BGH IV ZB 37/23 lenkende Ausschlagung

Dezember 20, 2024

BGH IV ZB 37/23 lenkende Ausschlagung

Beschluss vom 4. September 2024

RA und Notar Krau

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 4. September 2024 entschieden, dass die sogenannte „lenkende Ausschlagung“

einer Erbschaft durch Eltern für ihre minderjährigen Kinder keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.

Hintergrund des Falls:

Ein Ehepaar hatte in einem Erbvertrag vereinbart, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird und nach dessen Tod die gemeinsamen Kinder erben sollen.

Nach dem Tod der Ehefrau schlug der Ehemann die Erbschaft aus, um die Erbschaftssteuer zu minimieren und den Nachlass über die gesetzliche Erbfolge an sich und die gemeinsamen Kinder zu verteilen.

Auch für das zum Todeszeitpunkt der Erblasserin noch ungeborene Enkelkind schlugen die Eltern die Erbschaft aus.

BGH IV ZB 37/23 lenkende Ausschlagung

Das Nachlassgericht verweigerte die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, da es die Ausschlagung für das Enkelkind als unwirksam ansah,

weil sie nicht familiengerichtlich genehmigt worden war.

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf und entschied, dass die Ausschlagung der Erbschaft durch die Eltern

für ihr minderjähriges Kind wirksam war und keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedurfte.

Begründung:

  • Gesetzliche Regelung: Nach § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB benötigen Eltern für die Ausschlagung einer Erbschaft für ihr Kind grundsätzlich die Genehmigung des Familiengerichts. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn die Erbschaft dem Kind erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils anfällt und dieser nicht neben dem Kind berufen war.
  • Teleologische Reduktion: Das Beschwerdegericht hatte argumentiert, dass diese Ausnahmevorschrift im Wege der teleologischen Reduktion nicht angewendet werden dürfe, wenn die Ausschlagung durch die Eltern dazu führe, dass die Erbschaft an den Elternteil zurückfällt. Der BGH lehnte dies ab. Eine teleologische Reduktion sei nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Unvollständigkeit aufweise. Dies sei hier nicht der Fall. Der Gesetzgeber habe die Problematik der „lenkenden Ausschlagung“ bewusst gesehen und sich dagegen entschieden, eine Genehmigungspflicht einzuführen.

BGH IV ZB 37/23 lenkende Ausschlagung

  • Interessenkonflikt: Der BGH räumte zwar ein, dass bei der „lenkenden Ausschlagung“ ein Interessenkonflikt zwischen Eltern und Kind bestehen könne. Dies rechtfertige jedoch keine Einschränkung der gesetzlichen Regelung.
  • Gründe gegen eine Genehmigungspflicht:
    • Rechtssicherheit und -klarheit: Der Kreis der genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte müsse formal und nicht nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden.
    • Schutz des Kindes: Das Kind werde durch die Gesamtvertretung durch beide Elternteile ausreichend geschützt.
    • Wille der Erblasser: Durch die „lenkende Ausschlagung“ werde der Wille der Erblasser, den Nachlass innerhalb der Familie zu halten, erfüllt.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH stärkt die Rechte der Eltern bei der Verwaltung des Vermögens ihrer Kinder.

Sie ermöglicht es ihnen, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen frei über die Ausschlagung einer Erbschaft für ihr Kind zu entscheiden,

auch wenn dies dazu führt, dass die Erbschaft an sie selbst zurückfällt.

Wichtige Hinweise:

  • Die „lenkende Ausschlagung“ ist nur zulässig, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht.
  • Im Einzelfall kann ein Rechtsmissbrauch vorliegen, der die Wirksamkeit der Ausschlagung ausschließt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Krau Rechtsanwälte und Notar

Wahl englisches Recht zur Vermeidung Pflichtteil

Januar 14, 2025
Wahl englisches Recht zur Vermeidung PflichtteilBGH Urteil vom 29.06.2022 – IV ZR 110/21RA und Notar KrauDas Urteil des Bundesgerichts…
Krau Rechtsanwälte und Notar

Erbquote russischer Ehegatte

Januar 12, 2025
Erbquote russischer EhegatteOLG Köln 2 Wx 22/24Beschluss vom 4.3.2024RA und Notar KrauKernaussage:Das OLG Köln entschied, d…
Krau Rechtsanwälte und Notar

Anspruch Erbe gegen Bank Nachlassinsolvenz

Januar 12, 2025
Anspruch Erbe gegen Bank NachlassinsolvenzverfahrenBVerfG 1 BvR 1031/20Beschluss vom 10.04.2024RA und Notar KrauSachverhalt:…