BGH Beschluss vom 19.06.2024 – IV ZB 13/23

Oktober 20, 2024

BGH Beschluss vom 19.06.2024 – IV ZB 13/23

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19.06.2024 (Az. IV ZB 13/23) befasst sich mit der Frage,

unter welchen Voraussetzungen ein Notar die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verweigern darf.

Hintergrund des Falls:

Eine Alleinerbin beauftragte einen Notar mit der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses, um ihrer Auskunftspflicht gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten nachzukommen.

Der Notar führte eigene Ermittlungen zum Nachlass durch, stieß jedoch auf Schwierigkeiten, da die Erbin nur unvollständige Angaben machen konnte

und Zweifel an der Vollständigkeit der vorgelegten Unterlagen bestanden.

Der Notar verweigerte daraufhin die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses mit der Begründung, er könne aufgrund der unklaren Sachlage

kein den hohen Anforderungen der Rechtsprechung genügendes Verzeichnis erstellen.

BGH Beschluss vom 19.06.2024 – IV ZB 13/23

Die Erbin legte hiergegen Beschwerde ein, die vom Landgericht zurückgewiesen wurde.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob die Entscheidung des Landgerichts auf und wies den Notar an, das Nachlassverzeichnis aufzunehmen.

Zentrale Punkte der Entscheidung:

  • Hohe Anforderungen an die Verweigerung der Amtstätigkeit: Der BGH betont, dass an die Annahme eines ausreichenden Grundes im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO, der den Notar zur Verweigerung der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses berechtigt, hohe Anforderungen zu stellen sind. Der Notar hat eine Urkundsgewährungspflicht und darf seine Amtstätigkeit nicht leichtfertig verweigern.
  • Eigenständige Ermittlungspflicht des Notars: Der Notar ist nicht nur verpflichtet, die Angaben des Erben entgegenzunehmen, sondern muss den Nachlassbestand selbstständig ermitteln und feststellen. Dazu gehören auch Nachforschungen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.
  • Mitwirkungspflicht des Erben: Der Erbe ist verpflichtet, an der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses mitzuwirken, soweit dies für die ordnungsgemäße Aufnahme erforderlich ist. Der Notar darf und muss das Wissen des Erben und dessen Aufklärungspotenzial nutzen und ihn gegebenenfalls auffordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Dritten durchzusetzen.
  • Verbleibende Unklarheiten berechtigen nicht zur Verweigerung: Selbst wenn nach Durchführung aller gebotenen Nachforschungen Unklarheiten verbleiben, darf der Notar die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses nicht verweigern. Er muss den zugrundeliegenden Sachverhalt in das Verzeichnis aufnehmen und seine Zweifel zum Ausdruck bringen. Nur so wird dem Zweck des § 2314 BGB, dem in Beweisnot befindlichen Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Kenntnisse zur Berechnung und Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen, Rechnung getragen.
  • Keine unvollständige Urkunde: Der BGH stellt klar, dass der Notar im Falle verbleibender Unklarheiten nicht gegen die Vermutung der Vollständigkeit der notariellen Urkunde verstoßen würde, da diese Vermutung auf das notarielle Nachlassverzeichnis nicht anwendbar ist.
  • Zeitaufwand kein ausreichender Grund: Der mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses verbundene Zeitaufwand stellt keinen ausreichenden Grund für die Verweigerung der Amtstätigkeit dar. Der Notar hat als Träger eines öffentlichen Amtes die Pflicht zur Amtsbereitschaft.

BGH Beschluss vom 19.06.2024 – IV ZB 13/23

Konsequenzen für die Praxis:

Der Beschluss des BGH stärkt die Rechte der Pflichtteilsberechtigten und stellt klar, dass der Notar eine aktive Rolle bei der Ermittlung des Nachlasses spielen muss.

Er darf sich nicht auf die Angaben des Erben verlassen, sondern muss selbstständig Nachforschungen anstellen und alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzen,

um ein möglichst vollständiges und richtiges Nachlassverzeichnis zu erstellen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BGH mit diesem Beschluss die Bedeutung des notariellen Nachlassverzeichnisses

für die Sicherung der Rechte der Pflichtteilsberechtigten unterstreicht und die Pflichten des Notars bei der Aufnahme des Verzeichnisses konkretisiert.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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