BGH VII ZB 5/21

Dezember 20, 2022

BGH VII ZB 5/21, Beschluss vom 23.06.2022 – Beweiskraft eines innerhalb von fünf Monaten nach Verkündung eines Urteils erstellten Protokolls

Die Beweiskraft eines innerhalb von fünf Monaten nach Verkündung eines Urteils erstellten Protokolls in Bezug auf die Verkündung besteht unabhängig davon, ob es auch innerhalb dieser Frist zu den Akten gelangt ist (Anschluss an BGH, Beschluss vom 11. März 2015 – XII ZB 571/13, NJW 2015, 1529; Abgrenzung von BGH, Beschluss vom 13. März 2012 – VIII ZB 104/11 Rn. 11 ff., AnwBl 2012, 558).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 28. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: 193.263,89 €

Gründe BGH VII ZB 5/21

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen zweckwidriger Verwendung von Baugeldern.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 193.263,89 € nebst Kosten und Zinsen, Zug um Zug gegen Abtretung einer näher bezeichneten Forderung zu verurteilen.

Das Landgericht (Einzelrichterin) hat die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 13. August 2018 antragsgemäß verurteilt, wogegen diese Einspruch eingelegt hat.

Am 16. Dezember 2019 hat das Landgericht mündlich verhandelt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 20. Januar 2020 bestimmt, der mit Beschluss vom 20. Januar 2020 auf den 10. Februar 2020, 12.00 Uhr, Zimmer 238 verlegt worden ist.

Zu diesem Termin ist die Beklagte persönlich erschienen.

Am 8. Juni 2020 hat der Klägervertreter schriftlich um Überprüfung und Mitteilung gebeten, ob zwischenzeitlich eine Entscheidung ergangen oder der Verkündungstermin erneut verlegt worden sei (Blatt 383 der Akte).

Auf Blatt 384 der Akte befindet sich ein von der erkennenden Einzelrichterin unterschriebenes Protokoll, wonach am 10. Februar 2020 das “folgende Endurteil” verkündet worden ist. Blatt 385 bis 400 der Akte, die der Akte vorgeheftet sind, enthalten ein Endurteil mit Gründen, in dem das Landgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Beklagte zur Tragung der weiteren Kosten des Rechtsstreits verurteilt hat.

Nach einem Vermerk der Geschäftsstelle auf dem letzten Blatt des Urteils ist das unterschriebene Urteil am 27. Juli 2020 zur Geschäftsstelle gelangt. Blatt 401 der Akte enthält die Verfügung der Einzelrichterin vom 10. Februar 2020, Abschriften des Protokolls an die Parteivertreter zu übersenden.

Mit Blatt 402 der Akte hat die Einzelrichterin am 17. Juli 2020 verfügt, dass das Urteil vom 10. Februar 2020 an die Parteivertreter zugestellt werden und dass hierbei ein Hinweis erfolgen solle, dass die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO bereits laufe.

Am 27. Juli 2020 sind beide Verfügungen erledigt und ist das Urteil beiden Parteivertretern zugestellt worden.

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Mit Schriftsatz vom 27. August 2020 hat die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten Berufung “gegen das am 10.02.2020 verkündete und am 27.07.2020 zugestellte[n]” Urteil eingelegt.

Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte ihre Berufung am 26. Oktober 2020 begründet. Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 hat der Klägervertreter darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet eingelegt worden sei.

Am 12. November 2020 hat der Beklagtenvertreter dies zurückgewiesen, da nach seiner Ansicht am 10. Februar 2020 keine Verkündung des Urteils stattgefunden habe, so dass die Berufungsfrist nicht zu laufen begonnen habe.

Vorsorglich werde gebeten, den die Berufungseinlegung enthaltenden Schriftsatz als Wiedereinsetzungsantrag zu werten.

Die erkennende Einzelrichterin hat in einer vom Berufungsgericht eingeholten dienstlichen Stellungnahme erklärt, das Urteil am 10. Februar 2020 in Anwesenheit der Beklagten in ihrem Dienstzimmer durch Verlesen des Tenors verkündet zu haben, wobei das “folgende Endurteil” der von ihr jetzt in der Akten-tasche vorgefundene – und zunächst nicht in die Akte eingeheftete – unterzeichnete Tenor des Urteils gewesen sei. Protokoll und unterzeichneter Tenor seien am 10. Februar 2020 zur Akte gelangt.

Der von der Einzelrichterin unterzeichnete, mit Datum vom 10. Februar 2020 versehene Tenor befindet sich auf Blatt 463 der Akte.

