BGH III ZR 62/65

September 13, 2017

BGH III ZR 62/65 Auslegung einer letzwilligen Verfügung als Vermächtnis oder Teilungsanordung in Abgrenzung zur Auflage

Auslegung einer letzwilligen Verfügung als Vermächtnis oder Teilungsanordung in Abgrenzung zur Auflage; Begriff des Vermögensvorteils i.S.d. § 1939 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB); Zulässigkeit der Klage eines Miterben gegen einen anderen Miterben auf Herausgabe eines Vermächtnisgegenstandes vor Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft; Berechnungsgrundlage zur Feststellung des einem Pflichtteilsberechtigten hinterlassenen Erbteils

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 1967
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Pagendarm sowie
der Bundesrichter Dr. Beyer, Gähtgens, Keßler und Dr. Reinhardt
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Dezember 1964 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand BGH III ZR 62/65

Der ursprüngliche Kläger Karl K. und der Beklagte waren die ältesten der vier Kinder der 1963 verstorbenen Witwe Johanna K., geb. Freiin von A., und ihres vorverstorbenen Ehemannes, des Rittergutsbesitzers Dr. Josef K.. Karl K. ist im Verlauf des Revisionsrechtszuges verstorben und von seinem Sohn, dem jetzigen Kläger Karl Josef K., allein beerbt worden.

Der Beklagte hat aus dem Nachlaß seiner Mutter zwei wertvolle, historisch bedeutsame Schmuckgegenstände aus einem alten Königsgrab bei Enzen, nämlich einen Armreif und ein Schwertgehänge, an sich genommen. Mit der Klage wird vom Beklagten die Herausgabe des Schmucks verlangt mit der Begründung, aus einem gemeinschaftlichen Testament der Eltern bzw. Großeltern der Parteien vom 12. Oktober 1926 sei der Kläger als Alleinerbe seines Vaters Karl K. zum Alleinbesitz des Schmucks berechtigt. In dieser als Nachtrag zu früheren gemeinschaftlichen Testamenten errichteten letztwilligen Verfügung hatte der Vater des Karl K. zusammen mit seiner Ehefrau bestimmt, daß Karl K. und seine Braut bei ihrer Verheiratung das Rittergut Burg Zievel zum Preise von 500.000 DM erhalten sollten. In dem Testament heißt es sodann:

“In diesen Preis ist mit eingerechnet der gesamte Bestand und tote Inventar …, ferner alle alten Möbel, die von hier und Münstereifel kommen. Selbstredend verbleiben die Möbel den Eltern zu Lebzeiten. Seiner Obhut wird ferner übergeben der alte Familien-Goldschmuck aus dem Königsgrab zu Enzen …

BGH III ZR 62/65

Ich fühle mich nach langem und gewissenhaftem Prüfen verpflichtet, diese Bestimmung zu treffen, weil ich meinen Gutsverkäufern, den Geschwistern meines Vaters, feierlich versprochen habe, das Gut durch Übertragung auf meine Nachkommen der Familie zu erhalten und ich es für meine Pflicht hielt, diese Gelegenheit der Verheiratung von Karl zur Erfüllung des Versprechens zu benutzen. Ich bestimme ferner, daß Karl bei seiner Verheiratung bindende Anordnungen trifft, daß das Gut der Familie K. erhalten bleibt, wenn er ohne Nachkommen abberufen werden sollte …”

Durch notariellen Vertrag vom 14. April 1927 übertrugen die Eltern bzw. Großeltern der Parteien das Gut “nebst Gebäuden” auf Karl K.. Nachdem sie gemeinschaftlich am 15. April 1927 u.a. letztwillige Verfügungen über die Anrechnung von zu ihren Lebzeiten an ihre Kinder gemachten Zuwendungen und am 24. April 1927 Bestimmungen über die Verteilung von Silber, Schmuck, Mobiliar und sonstigen Einrichtungsgegenständen an ihre Abkömmlinge getroffen hatten, errichteten sie am 23. Juni 1927 ein neues gemeinschaftliches Testament, mit dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten und alle früheren letztwilligen Verfügungen widerriefen mit Ausnahme der vorgenannten Testamente vom 15. und 24. April 1927 sowie “der Bestimmungen über den Übergang des Gutes Burg Z. an unseren Sohn Karl und dessen Ehefrau”.

