Billigkeitserlass der auf eine durch Vermächtnis zugewendeten Leibrente entfallenden Erbschaftsteuer bei Insolvenz des verpflichteten Erben
Gerne fasse ich das Urteil des Finanzgerichts Münster (FG Münster, Gerichtsbescheid vom 18.12.2013 – 3 K 3246/12 Erb) für Sie als Laien zusammen.
Dieser Fall behandelt eine spezielle Situation im Erbschaftsteuerrecht und die Möglichkeit, Steuern aus Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn etwas Unerwartetes passiert.
Eine Frau (die Klägerin) hatte von ihrem verstorbenen Lebensgefährten ein Vermächtnis erhalten, das unter anderem aus einer monatlichen Leibrente bestand. Diese Rente musste von den Erben (Sohn und Tochter des Verstorbenen) gezahlt werden.
Aufgrund dieses Vermögensanfalls (die Leibrente) musste die Klägerin Erbschaftsteuer zahlen. Sie wählte die sogenannte Jahresversteuerung (§23 ErbStG), bei der die Steuer jährlich fällig wird, solange die Rente läuft.
Einer der zur Zahlung verpflichteten Erben geriet in die Insolvenz und stellte die Rentenzahlungen ein. Die Klägerin erhielt ab Mai 2005 keine Rentenzahlungen mehr. Obwohl sie kein Geld mehr bekam, forderte das Finanzamt weiterhin die jährliche Erbschaftsteuer für die Leibrente.
Die Klägerin beantragte, die auf die Rente entfallende Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen (§163 Abgabenordnung – AO) auf null Euro festzusetzen, da sie ja keine Rente mehr erhielt. Sie argumentierte, das Festhalten an der Steuerpflicht führe zu einer unzulässigen Übermaßbesteuerung und einem Zugriff auf nicht geerbtes Vermögen. Sie verwies sowohl auf sachliche als auch auf persönliche Billigkeitsgründe (sie hatte geringe Rente und Darlehensschulden).
Das Finanzgericht Münster wies die Klage ab. Die Ablehnung des Erlasses durch das Finanzamt war nach Auffassung des Gerichts rechtmäßig.
Das Gericht sah keine sachlichen Billigkeitsgründe für einen Steuererlass:
Das Stichtagsprinzip: Im Erbschaftsteuerrecht gilt das Stichtagsprinzip. Das bedeutet: Für die Berechnung der Steuer ist der Wert des Vermögens am Todestag (dem Stichtag) entscheidend. Spätere Entwicklungen, wie der Wertverlust oder der komplette Wegfall des Vermögens (hier die Rente durch Insolvenz), werden grundsätzlich nicht berücksichtigt.
Die Billigkeitsvorschriften (§163 AO) sind kein Werkzeug, um Gesetze zu korrigieren. Der Gesetzgeber hat das Problem des nachträglichen Vermögensverfalls gekannt und trotzdem am Stichtagsprinzip festgehalten. Ein Erlass würde dieses Prinzip unterlaufen.
Die Klägerin hatte die Möglichkeit der Jahresversteuerung gewählt. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin damit bewusst das Risiko einging, unter Umständen höhere Steuern zahlen zu müssen, als wenn sie die Steuer sofort kapitalisiert (als Einmalbetrag) gezahlt hätte.
Das Gericht verneinte auch einen Verstoß gegen das Übermaßverbot, da die bis zum Zeitpunkt des Ablöseantrags gezahlten Steuern im Verhältnis zum bis dahin tatsächlich erhaltenen Erwerb noch keine extrem über das normale Maß hinausgehende Belastung darstellten.
Auch persönliche Billigkeitsgründe (die finanzielle Notlage der Klägerin durch geringe Rente und Schulden) führten nicht zum Erlass.
Persönliche Billigkeitsgründe kommen nur in Betracht, wenn die Steuerzahlung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährden würde. Das Finanzamt hatte sein Ermessen bei der Ablehnung des Antrags ordnungsgemäß ausgeübt; das Gericht fand keine Fehler in dieser Ermessensentscheidung. Eine Verpflichtung zum Erlass wäre nur möglich gewesen, wenn jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft gewesen wäre, was hier nicht der Fall war.
Der Leitsatz des Urteils fasst das Ergebnis prägnant zusammen:
Ein Billigkeitserlass der Erbschaftsteuer, die auf eine durch Vermächtnis zugewendete Leibrente entfällt, kommt nicht in Betracht, weil der zur Zahlung verpflichtete Erbe die Rente wegen Insolvenz nicht mehr zahlt.
Wenn Sie eine Rente erben und dafür Erbschaftsteuer zahlen müssen, dann müssen Sie diese Steuer auch dann weiterzahlen, wenn der Schuldner der Rente insolvent wird und die Zahlungen einstellt. Das Stichtagsprinzip ist stärker als der nachträgliche Ausfall der Rente.
Dieses Urteil wurde später vom Bundesfinanzhof (BFH) bestätigt.
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