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Die Beklagte hat hierauf behauptet, im Rahmen des Verkündungstermins habe die erkennende Richterin gegenüber der anwesenden Beklagten lediglich erklärt, “es bleibt alles beim Alten”, ohne den Tenor vorzulesen.

Hierzu hat sie zum Beweis ihre Parteivernehmung angeboten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).

Die Verfahrensgrundrechte der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG sind nicht verletzt.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen, weil es ohne Rechtsfehler die Frist zur Einlegung der Berufung für versäumt und das Wiedereinsetzungsgesuch für unbegründet erachtet hat.

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1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Berufung habe nicht die absolute Berufungsfrist des § 517 Halbsatz 2 ZPO gewahrt.

Diese habe mit der Verkündung des angefochtenen Urteils mit Ablauf des 10. Februar 2020 begonnen und – nach Ende der Fünf-Monats-Frist am 10. Juli 2020 – am 10. August 2020 geendet, weshalb die erst am 27. August 2020 eingegangene Berufung verspätet sei.

Das angefochtene Urteil sei am 10. Februar 2020 wirksam verkündet worden. Ausweislich des Verkündungsprotokolls vom 10. Februar 2020 sei in Anwesenheit der Beklagten durch die Einzelrichterin “folgendes Endurteil verkündet” worden.

Damit sei dem Erfordernis des § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO genügt und gemäß § 165 Satz 1 ZPO die Verkündung des in Bezug genommenen Urteils vom 10. Februar 2020 bewiesen.

Auch wenn das Protokoll nicht zeitnah zur Akte gelangt sein sollte, wäre dies rechtlich für die Erstellung eines beweiskräftigen Protokolls ohne Bedeutung.

Entscheidend sei allein, dass das Protokoll mitsamt dem schriftlichen Tenor innerhalb der Fünf-Monats-Frist ordnungsgemäß erstellt worden sei. Dafür, dass dies tatsächlich zeitnah geschehen sei, wahrscheinlich sogar am Verkündungstermin, spreche neben der dienstlichen Erklärung der erkennenden Einzelrichterin die Verfügung zum Protokoll.

Denn die Richterin habe nach ihrer dienstlichen Erklärung das Protokoll selbst in dem von den Gerichten genutzten Programm “Forumstar” erstellt, wobei gerichtsbekannt stets automatisch auch eine Verfügung mit dem Datum der Erstellung mit ausgeworfen werde.

Die Wirksamkeit des Protokolls werde auch nicht davon berührt, falls das Verkündungsprotokoll nebst Tenor erst nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist zur Akte gelangt sein sollte.

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Unschädlich sei auch, dass bis zur dienstlichen Erklärung der erkennenden Richterin der Entscheidungstenor nicht in die Gerichtsakte eingeheftet und paginiert, sondern nur lose – getrennt vom Protokoll – in die Aktentasche eingelegt gewesen sei.

Die Richterin habe nach ihrer dienstlichen Erklärung exakt das Schriftstück mit dem von ihr verkündeten und unterzeichneten Tenor in der Aktentasche gefunden.

Das Verkündungsprotokoll könne sich deswegen allein auf den nunmehr in die Gerichtsakte eingegliederten Urteilstenor beziehen.

Damit sei eine zweifelsfreie Zuordnung des Verkündungsprotokolls zu dem verkündeten Urteil möglich, ohne dass es auf eine körperliche Verbindung dieser Schriftstücke ankomme.

Die Verkündung eines Urteils in einem dazu anberaumten Termin sei auch dann wirksam, wenn das Urteil – wie hier – bei der Verkündung noch nicht in vollständiger Form vorliege.

Selbst wenn die Richterin nur die von der Beklagten behauptete Erklärung abgegeben hätte, ohne den Tenor zu verlesen, wäre dies lediglich ein untergeordneter Verkündungsmangel.

Es reiche, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt gewesen sei oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet worden seien.

Das sei hier der Fall, da es sich bei der Erklärung der erkennenden Einzelrichterin gegenüber der Beklagten zweifelsfrei um eine Verlautbarung des Gerichts betreffend das Ergebnis des Rechtsstreits gehandelt habe.

Dies habe von den Parteien, insbesondere der Beklagten, auch so verstanden werden müssen, weil die Verkündung der Entscheidung nach Verlegung für eben diesen Termin angekündigt war.

Nach § 165 Satz 2 ZPO könne die Beweiskraft der Sitzungsniederschrift nur durch den Nachweis der Protokollfälschung zerstört werden.