Das letzte von den Eltern der Parteien gemeinschaftlich errichtete Testament vom 20. Februar 1929 enthält Bestimmungen über die Anrechnung von Vorableistungen an die drei Geschwister des Karl Krewel und ordnete in seinem § 4 folgendes an:

“Karl ist abgefunden, bleibt nur an der Tongrube beteiligt und haftet für die Schuld von der Landesbank zu einem Viertel, sonst für nichts – ohne Rechte und Pflichten.”

Nach dem Tod des Vaters des Karl K. und des Beklagten hat ihre Mutter weitere Testamente errichtet und vornehmlich die Verteilung von Schmuck und Inventar geändert. Diese Änderung begründete sie in ihrem Testament vom 15. Mai 1954 damit, “daß durch den Verlust vieler Sachen in der Nachkriegszeit eine völlig veränderte Lage eingetreten ist”. Der Goldschmuck von E. wird in diesen Testamenten nicht erwähnt.

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Nach dem Tod der Mutter haben sich ihre Kinder hinsichtlich der übrigen Nachlaßgegenstände auseinandergesetzt. Den streitigen Goldschmuck von E. will der Beklagte für die Erbengemeinschaft in Besitz genommen haben; die Übrigen Miterben machen keine Rechte auf den Schmuck geltend.

Karl K. hat mit der Begründung, daß ihm der Goldschmuck auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments seiner Eltern vom 12. Oktober 1926 zustehe, mit seiner Klage beantragt, den Beklagten zur Herausgabe des Schmucks an ihn zu verurteilen.

Der Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Hierzu hat er im wesentlichen vorgetragen: Die Bestimmung über den Goldschmuck vom 12. Oktober 1926 sei durch das gemeinschaftliche Testament vom 23. Juni 1927 aufgehoben worden; zumindest sei sie nicht mehr durchsetzbar, weil Karl K. durch das gemeinschaftliche Testament vom 20. Februar 1929 enterbt worden sei. Jedenfalls könne er – der Beklagte – nach § 2306 BGB die Herausgabe des Schmucks verweigern, da die Zuwendungen aus dem Nachlaß seiner Mutter an ihn einen geringeren Wert gehabt hätten als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des ursprünglichen Klägers Karl K. hat das Oberlandesgericht dieses Urteil Aufgehoben und der Klage stattgegeben.

Der Beklagte verfolgt mit der Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der jetzige Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe BGH III ZR 62/65

Die Revision ist in der gesetzlichen Frist eingelegt, da die Zustellung einer Ausfertigung des Berufungsurteils vor dem 22. Februar 1965 nicht nachgewiesen ist. Sachlich ist die Revision jedoch unbegründet.

I.

Zu Recht stellt das Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen die von den Altern bzw. Großeltern der Parteien am 12. Oktober 1926 als Nachtrag zu dem gemeinschaftlichen Testament vom 31. Dezember 1922 getroffenen Bestimmungen, die in erster Linie den Übergang des Gutes Burg Z. auf Karl Krewel und seine Ehefrau zum Gegenstand hatten, und in denen im Blick auf Karl K. u.a. folgendes bestimmt war: “Seiner Obhut wird ferner übergeben der alte Familien-Goldschmuck aus dem Königsgrab zu E.”. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß diese Bestimmungen kein Rechtsgeschäft unter Lebenden – etwa zur Vorbereitung der am 14. April 1927 vorgenommenen Übertragung des Gutes Burg Z. auf Karl K. und seine Ehefrau – sondern Verfügungen von Todes wegen darstellen, wie sich bereits aus dem Wortlaut des Nachtrags ergibt. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel.

In der den Goldschmuck von Enzen betreffenden Bestimmung sieht das Berufungsgericht im Gegensatz zu dem Landgericht, das diese Bestimmung als Auflage gewürdigt hat, eine ggf. mit einem Vorausvermächtnis verbundene Teilungsanordnung oder ein Vermächtnis, durch das nach dem Ableben beider Altern Karl K. als dem neuen Besitzer des Gutes Burg Z. der Schmuck, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach alter Familientradition dem Gut verbunden gewesen ist, ungeachtet einer etwa in dem Begriff “Obhut” liegenden Verfügungsbeschränkung zum unmittelbaren Alleinbesitz habe anvertraut werden sollen; das sei weder durch die noch zu Lebzeiten der Eltern bzw, Großeltern der Parteien vollzogene Gutsübertragung gegenstandslos geworden noch durch die später von ihnen getroffenen letztwilligen Verfugungen aufgehoben worden.

