass die Bezugnahme auf ein gemeinschaftliches Testament im Einzeltestament

auch dann zulässig ist, wenn das gemeinschaftliche Testament nicht vom Erblasser selbst handschriftlich verfasst wurde.

Voraussetzung ist, dass das gemeinschaftliche Testament den Formerfordernissen des § 2267 BGB entspricht und der Erblasser dieses durch seine Unterschrift anerkannt hat.

Weitere Hinweise:

  • Das Urteil befasst sich mit der Auslegung von Testamenten und den Formerfordernissen für die Wirksamkeit von letztwilligen Verfügungen.
  • Es zeigt die Bedeutung der sorgfältigen Formulierung von Testamenten auf, um spätere Auslegungsschwierigkeiten und Streitigkeiten zu vermeiden.
  • Im Zweifel sollte anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden, um sicherzustellen, dass der letzte Wille formgültig und eindeutig zum Ausdruck gebracht wird.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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