BGB § 1959 Geschäftsführung vor der Ausschlagung – Rechtsfolgen

Juni 8, 2025

BGB § 1959 Geschäftsführung vor der Ausschlagung – Rechtsfolgen

RA und Notar Krau

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

wir sprechen heute über die Wirksamkeit einer Verfügung durch einen vorläufigen Erben, basierend auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 1959. Keine Sorge, wir werden die juristischen Begriffe einfach und verständlich erklären.


Was bedeutet „vorläufiger Erbe“ und „endgültiger Erbe“?

Stellen Sie sich vor, jemand ist verstorben, und es ist noch nicht ganz klar, wer das Erbe tatsächlich antreten wird. Die Person, die zunächst so aussieht, als wäre sie der Erbe, aber noch nicht endgültig feststeht, nennen wir den vorläufigen Erben. Das kann zum Beispiel sein, wenn jemand das Erbe angenommen hat, aber noch eine Frist zur Ausschlagung läuft, oder wenn es Streitigkeiten über die Erbfolge gibt.

Der endgültige Erbe ist die Person, die letztlich feststeht und das Erbe offiziell antritt.


Die Wirksamkeit von Verfügungen des vorläufigen Erben (§ 1959 Abs. 2 BGB)

Der Paragraph 1959 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist hier besonders wichtig. Er regelt, was passiert, wenn der vorläufige Erbe bereits über Nachlassgegenstände verfügt, also zum Beispiel etwas verkauft oder verschenkt.

Die zentrale Aussage ist: Eine Verfügung, die der vorläufige Erbe vornimmt, ist genauso wirksam, als hätte sie der endgültige Erbe selbst vorgenommen. Das bedeutet, dass der Dritte, der beispielsweise eine Sache vom vorläufigen Erben gekauft hat, diese Sache auch behalten darf. Er hat sie rechtmäßig erworben.

Ein Beispiel: Frau Müller ist vorläufige Erbin, weil sie das Erbe zunächst angenommen hat. Ihr Onkel ist verstorben. Sie verkauft ein Gemälde aus dem Nachlass an Herrn Schmidt. Später stellt sich heraus, dass doch ein anderer Verwandter der endgültige Erbe ist, weil Frau Müller das Erbe innerhalb der Frist ausgeschlagen hat. Trotzdem kann der endgültige Erbe das Gemälde nicht von Herrn Schmidt zurückfordern. Der Verkauf an Herrn Schmidt war wirksam, als ob der endgültige Erbe selbst verkauft hätte.


Warum ist diese Regelung so wichtig? Die „Rückwirkungsfiktion“

Hier wird es ein wenig technisch, aber bleiben Sie dran, es ist einfacher als es klingt. Im Erbrecht gibt es manchmal die Idee, dass eine Erbschaft rückwirkend als angenommen gilt, selbst wenn man sie erst später annimmt. Das nennt man „Rückwirkungsfiktion“ (§ 1953 Abs. 1 BGB). Das kann zu Unsicherheiten führen.

§ 1959 Abs. 2 BGB beseitigt diese Rückwirkungsfiktion für Verfügungen des vorläufigen Erben. Es wird so getan, als wäre der vorläufige Erbe zum Zeitpunkt seiner Handlung tatsächlich der endgültige Erbe gewesen. Das schafft Rechtssicherheit für Dritte, die mit dem vorläufigen Erben Geschäfte machen. Sie müssen nicht befürchten, dass das Geschäft im Nachhinein unwirksam wird, nur weil sich herausstellt, dass eine andere Person der wahre Erbe ist.

BGB § 1959 Geschäftsführung vor der Ausschlagung – Rechtsfolgen


Keine Handlungspflicht für den vorläufigen Erben

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der vorläufige Erbe, anders als ein Miterbe in einer Erbengemeinschaft, nicht zu Notmaßnahmen verpflichtet ist. Auch wenn es um unaufschiebbare Dinge geht, wie zum Beispiel die Sicherung des Nachlasses.

Das bedeutet auch, dass der vorläufige Erbe nicht verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu übernehmen. Wenn er diese Kosten trotzdem auslegt, kann er sie nicht vom Sozialhilfeträger zurückverlangen, wie es manchmal in anderen Fällen möglich ist (§ 74 SGB XII). Stattdessen muss er sich diese Kosten vom endgültigen Erben erstatten lassen (§ 1959 Abs. 1 BGB).


Ansprüche zwischen dem endgültigen und dem vorläufigen Erben

Der § 1959 Abs. 2 BGB regelt nur die Wirksamkeit der Verfügung gegenüber Dritten. Er ist keine Grundlage für Ansprüche zwischen dem endgültigen und dem vorläufigen Erben selbst.

Was aber, wenn der vorläufige Erbe etwas durch seine Verfügung erlangt hat, zum Beispiel Geld aus dem Verkauf des Gemäldes? Hierfür gibt es andere rechtliche Grundlagen:

  • Herausgabeanspruch des endgültigen Erben: Wenn der vorläufige Erbe durch seine Verfügung etwas erhalten hat (z.B. den Kaufpreis für das Gemälde), kann der endgültige Erbe dies grundsätzlich herausverlangen. Die Grundlage dafür sind § 1959 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Regeln zur Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 681 Satz 2, § 667 BGB) oder dem Bereicherungsrecht (§ 816 BGB).
  • Schadensersatzansprüche des endgültigen Erben: Der endgültige Erbe kann auch Schadensersatz verlangen, wenn der vorläufige Erbe durch seine Verfügung dem Nachlass einen Schaden zugefügt hat. Oft scheitern solche Ansprüche aber daran, dass der vorläufige Erbe im Rahmen der „eigenüblichen Sorgfalt“ gehandelt hat. Das bedeutet, er hat so gehandelt, wie er es in seinen eigenen Angelegenheiten auch tun würde. Wenn er zum Beispiel das Gemälde zu einem angemessenen Preis verkauft hat, wird es schwierig sein, ihm einen Schaden nachzuweisen.
  • Ersatzansprüche des vorläufigen Erben: Umgekehrt kann auch der vorläufige Erbe vom endgültigen Erben Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Das sind alle Kosten, die er im Zusammenhang mit der Geschäftsführung des Nachlasses hatte. Dazu gehört auch, dass er von Verpflichtungen befreit wird, die er im Namen des Nachlasses eingegangen ist. Zum Beispiel, wenn er eine Rechnung für die Lagerung von Nachlassgegenständen bezahlt hat.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass § 1959 BGB eine wichtige Regelung ist, die Rechtssicherheit schafft, wenn ein vorläufiger Erbe über Teile des Nachlasses verfügt. Die Verfügungen sind gegenüber Dritten wirksam, als ob der endgültige Erbe gehandelt hätte. Gleichzeitig regelt der Paragraph auch die Ansprüche und Pflichten im Verhältnis zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Erben, wobei der vorläufige Erbe keine Handlungspflichten hat und Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen hat.

Wir hoffen, diese Erläuterung hat Ihnen geholfen, die komplexe Materie besser zu verstehen. Wenn Sie weitere Fragen haben, zögern Sie nicht, diese zu stellen.

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