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Diese Feststellungen führen das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß Karl K. auf Grund dieser Bestimmung nach dem Tod seiner Mutter nunmehr von dem Beklagten als Miterben und derzeit unmittelbarem Besitzer des Goldschmucks die Herausgabe der Schmuckgegenstände verlangen könne. Der Beklagte könne sich auch nicht, so führt das Berufungsgericht weiter aus, darauf berufen, daß die Beschwerung seines Miterbenanteils mit dieser Herausgabepflicht nach § 2306 BGB entfallen sei; denn er habe nicht dargetan, daß das ihm hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteige.

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer Nachprüfung im Revisionsverfahren stand.

1.

Die Auslegung der den Goldschmuck von Enzen betreffenden letztwilligen Verfügung vom 12. Oktober 1926 durch das Berufungsgericht als Vermächtnis oder Teilungsanordnung liegt im Rahmen tatrichterlicher Würdigung eines individuellen Rechtsgeschäfts und kann von dem Revisionsrichter nur darauf überprüft werden, ob sie auf verfahrensrechtlichen Fehlern oder auf einem Verstoß gegen Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder die Denkgesetze beruht. Das ist nicht der Fall.

Erfolglos rügt die Revision, daß die Auslegung der Bestimmung als Teilungsanordnung oder Vermächtnis rechtlich nicht möglich sei. Die Revision führt hierzu im wesentlichen aus: Der Annahme einer Teilungsanordnung stehe im Wege, daß die Berufung des Karl K. zum Miterben nicht festgestellt sei und nach der Lage der Sache schwerlich festgestellt werden könne. Von einem Karl K. begünstigenden Vermächtnis könne deshalb nicht gesprochen werden, weil die Zuweisung des Goldschmucks unter seine Obhut nicht als Zuwendung eines Vermögensvorteils angesehen werden könne, die nach § 1939 BGB das Wesen eines Vermächtnisses ausmache.

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Der Besitz des Grabschmucks habe nur einen ideellen Wert, wenn er – wie hier – Karl K. nur fiduziarisch zur Aufsicht und Fürsorge anvertraut worden sei. Die letztwillige Bestimmung vom 12. Oktober 1926 sei daher als eine den Beklagten als Miterben zwar beschwerende, von Karl K. als Nichterben aber nicht gerichtlich durchsetzbare Auflage im Sinne von § 1940 BGB oder als die Anordnung einer partiellen Testamentsvollstreckung aufzufassen, mit welcher Karl K. zwar betreut worden sei, die aber bisher noch nicht durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht (§ 2202 BGB) angetreten worden sei.

Es kann mit dem Berufungsgericht dahingestellt bleiben, ob Karl K. an dem Nachlaß des zuletzt verstorbenen Elternteils, seiner Mutter, Miterbe geworden ist oder ob er – wofür § 4 des von seinen Eltern am 20. Februar 1929 gemeinschaftlich errichteten Testaments spricht – nach dem Willen seiner Eltern von der Erbfolge ausgeschlossen sein sollte, nachdem er bereits zu ihren Lebzeiten das ihm zugedachte Gut Burg Z. erhalten hatte. Für den letzteren Fall kommt allerdings die Auslegung der Bestimmung vom 12. Oktober 1926 als eine ggf. mit einem Vorausvermächtnis verbundene Teilungsanordnung nicht in Betracht.

Das hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt, das für diesen Fall der Bestimmung die Bedeutung eines Karl K. begünstigendes Vermächtnisses zulegt. Entgegen der Ansicht der Revision ist diese Auslegung rechtlich möglich; ihr steht insbesondere nicht die Vorschrift des § 1939 BGB entgegen, nach der nur ein Vermögensvorteil vermächtnisweise zugewandt werden kann.

Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß bereits das Recht auf den unmittelbaren Besitz des Goldschmucks für Karl K. einen solchen Vermögensvorteil bedeutete, daß dahinstehen kann, ob und inwieweit Karl K. seinen Brüdern gegenüber in der rechtsgeschäftlichen Verfügungsmacht über den Schmuck beschränkt werden sollte. Denn der Begriff des Vermögensvorteils im Sinne von § 1939 BGB ist weit auszulegen; es ist nicht einmal erforderlich, daß das Vermögen des Begünstigten durch die Zuwendung unmittelbar bereichert wird, sondern es genügen bereits aus der Zuwendung mittelbar erwachsende Vermögensvorteile.

Das ergibt sich aus § 2187 Abs. 1 BGB, der davon ausgeht, daß der Vermächtnisnehmer mit einer Auflage oder einem Untervermächtnis bis zur Höhe des ihm vermächtnisweise zugedachten Wertes belastet werden kann (vgl. KG JW 1910, 6 Nr. 6; HRR 1928 Nr. 1698; BayObLG in OLG 32, 59; RGRK BGB 11. Aufl. § 1939 Anm. 4; Staudinger-Lehmann BGB 11. Aufl. § 1939 Rdn. 9; Planck-Flad BGB § 1939 Anm. 2; Erman-Bartholomeyczik BGB 3. Aufl. § 1939 Anm. 4).

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Selbst wenn mit dem Landgericht angenommen werden müßte, daß der Schmuck – im Gegensatz übrigens zu der unstreitigen Übung vor dem Tod der Mutter – von Karl K. oder seiner Ehefrau nicht getragen werden und Karl K. auch sonst von den Gegenständen keinen Gebrauch machen durfte, der den Schmuck gefährden könnte, so stellt der Schmuck hier doch nicht nur, wie die Revision meint, einen ideellen Wert dar. Vielmehr verbleiben aus dem unmittelbaren Besitz des historisch wertvollen Grabfundes (abgesehen davon, daß man z.B. den Schmuck gegen Entgelt besichtigen lassen kann) jedenfalls solche Vermögenswerten Vorteile, die das Berufungsgericht mit “Repräsentation” umschreibt, und die geeignet sind, zumindest mittelbar ein Vermögen günstig zu beeinflussen.

Es braucht deshalb nicht näher auf die vom Reichsgericht bejahte Frage eingegangen zu werden, ob auch die Zuwendung eines Treugutes, das dem Vermächtnisnehmer nur rechtlich und nicht wirtschaftlich gehören soll, grundsätzlich als Zuwendung eines Vermögensvorteils im Sinne von § 1939 BGB angesehen werden muß (RG HRR 1928 Nr. 1698; RGRK BGB 11. Aufl. § 1939 Anm. 4).

Entgegen der Ansieht der Revision kann dem Berufungsgericht unter diesen Umstanden auch nicht vorgeworfen werden, daß es in seinem Urteil die Möglichkeit, die letztwillige Verfügung vom 12. Oktober 1926 rechtlich als Auflage oder teilweise Testamentsvollstreckung einzuordnen, nicht ausdrücklich erörtert hat. Denn die fehlerfreie Feststellung, daß dem Kläger mit dem Goldschmuck von Enzen ein Vermögensvorteil vermächtnisweise zugewendet werden sollte, schließt eine solche Einordnung aus.

2.

Ist demnach die Auslegung der am 12. Oktober 1926 getroffenen letztwilligen Verfügung über den Goldschmuck durch den Tatrichter rechtlich möglich und hat das Revisionsgericht daher von ihr auszugehen, so ist dem Berufungsgericht weiter darin zuzustimmen, daß Karl Krewel auf Grund dieser letztwilligen Verfügung die Herausgabe der Schmuckgegenstände zum unmittelbaren Alleinbesitz von dem Beklagten verlangen konnte und demgemäß nunmehr der jetzige Kläger als sein Sohn und Alleinerbe.

Dabei ist zunächst dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß die letztwillige Verfügung weder durch die am 14. April 1927 vollzogene Übertragung des Gutes Burg Z. gegenstandslos geworden, noch durch die von den Eltern bzw. Großeltern der Parteien später getroffenen letztwilligen Verfügungen, insbesondere auch nicht durch das gemeinschaftliche Testament vom 23. Juni 1927, aufgehoben worden ist.

