Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen in gemeinschaftlichem Testament
LG Freiburg 6 O 242/17 Urteil vom 19.4.2018 –
Das Urteil des Landgerichts Freiburg (6 O 242/17) vom 19. April 2018 befasst sich mit der Frage der Erbfolge nach dem Tod von J.J.,
insbesondere im Zusammenhang mit einem gemeinschaftlichen Testament und späteren Verfügungen des Erblassers.
Die Klägerin, die zweite Ehefrau des Erblassers, begehrte die Feststellung, dass sie aufgrund eines handschriftlichen Testaments vom 10. Oktober 2011 Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns sei.
Der Erblasser hatte ursprünglich mit seiner ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich beide Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzten
und ihre Tochter sowie deren Abkömmlinge als Schlusserben bestimmten.
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete der Erblasser erneut und errichtete ein neues Testament, in dem er seine zweite Ehefrau, die Klägerin, als Alleinerbin einsetzte.
Nach dem Tod des Erblassers schlugen seine Kinder und Enkelkinder aus erster Ehe das Erbe aus.
Diese Ausschlagung führte dazu, dass die im ersten Testament vorgesehenen wechselbezüglichen Verfügungen gegenstandslos wurden.
Die Klägerin argumentierte, dass diese Ausschlagungen dazu führten, dass das zweite Testament, in dem sie als Alleinerbin bestimmt wurde,
wirksam sei und die wechselbezüglichen Verfügungen des ersten Testaments außer Kraft setzte.
Das Gericht gab der Klage statt und stellte fest, dass die Klägerin die Alleinerbin des Erblassers ist.
Es führte aus, dass die Ausschlagung des Erbes durch die Kinder und Enkel des Erblassers dazu führte, dass die im ersten Testament getroffenen Verfügungen nicht mehr wirksam seien.
Die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen erlischt, wenn die betroffenen Erben das Erbe ausschlagen.
Damit wurde das Testament vom 10. Oktober 2011 wirksam, und die Klägerin wurde Alleinerbin.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Ausschlagung in erbrechtlichen Fällen, insbesondere im Kontext von wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten.
Es betont, dass der Wille des Erblassers Vorrang hat, wenn bindende Verfügungen gegenstandslos werden, und bekräftigt die Testierfreiheit des Erblassers.
Die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament ist ein zentrales und oft komplexes Thema im deutschen Erbrecht.
Sie entsteht durch die besondere Verbindung zwischen den Verfügungen der Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner im Testament.
Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, bei denen anzunehmen ist, dass die eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen worden wäre.
Sie stehen und fallen miteinander in ihrer Wirksamkeit (§ 2270 Abs. 1 BGB). Typische Beispiele im gemeinschaftlichen Testament sind:
Die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten.
Die Einsetzung gemeinsamer Kinder zu Schlusserben nach dem Tod des Längerlebenden, in Verbindung mit der gegenseitigen Erbeinsetzung.
Die Wechselbezüglichkeit muss nicht ausdrücklich im Testament angeordnet sein, sondern kann sich aus der Auslegung des Testaments ergeben (§ 2270 Abs. 2 BGB
enthält eine Vermutung der Wechselbezüglichkeit für bestimmte Konstellationen im sogenannten „Berliner Testament“).
Entscheidend ist der gemeinsame Willen der Testierenden, dass die Verfügungen voneinander abhängig sein sollen.
Solange beide Ehegatten leben, können sie ihre wechselbezüglichen Verfügungen grundsätzlich nur gemeinsam ändern oder aufheben.
Ein einseitiger Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung durch einen Ehegatten ist zwar möglich, erfordert aber die notarielle Beurkundung
und muss dem anderen Ehegatten zugegangen sein (§§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB).
Dies soll sicherstellen, dass der andere Teil über die Änderung informiert ist und gegebenenfalls reagieren kann.
Mit dem Tod eines der Ehegatten tritt eine stärkere Bindungswirkung ein.
Der überlebende Ehegatte kann seine eigenen wechselbezüglichen Verfügungen nun grundsätzlich nicht mehr widerrufen (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Dies dient dem Schutz des Willens des zuerst Verstorbenen und dem Vertrauen des überlebenden Ehegatten auf die getroffenen Regelungen.
Trotz der grundsätzlich starken Bindungswirkung gibt es Ausnahmen und Grenzen:
Die Ehegatten können im Testament ausdrücklich vorsehen, dass der überlebende Ehegatte bestimmte Verfügungen (z.B. die Schlusserbeneinsetzung) nach dem Tod des anderen noch ändern darf.
Unter Umständen kann die Bindungswirkung entfallen, wenn sich die Umstände nach der Testamentserrichtung so wesentlich geändert haben,
dass ein Festhalten an den ursprünglichen Verfügungen unzumutbar wäre (Analogie zu § 2281 BGB).
Der überlebende Ehegatte kann das gemeinschaftliche Testament unter bestimmten Voraussetzungen anfechten (z.B. wegen Irrtums oder Drohung, § 2078 BGB).
Der überlebende Ehegatte kann das ihm Zugewendete ausschlagen (§ 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB), wodurch er von der Bindung an seine eigenen wechselbezüglichen Verfügungen frei wird.
Die Bindungswirkung erstreckt sich grundsätzlich nur auf Verfügungen von Todes wegen.
Der überlebende Ehegatte bleibt grundsätzlich in seinen lebzeitigen Verfügungen frei.
Allerdings gibt es hier eine wichtige Einschränkung zum Schutz der Schlusserben:
Wenn der überlebende Ehegatte in der Absicht, die Schlusserben zu beeinträchtigen, unentgeltliche Verfügungen (z.B. Schenkungen) vornimmt,
können die Schlusserben nach dem Tod des überlebenden Ehegatten die Herausgabe des Geschenks vom Beschenkten verlangen.
Dies gilt analog zu der Regelung für bindende Verfügungen in einem Erbvertrag.
Die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament ist ein komplexes Rechtsgebiet, das im Einzelfall sorgfältiger Prüfung bedarf.
Sie dient dem Schutz des gemeinsamen Willens der Testierenden und dem Vertrauen des überlebenden Ehegatten, kann aber auch die Testierfreiheit des Längerlebenden einschränken.
Eine klare und eindeutige Formulierung des Testaments, insbesondere hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit und möglicher Änderungsvorbehalte, ist daher von großer Bedeutung.
Es empfiehlt sich, rechtzeitig fachkundigen Rat einzuholen, um die gewünschten Regelungen rechtssicher zu gestalten.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.