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Eine solche Fälschung liege vor, wenn eine Feststellung im Protokoll wissentlich falsch getroffen oder ihre Niederschrift nachträglich vorsätzlich gefälscht worden sei. Dieser Nachweis sei der Beklagten nicht gelungen.

Wiedereinsetzung hinsichtlich der hiernach versäumten Berufungseinlegungsfrist könne nicht bewilligt werden.

Denn die Beklagte sei nicht ohne ihr Verschulden außerstande gewesen, die absolute Berufungsfrist, beginnend mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, einzuhalten.

Die Beklagte habe nicht dargelegt, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sein sollte, die Frist zur Einlegung der Berufung zutreffend zu berechnen und die Berufung fristgerecht einzulegen. Prozessbevollmächtigte hätten sämtliche in Betracht kommenden gesetzlichen Fristen zu überwachen, was ausdrücklich auch hinsichtlich der Fünf-Monats-Frist des § 517 ZPO gelte.

Zudem sei für den Beklagtenvertreter bei Zustellung des angefochtenen Urteils am 27. Juli 2020 sowohl aus der dazugehörigen Verfügung als auch aus dem Verkündungsvermerk auf dem Urteil selbst deutlich zu erkennen gewesen, dass das zugestellte Urteil am 10. Februar 2020 verkündet worden sei.

Hinzu komme, dass die Prozessbevollmächtigten ausdrücklich darauf hingewiesen worden seien, dass die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO bereits laufe.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Beklagte hat die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt.

Das Urteil des Landgerichts ist am 10. Februar 2020 wirksam verkündet worden, so dass – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – die Berufungsfrist gemäß § 517 Halbsatz 2 ZPO am 10. August 2020 abgelaufen ist.

aa) Die Verkündung des Urteils ist – wie erforderlich, § 165 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 163 Abs. 3 Nr. 7 ZPO – durch das Protokoll bewiesen.

(1) Mit der Formulierung im Protokoll, das “folgende Urteil” sei verkündet worden, steht fest, dass es sich um das später an die Parteien zugestellte Urteil handelte.

Denn es steht fest, dass bei der Verkündung der von der Richterin unterzeichnete Tenor vorlag, der dem Tenor des zugestellten Urteils in vollständiger Form entspricht.

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Dies reicht für eine wirksame Verkündung aus, eines Urteils in der Form des § 310 Abs. 2 ZPO bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 – IX ZR 156/14 Rn. 6, NJW-RR 2015, 508). Es ist weder notwendig, dass dieser Tenor fest mit dem Protokoll verbunden wurde, noch, dass er zusammen mit dem Protokoll in einer bestimmten Reihenfolge in der Akte abgeheftet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 – IX ZR 156/14 Rn. 4 f. m.w.N., NJW-RR 2015, 508).

Entscheidend und ausreichend ist, dass kein Zweifel besteht, um welchen Tenor es sich handelte. Das ist hier der Fall, weil er sich zunächst lose bei der Akte befand, es keinen weiteren Tenor gibt und die Richterin ihn darüber hinaus später ohne Weiteres identifizieren konnte.

(2) Es reicht aus, dass das Protokoll die Verkündung belegt. Nicht erforderlich ist es, dass näher beurkundet wird, auf welche Art die Verkündung erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 – IX ZR 156/14 Rn. 6 m.w.N., NJW-RR 2015, 508).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die wirksame Urteilsverkündung allerdings voraus, dass zumindest die Urteilsformel im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt ist, weil sie sonst weder verlesen noch in Bezug genommen werden kann, § 311 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO (BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – VI ZR 132/13 Rn. 10 m.w.N., NJW 2015, 2342).

Grundsätzlich erbringt die Protokollierung der Verkündung der Entscheidung in Verbindung mit der nach § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO vorgeschriebenen Aufnahme der Entscheidungsformel in das Protokoll – sei es direkt oder als Anlage zum Protokoll (§ 160 Abs. 5 ZPO) – den Beweis dafür, dass die Entscheidung auch in diesem Sinn ordnungsgemäß, das heißt auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Entscheidungsformel verkündet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2015 – XII ZB 571/13 Rn. 14, NJW 2015, 1529; Beschluss vom 21. April 2015 – VI ZR 132/13 Rn. 12 m.w.N., NJW 2015, 2342).

(3) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob das Protokoll erst nach Ablauf von fünf Monaten nach der dort beurkundeten Verkündung zu der Akte gelangt ist.

Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist dies deshalb zu unterstellen. Das ändert an seiner Beweiskraft jedoch nichts.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert es allerdings die Rechtssicherheit im Hinblick auf die Vorschrift des § 517 Halbsatz 2 ZPO, dass innerhalb der Fünf-Monats-Frist ein Protokoll über die Verkündung einer Entscheidung auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Entscheidungsformel erstellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2011 – XII ZR 131/09 Rn. 20 f., NJW 2011, 1741; Beschluss vom 11. März 2015 – XII ZB 571/13 Rn. 15, NJW 2015, 1529), damit dieses eine Verkündung beweiskräftig beurkunden kann.

BGH VII ZB 5/21

Diese Voraussetzung liegt vor. Das Berufungsgericht hat sich rechtsfehlerfrei aufgrund der dienstlichen Erklärung der Richterin und der mit dem Programm “Forumstar” automatisch ausgeworfenen Verfügung gleichen Datums die Überzeugung verschafft, dass das Protokoll zeitnah zum beurkundeten Verkündungstermin, dem 10. Februar 2020, erstellt worden ist.

Die von der Rechtsbeschwerde hiergegen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1, § 577 Abs. 6 Satz 2 ZPO).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde spielt es für die Beweiskraft des Protokolls dagegen keine Rolle, wann es zur Akte gelangt ist.

Denn die Beweiskraft des Protokolls nach § 165 ZPO setzt nur dessen Existenz voraus. Ist das Protokoll dagegen zwar erstellt, aber nicht zeitnah und auch nicht innerhalb von fünf Monaten zur Akte gelangt und ist dem Beteiligten damit die Möglichkeit verstellt, anhand der Akten festzustellen, ob bereits eine Entscheidung verkündet worden ist, kann dies bei einem hierdurch eingetretenen Fristversäumnis gegebenenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen.

Dies hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bereits entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2015 – XII ZB 571/13 Rn. 19 f., NJW 2015, 1529).

Dem schließt sich der Senat an.

Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, einen solchen Fall anders zu beurteilen als denjenigen, bei dem während des Fünf-Monats-Zeitraums die gesamte Akte (mit dem enthaltenen Protokoll) unauffindbar ist. Soweit dem Beschluss des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2012 (VIII ZB 104/11, AnwBl 2012, 558) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, hält der VIII. Zivilsenat – wie dieser auf Anfrage mitgeteilt hat – daran nicht fest.

bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht davon abgesehen, der Behauptung der Beklagten nachzugehen, im Rahmen des Verkündungstermins habe die erkennende Richterin gegenüber der anwesenden Beklagten lediglich erklärt, “es bleibt alles beim Alten”, ohne den Tenor vorzulesen. Es konnte diese Behauptung als richtig unterstellen.

Denn auch auf dieser Grundlage wäre kein Nachweis der Fälschung des Protokolls gemäß § 165 Satz 2 ZPO geführt.

BGH VII ZB 5/21

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass auch in dem Fall eine wirksame Verkündung vorläge und das Protokoll demnach nicht unrichtig wäre. Denn ein solcher Ablauf begründet nur einen untergeordneten Verkündungsmangel, der die Wirksamkeit nicht berührt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann.

Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht.

Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – XII ZB 165/11 Rn. 13 m.w.N., NJW 2012, 1591).

In der Erklärung der Richterin, es bleibe alles beim Alten, lag jedenfalls zugleich eine Bezugnahme auf die vorliegende schriftliche Urteilsformel, da sie deren Inhalt, dass das Versäumnisurteil aufrechterhalten werde, in einer für Laien verständlichen Form sinngemäß zutreffend wiedergab.

Damit sollte erkennbar, da die Erklärung in dem Termin stattfand, der gerade für die Verkündung einer Entscheidung anberaumt war, die Verlautbarung des Urteils erfolgen und wurden die Parteien von Erlass und Inhalt des Urteils förmlich unterrichtet.

Dass die Verkündung durch Bezugnahme gemäß § 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO unzulässig war, weil eine Partei erschienen war, ist kein elementarer Verstoß, der eine Verlautbarung im Rechtssinne ausschließt.

Beide Verlautbarungsformen werden vom Gesetz als gleichwertig angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1984 – VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, juris Rn. 13).

b) Auch soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet, bleibt sie erfolglos.

Von einer Begründung wird insoweit abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

BGH VII ZB 5/21

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Pamp

Halfmeier

Jurgeleit

Sacher

Borris

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Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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