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Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Übertragungsvertrag vom 14. April 1927 sich nur auf das Gut selbst mit allem Inventar, nicht aber auf den Goldschmuck erstreckt habe, und daß die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 23. Juni 1927 getroffene Anordnung, nach der u.a. “die Bestimmungen über den Übergang des Gutes Burg Z. auf Karl K. und dessen Ehefrau” weitergelten sollten, sich auch auf die im Rahmen dieser Bestimmungen getroffene Regelung vom 12. Oktober 1926 über den Goldschmuck von E. bezogen habe, beruht auf einer rechtlich möglichen Auslegung der in Betracht kommenden Erklärungen der Eltern bzw. Großeltern der Parteien, die im Revisionsverfahren zu beachtende Fehler nicht erkennen läßt und auch von der Revision nicht angegriffen wird. Deshalb ist die Bestimmung vom 12. Oktober 1926 über den Goldschmuck von E. bis zum Tod der Mutter Karl K. wirksam geblieben und von ihren Erben zu beachten.

Allerdings ist die Erbengemeinschaft bezüglich dieses Goldschmucks noch nicht auseinandergesetzt. Das hinderte Karl K. jedoch nicht, den Beklagten auf die Herausgabe des Schmuckes Allein in Anspruch zu nehmen. War nämlich Karl K. Vermächtnisnehmer, so ergibt sich diese Befugnis aus der gesamtschuldnerischen Haftung des Beklagten als Miterben für die Erfüllung des Vermächtnisses (§ 2058 i.V.m. § 421 BGB), die auch dann besteht, wenn Karl K. an der Erbengemeinschaft selbst mitbeteiligt sein sollte (BGH LM BGB § 2058 Nr. 4; OGHZ 1, 161, 163).

Zwar kann es u.U. dem Wesen der gesamthänderischen Bindung der Erben sowie Treu und Glauben widersprechen, wenn ein Nachlaßgläubiger, der zugleich Miterbe ist, seine Forderung gegen nur einen Miterben mit der sog. Gesamtschuldklage geltend macht, bevor die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt ist. Das trifft hier jedoch nicht zu. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Nachlaß im übrigen auseinandergesetzt; die übrigen Miterben machen Rechte an dem Goldschmuck nicht geltend.

Dann aber ist es nicht treuwidrig, wenn der Kläger allein jetzt den Beklagten als denjenigen in Anspruch nimmt, der den Goldschmuck unmittelbar besitzt und deshalb die Vermächtnisforderung allein erfüllen kann (OGHZ 1, 161, 163). Handelt es sich bei der letztwilligen Verfugung um eine Teilungsanordnung und war Karl K. Miterbe, so konnte er von dem Beklagten verlangen, an der Auseinandersetzung im Sinne dieser Anordnung mitzuwirken (§ 2042 BGB).

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Diesen Verlangen nach Mitwirkung bei der Auseinandersetzung ist in der Klage auf Herausgabe der Schmuckgegenstände enthalten, und eine Fallgestaltung wie die vorliegende berechtigt dazu, es in die Form einer Leistungsklage zu kleiden, da auf Grund der Bestimmung vom 12. Oktober 1926 die Verteilung des Schmucks festliegt, der Beklagte den Schmuck allein in unmittelbarem Besitz hat, die Übrigen Miterben sich der Herausgabe des Schmucks an Karl K. nicht widersetzen und der Nachlaß im übrigen verteilt ist, so daß mit der Leistungsklage nur das Ergebnis eines etwa nach der Teilungsanordnung aufzustellenden Teilungsplanes vorweggenommen wird (vgl. RG Seuff 77 Nr. 149; RGRK BGB 11. Aufl. § 2042 Anm. 24; Staudinger-Lehmann BGB 11. Aufl. § 2042 Rdn. 21 mit weiteren Nachweisen).

3.

Erfolglos muß die Revision auch mit ihrer Rüge bleiben, daß das Berufungsgericht den Sachvortrag des Beklagten zu § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht hinreichend gewürdigt habe.

Nach dieser Vorschrift gelten Beschränkungen und Beschwerungen, die den als Erben berufenen pflichtteilsberechtigten insbesondere durch eine Teilungsanordnung oder ein Vermächtnis treffen sollen, als nicht Angeordnet, wenn der dem Erben hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß der Sachvortrag des Beklagten nicht ausreicht, um die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall darzutun.

