BFH II R 15/93
Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer: Vermächtnis zugunsten einer dem Erblasser gehörenden Kapitalgesellschaft, Kapitalgesellschaften oder juristische Personen als Steuersubjekt, Steuerbefreiung nach § 13 Abs.1 Nr.16 ErbStG 1974
Leitsatz
Tatbestand
Durch vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid vom 4. August 1983 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) für den Erwerb der Klägerin durch Vermächtnis Erbschaftsteuer in Höhe von 6 968 242 DM fest. Mit der Einspruchsentscheidung setzte es dann die Erbschaftsteuer endgültig auf 7 006 098 DM fest.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde vorgetragen, daß sich die Geschäftsanteile der Klägerin zu 100 v.H. im Besitz der A-Stiftung befänden. Unmittelbar gehörten der Stiftung 20 v.H. der Geschäftsanteile, mittelbar auch die weiteren 80 v.H. da diese von der Betriebsgesellschaft gehalten würden, die gänzlich im Besitz der Stiftung sei. Durch das Vermächtnis sei das Vermögen der Klägerin zwar vermehrt worden, zugleich habe sich aber der Wert der entsprechenden Geschäftsanteile der Klägerin erhöht. Diese Werterhöhung der Geschäftsanteile sei als “automatisches Entgelt” anzusehen. Das “automatische Entgelt” sei bei der Klägerin abzugsfähig mit der Folge, daß die Bereicherung der Klägerin entfalle. Die wahre Bereicherung sei bei dem Inhaber der Geschäftsanteile eingetreten, hier also bei der A-Stiftung. Deren Steuerpflicht entfalle aber wegen Gemeinnützigkeit.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das Vermächtnis sei nach § 1 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 2 Abs.1 Nr.1 Buchst.d und § 3 Abs.1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) erbschaftsteuerpflichtig. Zwar bewirke das Vermächtnis auch eine Wertsteigerung der Anteile der Gesellschafter an der Klägerin. Die Bereicherung der Gesellschafter hebe jedoch die Bereicherung der Gesellschaft nicht auf. Der erbschaftsteuerliche Durchgriff durch die Körperschaft hindurch auf die Gesellschafter der Körperschaft finde nicht statt. Auch der Gedanke, daß es sich bei dem Vermächtnis lediglich um eine Vermögensumschichtung handele, könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Die Zuwendung der Grundstücke an die Klägerin im Wege des Vermächtnisses sei als Gesellschaftereinlage zu qualifizieren. Gegenstand des Vermächtnisses sei die Verpflichtung zur Leistung einer Einlage durch die A-Stiftung. Diese Gesellschaftereinlage beruhe auf der Gesellschaftereigenschaft der Stiftung. Hilfsweise sei die Zuwendung durch den Erblasser als eine der Stiftung nahestehende Person erfolgt. Es fehle an einer erbschaftsteuerpflichtigen Zuwendung bereits deshalb, weil eine etwaige Bereicherung der Klägerin nicht auf Kosten des Erblassers und/oder der Stiftung erfolgt sei. Selbst bei Annahme einer steuerpflichtigen Zuwendung stehe dem Vermögenszugang bei der Klägerin eine Werterhöhung ihrer Anteilsrechte gegenüber, die den Wert der Bereicherung der Klägerin mindere. Gegenstand des Vermächtnisses sei eine Verpflichtung zur Vermögensumschichtung. Insoweit sei der Fall einem vollentgeltlichen Kaufrechtsvermächtnis vergleichbar. Hätte der Erblasser zu seinen Lebzeiten den Betriebsgrundbesitz in die Klägerin eingebracht, so hätte dies nicht der Schenkungsteuer unterlegen. Eine Besteuerung der Einbringung im Wege des Vermächtnisses verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG). Die vom Erblasser gewählte Gestaltung stelle gewissermaßen eine Anordnung für die gesellschaftsrechtliche Fortführung des Unternehmens dar.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Entgegen der Auffassung der Revision ist der vorliegende Sachverhalt schon deshalb nicht mit einem sog. Kaufrechtsvermächtnis vergleichbar, weil die Erhöhung des Werts der Geschäftsanteile nicht als ein die Bereicherung der GmbH minderndes Entgelt angesehen werden kann.
Aufgrund des Testaments des A hatte die Klägerin nach Eintritt des Erbfalls gegen die Stiftung als Alleinerbin einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung der Grundstücke. Die von der Stiftung dann tatsächlich ausgeführte Übertragung der Grundstücke erfolgte in Erfüllung dieses Vermächtnisanspruchs. Der Klägerin stand kein gesellschaftsrechtlicher Anspruch gegen ihre mittelbare Alleingesellschafterin auf Übertragung der Grundstücke zu. Die Leistung der Stiftung (Grundstücksübertragungen) rührte nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis her; sie erfolgte nicht societatis causa, sondern ausschließlich aufgrund und in Erfüllung der letztwilligen Verfügung des Erblassers. Diese erbrechtliche Verpflichtung der Stiftung war auf Übereignung des Grundstücks auf die Klägerin gerichtet. Sie kann für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung nicht aufgrund der Stellung der Stiftung als mittelbare Alleingesellschafterin umgedeutet werden in eine Verpflichtung zur Leistung einer Gesellschaftereinlage.
Der Senat kann daher offenlassen, wie eine Zuwendung durch den Alleingesellschafter an seine Gesellschaft schenkungsteuerrechtlich zu behandeln wäre und ob dies auch für den mittelbaren Alleingesellschafter gelten würde.
Die erbschaftsteuerliche Beurteilung hat an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt anzuknüpfen. Der Erbschaftsteuerpflicht im Streitfall steht daher auch nicht entgegen, daß bei einer anderen Sachverhaltsgestaltung keine Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer angefallen wäre. Für die Entscheidung des Streitfalls ist es weiter unerheblich, ob eine durch den Erblasser zu dessen Lebzeiten erfolgte Gesellschaftereinlage der Schenkungsteuer unterlegen hätte, oder wie es schenkungsteuerrechtlich zu beurteilen wäre, wenn die Stiftung nach Ausschlagung des Vermächtnisses eine entsprechende Gesellschaftereinlage getätigt hätte. Demzufolge ist es auch unerheblich, ob eine Einbringung durch eine dem Gesellschafter “nahestehende Person” im Sinne des Ertragsteuerrechts vorliegen würde. Es ist ohne Gleichheitsverstoß zulässig, daß die Erbschaftsteuer weitergreift als die Schenkungsteuer.
Gründe, die gegen die Höhe der vom FA festgesetzten Erbschaftsteuer sprechen, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Zu Recht hat daher das FG die Klage gegen den Erbschaftsteuerbescheid als unbegründet abgewiesen.