BGH IV ZB 16/10 – Anfechtung nach § 2078 BGB

Dezember 18, 2017

BGH IV ZB 16/10 – Anfechtung nach § 2078 BGB

RA und Notar Krau

In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) mit dem Aktenzeichen IV ZB 16/10 ging es um die Zurückweisung einer Rechtsbeschwerde.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten einen gemeinschaftlichen Erbschein, der ihnen jeweils die Hälfte des Nachlasses ihrer am 11. Juli 2009 verstorbenen Schwester zusprechen sollte.

Die Verfahrensgeschichte ist komplex und beruht auf mehreren Erbverträgen und Testamenten der Erblasserin, die zuvor zweimal verheiratet war.

Die Erblasserin hatte in ihrer ersten Ehe einen Erbvertrag mit ihrem damaligen Ehemann geschlossen, in dem sie zur Alleinerbin bestimmt wurde,

und die beiden Kinder ihres Ehemannes aus dessen erster Ehe – darunter die Beteiligte zu 3 und eine vorverstorbene Schwester – als Schlußerben bestimmt wurden.

Zudem vermachte die Erblasserin den Beteiligten zu 1 und 2 eine Beteiligung an einem Grundstück.

Der Erbvertrag enthielt kein Rücktrittsrecht.

BGH IV ZB 16/10 – Anfechtung nach § 2078 BGB

Nachdem ihr erster Ehemann im Jahr 1988 starb und dessen Nachlass überschuldet war, schlug die Erblasserin die Erbschaft aus.

Später heiratete sie erneut und schloss weitere Erbverträge mit ihrem zweiten Ehemann.

Im Jahr 2001 errichtete sie schließlich ein notarielles Testament, das die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben zu je 1/2 einsetzte.

Das Amtsgericht wies den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zurück, da die Erblasserin an den Erbvertrag aus ihrer ersten Ehe gebunden gewesen sei.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 vor dem Oberlandesgericht Köln blieb erfolglos, weshalb sie eine Rechtsbeschwerde einlegten.

Der BGH prüfte die Rechtsbeschwerde und entschied, dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 74a FamFG vorlagen.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da die rechtlichen Grundlagen, insbesondere zur Anfechtung eines Erbvertrages wegen Irrtums, bereits geklärt waren.

Die maßgebliche Regelung besagt, dass die Frist für die Anfechtung eines Erbvertrages wegen Irrtums nach § 2078 BGB mit der Kenntnis des Erblassers über den Anfechtungsgrund beginnt.

Ein Rechtsirrtum ist nur beachtlich, wenn er auf einer Unkenntnis von Tatsachen beruht, die die Anfechtung begründen.

BGH IV ZB 16/10 – Anfechtung nach § 2078 BGB

Hingegen ist ein Irrtum über die rechtliche Bewertung dieser Tatsachen unerheblich.

Ein weiterer Grund für die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde war, dass es keine Abweichungen zwischen den Urteilen der Vorinstanzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung gab, die eine einheitliche Rechtsauslegung gefährden könnten.

Insbesondere stellte das Beschwerdegericht fest, dass im Bereich des Motivirrtums nach § 2078 Abs. 2 BGB kein beachtlicher Rechtsirrtum vorliegt,

was auch mit der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts übereinstimmt.

Die Rechtsbeschwerde hatte auch aus materiellen Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

Die Beteiligten argumentierten, dass der Erbvertrag so auszulegen sei, dass der Erblasserin ein konkludentes Rücktrittsrecht eingeräumt worden sei, falls der Nachlass ihres ersten Ehemannes überschuldet gewesen wäre und sie die Erbschaft ausschlagen musste.

Der BGH folgte dieser Argumentation nicht.

Nach den allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 2084 BGB war der Wille der Erblasserin zu ermitteln, jedoch lag keine Auslegung vor,

die ein stillschweigendes Rücktrittsrecht beinhaltete, da der Erbvertrag explizit kein einseitiges Rücktrittsrecht vorsah.

Zudem war den Vertragsschließenden die prekäre finanzielle Lage des Ehemannes bekannt.

Auch die Anfechtung des Erbvertrages wegen Irrtums griff nicht.

Die Erblasserin war zum Zeitpunkt des Todes ihres ersten Ehemannes im Jahr 1988 über alle relevanten Umstände informiert, einschließlich der Überschuldung des Nachlasses.

Ein späterer Irrtum über die rechtliche Bindungswirkung des Erbvertrages war daher unbeachtlich.

Selbst wenn die Erblasserin fälschlicherweise glaubte, dass die Ausschlagung der Erbschaft die Bindungswirkung des Vertrages beendete, blieb dies ein unbeachtlicher Rechtsirrtum.

Letztlich blieb die Beschwerde ohne Erfolg, da keine Gründe vorlagen, die eine Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen rechtfertigen würden.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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