Der Beklagte hatte hierzu in der ernten Instanz vorgetragen: Der Nachlaß setze sich im wesentlichen aus dem Hausinventar und Schmuck im Werte von 65.000 DM, dem Schmuck aus dem Königsgrab von E. im Werte von 60.000 DM und dem der Wirtschafterin als Vermächtnis zugewandten Betrag von 6.000 DM zusammen. Dieser Wert erhöhe sich um den Wert der Münzensammlung und sonstiger Vermögensstücke, die sich noch in Händen von Karl K. befänden.

Ferner seien dem Nachlaß Ausgleichspflichtige Vorempfänge, nämlich 45.000 DM, die sein Bruder Heinrich, und 125.000 DM, die Karl K. erhalten habe, hinzuzurechnen. Er selbst habe demgegenüber aus dem Nachlaß nur 13.350 DM aus dem Verkauf von Wertpapieren und anteiligem Inventar sowie Schmuck zu einem Wert von äußerstenfalls 2.500 DM erhalten.

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Aus diesem Vorbringen wird deutlich, daß der Beklagte den ihm hinterlassenen Erbteil nach den Werten berechnen will, die ihm nach Abzug der auf dem Nachlaß ruhenden Beschränkungen und Beschwerungen (und offenbar auch sonstiger den Nachlaß treffender Verbindlichkeiten) aus dem Nachlaß nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zugeflossen sind.

Diese Berechnungsmethode ist im Böhmen des § 2306 BGB unzulässig. Bei der Feststellung des dem Beklagten hinterlassenen Erbteils ist grundsätzlich von der Quote auszugehen, zu welcher der Beklagte als Erbe berufen worden ist. Die Beschränkungen, Beschwerungen und sonstigen den Erben treffenden Nachlaßverbindlichkeiten sind von dem hinterlassenen Erbteil nicht abzusetzen (RGZ 93, 3; BGHZ 19, 309, 310 [BGH 21.12.1955 – IV ZR 105/55]; RGRK BGB 11. Aufl. § 2306 Anm. 2 mit weiteren Nachweisen).

Die so ermittelte Quote ist alsdann der Hälfte des gesetzlichen Erbteils unter Berücksichtigung etwaiger Anrechnungs- und Ausgleichspflichten nach §§ 2315, 2316 BGB (RGRK BGB 11. Aufl. § 2306 Anm. 3 mit weiteren Nachweisen) gegenüberzustellen. Nur wenn auf dieser Berechnungsgrundlage der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt, entfallen die den Erben treffenden Beschwerungen und Beschränkungen, da nur in diesem Fall davon auszugehen ist, daß der Erblasser den Erben auf weniger als seinen Pflichtteil setzen wollte.

Wird nach dieser Berechnungsmethode verfahren, so entspricht nach dem eigenen Vortrag des Beklagten der ihm hinterlassene Erbteil mindestens derjenigen Quote, zu der er als gesetzlicher Erbe nach seiner Mutter berufen worden wäre.

Nach der gesetzlichen Erbfolge wurde gemäß § 1924 Abs. 4 BGB die Mutter von ihren vier Kindern, darunter dem Beklagten, zu gleichen Teilen beerbt worden sein. Es kann dahinstehen, ob die in Betracht kommenden letztwilligen Verfügungen der Eltern bzw. Großeltern der Parteien überhaupt Bestimmungen über die Erbfolge nach der Mutter des Beklagten enthalten, oder ob mangels solcher Bestimmungen die gesetzliche Erbfolge eingreift,

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Abgesehen von § 4 des gemeinschaftlichen Testaments vom 20. Februar 1929, durch den möglicherweise Karl K. mit Rücksicht auf die ihm bereits zu Lebzeiten seiner Eltern gemachten Zuwendungen von der Erbfolge ausgeschlossen werden sollte, enthalten diese Testamente neben Vermächtnissen, die als solche ausdrücklich bezeichnet worden sind, den Bestimmungen über die Anrechnung von Vorempfängen und der Zuwendung des Goldschmucks von Enzen an Karl K., die als Erbeinsetzung nicht in Betracht kommt, bezüglich der Abkömmlinge nur Anordnungen über die Verteilung der Möbel, des sonstigen Hausrates einschließlich des Silbers und des Schmuckes, die den gesamten Nachlaß, in dem sich unstreitig u.a. noch Wertpapiere befunden haben, nicht erschöpften.

