Bindung an gemeinschaftliches Testament 

September 6, 2017

Bindung an gemeinschaftliches Testament

OLG Schleswig 11 U 4/12

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG Schleswig) befasste sich in seinem Urteil vom 21. Februar 2013  mit der Frage der

Notarhaftung im Zusammenhang mit der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments.

Der Fall:

Die Klägerin verlangte vom beklagten Notar Schadensersatz, da dieser den Erblasser fehlerhaft beraten habe.

Der Erblasser hatte ein gemeinschaftliches Testament mit seiner ersten Ehefrau errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und ihren Sohn als Schlusserben bestimmten.

Nach dem Tod der Ehefrau und des Sohnes heiratete der Erblasser erneut.

Er wollte seine zweite Ehefrau zur Alleinerbin einsetzen und widerrief das gemeinschaftliche Testament.

Bindung an gemeinschaftliches Testament

Der beklagte Notar beurkundete diesen Widerruf und ein neues Testament, in dem die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt wurde.

Im Erbscheinsverfahren wurde jedoch entschieden, dass der Erblasser an das gemeinschaftliche Testament gebunden und die Einsetzung der Klägerin zur Alleinerbin unwirksam sei.

Die Enkelin des Erblassers (Tochter des vorverstorbenen Sohnes) wurde als Alleinerbin anerkannt.

Die Klägerin machte geltend, der Notar hätte den Erblasser auf die Notwendigkeit einer Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments hinweisen müssen.

Die Entscheidung des OLG Schleswig:

Das OLG Schleswig wies die Klage ab.

Es stellte fest, dass der Notar keine Pflichtverletzung begangen habe, da der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung

nicht mehr an das gemeinschaftliche Testament gebunden gewesen sei.

Das Gericht führte eine eigenständige Auslegung des Testaments durch und kam zu dem Schluss, dass die Bindungswirkung

des gemeinschaftlichen Testaments sich nicht auf die Enkelin des Erblassers erstreckte.

Bindung an gemeinschaftliches Testament

Begründung:

  • Eigenständige Auslegung des Testaments: Das OLG Schleswig betonte, dass es an die Beurteilung der Gerichte im Erbscheinerteilungsverfahren nicht gebunden sei. Es habe eigenständig zu prüfen, wie über die Erbenstellung richtigerweise hätte entschieden werden müssen.

  • Keine Pflichtverletzung des Notars: Da der Erblasser nicht an das gemeinschaftliche Testament gebunden war, war der Widerruf ausreichend, um die Klägerin zur Alleinerbin einzusetzen. Der Notar hatte somit keine Pflichtverletzung begangen, indem er den Erblasser nicht auf die Notwendigkeit einer Anfechtung hingewiesen hatte.

  • Keine Kausalität: Selbst wenn man eine Pflichtverletzung des Notars annehmen würde, konnte die Klägerin nicht beweisen, dass der Erblasser bei richtiger Beratung eine Testamentsanfechtung durchgeführt hätte. Es gab mehrere mögliche Entscheidungsalternativen für den Erblasser, und die Klägerin konnte nicht darlegen, dass er sich tatsächlich für die Anfechtung entschieden hätte.

Wesentliche Punkte des Urteils:

  • Eigenständige Testamentsauslegung durch das Regressgericht: Das Regressgericht ist nicht an die Auslegung des Testaments durch die Gerichte im Erbscheinerteilungsverfahren gebunden.

OLG Schleswig 11 U 4/12

  • Begrenzte Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente: Die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente erstreckt sich nur auf die im Testament konkret benannten Personen. Eine Ausdehnung auf weitere Personen, z.B. Enkelkinder, ist nur bei eindeutigen Anhaltspunkten im Testament oder den Umständen zulässig.

  • Keine Anwendung von § 2069 BGB auf gemeinschaftliche Testamente: Die Auslegungsregel des § 2069 BGB (Ersatzerbfolge) ist auf gemeinschaftliche Testamente nur anwendbar, wenn sich ein Wille der testierenden Ehegatten zur Einsetzung bestimmter Personen als Schlusserben feststellen lässt.

  • Vermutung beratungsrichtigen Verhaltens: Die Vermutung beratungsrichtigen Verhaltens gilt nicht, wenn es mehrere ernsthaft in Betracht kommende Entscheidungsmöglichkeiten gibt. In diesem Fall muss der Geschädigte beweisen, dass er bei richtiger Beratung die von ihm behauptete Entscheidung getroffen hätte.

Fazit:

Das Urteil des OLG Schleswig verdeutlicht die Bedeutung der eigenständigen Testamentsauslegung durch das Regressgericht in Notarhaftungsfällen.

Es zeigt auch die Grenzen der Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente auf und stellt klar, dass die Auslegungsregel des § 2069 BGB

nicht ohne Weiteres auf gemeinschaftliche Testamente angewendet werden kann.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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