BGH Beschluss 12.06.2024 – XII ZR 92/22

November 8, 2024

BGH Beschluss 12.06.2024 – XII ZR 92/22

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten sind Geschwister.

Streitig war die Herausgabe eines Grundstücks nach beendetem Nießbrauch.

Die Mutter der Geschwister hatte das Grundstück dem Kläger übertragen und sich den Nießbrauch vorbehalten.

Nach ihrem Tod sollte der Nießbrauch auf den Vater übergehen.

Im Übertragungsvertrag war vereinbart, dass der Nießbraucher das Grundstück vermieten darf und der Erwerber etwaige Mietverhältnisse bei Nießbrauchsende zu übernehmen hat.

Der Vater vermietete das Grundstück an die Beklagte.

BGH Beschluss 12.06.2024 – XII ZR 92/22

Nach dem Tod des Vaters kündigte der Kläger den Mietvertrag und verlangte die Herausgabe des Grundstücks.

Prozessverlauf:

  • Das Landgericht gab der Klage statt.
  • Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück.
  • Die Beklagte legte Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob den Beschluss des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zurück.

Begründung:

  • Verletzung des rechtlichen Gehörs: Das Oberlandesgericht hatte den Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung erteilt, bevor die Beklagte ihre Berufung begründet hatte. Dies stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Der Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO darf erst nach Vorliegen der Berufungsgründe erteilt werden.

BGH Beschluss 12.06.2024 – XII ZR 92/22

  • Keine Bindung an den Mietvertrag: Der BGH stellte klar, dass der Kläger nicht an den Mietvertrag gebunden ist, den sein Vater mit der Beklagten abgeschlossen hat. Die Klausel im Übertragungsvertrag, wonach der Kläger etwaige Mietverhältnisse bei Nießbrauchsende zu übernehmen hat, bedeutet nicht, dass er an den Mietvertrag gebunden ist.
  • Entscheidungserheblichkeit des Gehörsverstoßes: Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Oberlandesgericht bei ordnungsgemäßer Verfahrensgestaltung zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.

Ausführliche Darstellung der Begründung:

Der BGH betonte, dass der Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erst nach Vorliegen der Berufungsgründe erteilt werden darf.

Dies dient dazu, dass das Berufungsgericht die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels beurteilen kann.

Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht den Hinweis erteilt, bevor die Beklagte ihre Berufung begründet hatte.

Dies stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.

Der BGH stellte zudem klar, dass der Kläger nicht an den Mietvertrag gebunden ist, den sein Vater mit der Beklagten abgeschlossen hat.

BGH Beschluss 12.06.2024 – XII ZR 92/22

Die Klausel im Übertragungsvertrag, wonach der Kläger etwaige Mietverhältnisse bei Nießbrauchsende zu übernehmen hat, ist nicht so zu verstehen, dass er an den Mietvertrag gebunden ist.

Vielmehr regelt sie nur, dass der Kläger die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag übernimmt, die sich aus dem Gesetz ergeben (z.B. die Pflicht zur Zahlung der Miete).

Der BGH hob hervor, dass der Grundstückseigentümer, der den verstorbenen Nießbraucher nicht als Alleinerbe beerbt hat,

nicht schon deshalb an der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts gemäß § 1056 Abs. 2 BGB gehindert ist,

weil ihm das dienende Grundstück von dem Nießbraucher mit dem Motiv der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden ist.

Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Oberlandesgericht bei ordnungsgemäßer Verfahrensgestaltung zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.

Das Oberlandesgericht hätte der Beklagten Gelegenheit geben müssen, sich zu der Auslegung der Klausel im Übertragungsvertrag zu äußern.

Relevanz der Entscheidung:

BGH Beschluss 12.06.2024 – XII ZR 92/22

Die Entscheidung des BGH ist für die Praxis relevant, da sie die Anforderungen an die Hinweispflicht nach § 522 Abs. 2 ZPO klarstellt.

Berufungsgerichte dürfen den Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung erst erteilen, nachdem die Berufungsgründe vorliegen.

Kritik an der Entscheidung:

Die Entscheidung des BGH kann kritisiert werden, da sie zu einer Verzögerung des Verfahrens führt.

Die Beklagte hat nun die Möglichkeit, ihre Berufung zu begründen und das Verfahren in die Länge zu ziehen.

Fazit:

Der BGH hat in seiner Entscheidung die Rechte der Beklagten auf rechtliches Gehör gestärkt.

Die Entscheidung ist für die Praxis relevant und klarstellt die Anforderungen an die Hinweispflicht nach § 522 Abs. 2 ZPO.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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