Selbst wenn die Zuwendung dieser einzelnen Gegenstände entgegen der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB nicht als bloße Teilungsanordnung, sondern als Erbeinsetzung auf einen Teil des Nachlasses angesehen werden müßte, und die Erbquote bezüglich dieses Teils des Nachlasses nach dem Wert der zugewendeten Gegenstände zu berechnen wäre, ergibt sich doch nicht, daß – abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 1924 Abs. 4 BGB – der Beklagte durch die ihm gemachten Zuwendungen im Verhältnis zu seinen Brüdern benachteiligt, also auf einen geringeren Erbteil als seine Brüder gesetzt werden sollte.

Die Verteilung des Hausrates und Schmuckes ist ersichtlich von dem mehrfach zum Ausdruck gekommenen Gedanken getragen gewesen, die Kinder insofern gleich zu behandeln, und daß der Beklagte weniger Möbel, Silber und Schmuck als seine Brüder erhalten hat, ergibt sich auch aus seiner eigenen Berechnung nicht.

Das bedeutet aber, daß ihm nach seinem eigenen Vortrag nicht die Hälfte sondern zumindest der volle gesetzliche Erbteil hinterlassen worden ist, wenn die Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht gelassen werden. Allerdings haben nach seinem Vortrag sowohl Karl K. als auch sein Bruder Heinrich durch ausgleichungspflichtige Vorempfänge mehr erhalten, als ihnen bei der Auseinandersetzung zugestanden hätte, und dieser Umstand kann nach dem auch im Rahmen des § 2306 BGB zu berücksichtigenden § 2316 i.V.m. § 2056 BGB dazu führen, daß sich sein Pflichtteil (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils) entsprechend wertmäßig erhöht.

Diese Ausgleichungspflicht würde aber auch nach § 2056 BGB den dem Beklagten zukommenden Erbteil im selben Verhältnis wertmäßig erhöhen, da es sich nach seinem eigenen Vortrag um Vorempfänge handelt, die auch nach den testamentarischen Bestimmungen seiner Eltern bei der Auseinandersetzung zum Ausgleich zu bringen waren. Der dem Beklagten “hinterlassene Erbteil” ist deshalb stets größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

BGH III ZR 62/65

Dem Berufungsgericht ist also auch darin zu folgen, daß der Beklagte die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB, unter denen ein Erbe von den ihn belastenden Beschränkungen und Beschwerungen befreit ist, nicht dargetan hat.

4.

Ebenso erfolglos rügt die Revision schließlich, das Berufungsgericht hebe unter Verstoß gegen die ihm nach § 139 ZPO obliegende Aufklärungspflicht den Beklagten nicht veranlaßt, widerklagend die Feststellung zu begehren, daß der Kläger die Schmuckgegenstände auf die Bauer von 30 Jahren seit dem Tod der Mutter nicht veräußern dürfe.

Hierzu meint die Revision: Handele es sich bei der letztwilligen Verfügung vom 12. Oktober 1926 um ein Vermächtnis, so sei das Vermächtnis mit dieser Auflage beschwert, und es habe in diesem Fall ein Anlaß zu einem solchen prozessualen Vorgehen bestanden, weil der Kläger die Herausgabe zur Sachherrschaft schlechthin begehrt habe.

Die Revision übersieht dabei, daß das Gericht nach § 139 ZPO zwar auf die Beseitigung von Unklarheiten und die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken hat; diese Pflicht erstreckt sich aber jedenfalls in einem Anwaltsprozeß nicht auf die Anregung, widerklagend einen neuen Anspruch einzuführen, worauf es hinausgelaufen wäre, wenn das Berufungsgericht den Beklagten zur Erhebung einer über das allein die Besitzverhältnisse betreffende Klagebegehren hinausgehenden, sich auf die Verfügungsbefugnis des Klägers beziehenden Feststellungsklage veranlaßt haben würde.

Im übrigen ist der Beklagte nicht beschwert, weil ihm Dicht die Möglichkeit genommen ist, eine entsprechende Klage zu erheben.

Da das Berufungsurteil auch sonst einen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten nicht erkennen läßt, erweist sich die Revision des Beklagten damit als unbegründet und muß zurückgewiesen werden.

Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Beklagte nach § 97 ZPO zu tragen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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