Bindungswirkung eines Erbvertrages mit Pflegeverpflichtung – OLG Köln Beschluss vom 22. September 1999 – 11 U 53/98

Juni 8, 2020

Bindungswirkung eines Erbvertrages mit Pflegeverpflichtung – OLG Köln Beschluss vom 22. September 1999 – 11 U 53/98

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Köln hat am 22. September 1999 im Fall 11 U 53/98 entschieden, dass ein Erblasser auch dann berechtigt ist, sich nach dem Tod der vorrangig verpflichteten Pflegeperson von einer anderen Person pflegen zu lassen und dieser zu Lebzeiten sein Vermögen zu übertragen, selbst wenn ein Erbvertrag eine Pflegeverpflichtung und eine Erbeinsetzung eines ebenfalls zur Pflege verpflichteten Sohnes der vorrangigen Pflegeperson beinhaltet.

Diese Entscheidung betraf den Streit um die Übertragung eines Grundstücks, das ursprünglich im Eigentum der Erblasserin stand und durch notariellen Vertrag auf die Beklagten übertragen wurde.

Tenor der Entscheidung:


Das Oberlandesgericht hat das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1. wurde verurteilt, seinen ein Drittel Anteil an einem bestimmten Grundstück auf den Kläger zu übertragen und die Eintragung des Klägers als Miteigentümer zu bewilligen.


Der Beklagte zu 1. wurde ferner verurteilt, die Löschung eines Grundpfandrechts zu bewilligen, soweit dieses den zu übertragenden ein Drittel Anteil belastet.


Im Übrigen wurde die Klage hinsichtlich des zweiten Klageantrags abgewiesen.


Die weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen.


Die Kosten der ersten Instanz wurden anteilig zwischen den Parteien aufgeteilt.


Die Kosten der zweiten Instanz wurden ebenfalls anteilig verteilt.

Bindungswirkung eines Erbvertrages mit Pflegeverpflichtung – OLG Köln Beschluss vom 22. September 1999 – 11 U 53/98

Tatbestand:


Der Kläger, der aufgrund eines Vertrages zwischen seiner Mutter und der Erblasserin deren alleiniger Erbe ist, beanspruchte die Übertragung eines Grundstücks, das durch notariellen Vertrag auf die Beklagten übertragen wurde.

Die Mutter des Klägers hatte sich im Erbvertrag zur Pflege der Erblasserin verpflichtet, was sie bis zu ihrem Tod erfüllte.

Danach übernahmen die Beklagten zu 2. und 3. die Pflege, woraufhin die Erblasserin den Grundbesitz an die Beklagten übertrug.

Die Erblasserin bestätigte schriftlich den Erhalt des Kaufpreises, zahlte diesen jedoch später nahezu vollständig zurück.

Der Kläger argumentierte, dass die Übertragung unentgeltlich erfolgt sei und durch ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin nicht gerechtfertigt war.

Entscheidungsgründe:


Schenkung und Eigeninteresse:

Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der Grundstücksübertragung um eine Schenkung handelte.

Die zeitliche Abfolge der Rückzahlungen des Kaufpreises ließ keine andere Erklärung zu.

Die Schenkung war jedoch durch ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin gerechtfertigt, da sie die Pflege durch die Beklagten sichern wollte.

Bindungswirkung eines Erbvertrages mit Pflegeverpflichtung – OLG Köln Beschluss vom 22. September 1999 – 11 U 53/98

Bindungswirkung des Erbvertrages:

Der Erbvertrag schränkte das Recht der Erblasserin nicht ein, über ihr Vermögen zu verfügen.

Die Schenkung war nicht als Versuch zu werten, den Vertragserben zu beeinträchtigen, sondern als Maßnahme, um sich die Pflege durch vertraute Personen zu sichern.

Pflege durch Beklagte:

Die Erblasserin wollte nach dem Tod der Mutter des Klägers offensichtlich nicht von diesem, sondern von den Beklagten gepflegt werden.

Ihre Beweggründe wurden durch die Aussagen von Zeugen gestützt, die bestätigten, dass die Erblasserin die Pflege durch die Beklagten wünschte und ihnen dafür ihr Vermögen übertrug.

Kostenentscheidung und Vollstreckbarkeit:

Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß den gesetzlichen Bestimmungen.

Die Parteien durften die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen abwenden.

Zusammenfassung:


Das Urteil des OLG Köln bekräftigt das Recht eines Erblassers, sich trotz eines bindenden Erbvertrages mit Pflegeverpflichtung eine alternative Pflegeperson zu suchen und dieser Person Vermögen zu übertragen, sofern dies durch ein lebzeitiges Eigeninteresse gerechtfertigt ist.

Der Kläger konnte die Übertragung des Grundstücks nicht verhindern, da die Erblasserin ihre Beweggründe klar darlegte und diese als ausreichend angesehen wurden, um die Beeinträchtigung des Vertragserben zu rechtfertigen.

Die Entscheidung verdeutlicht die Gewichtung des lebzeitigen Eigeninteresses eines Erblassers gegenüber den im Erbvertrag festgelegten Verpflichtungen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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