Bundesamt für Verfassungsschutz darf AfD und Junge Alternative für Deutschland (JA) als Verdachtsfall beobachten

Mai 6, 2025

Bundesamt für Verfassungsschutz darf AfD und Junge Alternative für Deutschland (JA) als Verdachtsfall beobachten

Oberverwaltungsgericht NRW, 5. Senat, 5 A 1216/22, 13.05.2024

RA und Notar Krau

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) wies mit Urteil vom 13. Mai 2024 die Berufung der Alternative für Deutschland (AfD) gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ab.

Die Klage der AfD richtete sich gegen die Einstufung und Beobachtung der parteiinternen Sammlungsbewegung „Der Flügel“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesamt) als

„Verdachtsfall“ (vom 16. Januar 2019 bis zum 11. März 2020) und als „erwiesen extremistische Bestrebung“ (ab dem 12. März 2020) sowie gegen die öffentliche Bekanntgabe dieser Einstufungen.

Hintergrund und Gang des Verfahrens:

Der „Flügel“ hatte sich 2015 innerhalb der AfD formiert und wurde maßgeblich von Björn Höcke und André Poggenburg initiiert.

Das Bundesamt stufte den „Flügel“ und die Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative für Deutschland“ (JA), im Januar 2019 als „Verdachtsfälle“ ein,

während die AfD als Gesamtpartei zunächst als „Prüffall“ behandelt wurde.

Im März 2020 erfolgte die Hochstufung des „Flügel“ zur „erwiesen extremistischen Bestrebung“. Ende April 2020 löste sich der „Flügel“ formal auf.

Das Verwaltungsgericht Köln hatte der Klage der AfD teilweise stattgegeben und die Unterlassung der Einstufung und Beobachtung des „Flügel“ als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“

sowie deren Bekanntgabe für die Zukunft untersagt, die Klage im Übrigen aber abgewiesen.

Entscheidung des OVG NRW:

Das OVG NRW bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln und wies die Berufung der AfD zurück.

Zulässigkeit der Beobachtung:

Das OVG NRW stellte fest, dass das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) auch zur Beobachtung von Gruppierungen innerhalb politischer Parteien ermächtigt.

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Diese Möglichkeit stehe im Einklang mit Verfassungs-, Europa- und Völkerrecht und sei Ausdruck des Prinzips der „streitbaren“ oder „wehrhaften Demokratie“.

Dieses Prinzip solle verhindern, dass Verfassungsfeinde die durch das Grundgesetz gewährten Freiheiten missbrauchen, um die Verfassungsordnung zu gefährden.

Die freiheitliche demokratische Grundordnung als Schutzgut des BVerfSchG konzentriere sich auf wenige, zentrale Grundprinzipien.

Lägen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen diese Grundordnung vor, bestehe ein Verdacht, der eine Beobachtung zur Klärung rechtfertige. „Bestrebungen“ erforderten ein aktives Vorgehen zur Realisierung

eines bestimmten Ziels, das über bloße Meinungsäußerungen hinausgehe und auf die Beeinträchtigung von Elementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abziele.

Das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte setze nicht voraus, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen tatsächlich bestehen oder eine konkrete Gefahr vorliege.

Bloße Vermutungen reichten jedoch nicht aus; die Anhaltspunkte müssten konkrete und hinreichend verdichtete Umstände darstellen, die den Verdacht begründen könnten.

Ausreichende Anhaltspunkte könnten auch dann gegeben sein, wenn aussagekräftiges Material nur einen Teilbereich der Äußerungen und Aktivitäten der Gruppierung widerspiegele.

Die Beobachtung einer politischen Partei ziele nicht ausschließlich auf repressive Maßnahmen ab, sondern auch darauf, Informationen über die Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte zu gewinnen und die

Regierung sowie die Öffentlichkeit zu informieren, um angemessene, insbesondere politische, Gegenmaßnahmen zu ermöglichen.

Bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte sei das Bundesamt grundsätzlich zur Beobachtung verpflichtet, wobei die offene Formulierung

im Gesetz ein Auswahlermessen hinsichtlich Intensität und Mittel der Beobachtung begründe.

Rechtmäßigkeit der Beobachtung des „Flügel“:

Das OVG NRW kam zu dem Schluss, dass die Beobachtung des „Flügel“ als Verdachtsfall und später als erwiesen extremistische Bestrebung materiell rechtmäßig war.

Es handelte sich beim „Flügel“ um einen Personenzusammenschluss im Sinne des BVerfSchG.

Es lagen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der „Flügel“ Bestrebungen verfolgte, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet waren, insbesondere gegen die Menschenwürdegarantie.

Das Gericht führte aus, dass die vom Bundesamt dokumentierten Äußerungen verschiedener Führungspersonen des „Flügel“ den Verdacht und später die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass die

politischen Ziele des „Flügel“ auch die Außerkraftsetzung des Schutzes der Menschenwürde für bestimmte Personengruppen beinhalteten.

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Das „ethnisch-kulturelle“ Volksverständnis des „Flügel“ sei in Wirklichkeit ein völkisch-abstammungsmäßiges, das dem grundgesetzlichen Volksbegriff widerspreche und auf eine

Diskriminierung von deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund sowie von Migranten ohne deutsche Staatsangehörigkeit abziele. Begriffe wie „Umvolkung“, „Volkstod“ und „Bevölkerungsaustausch“

seien keine neutralen Beschreibungen, sondern brächten eine ablehnende Haltung zum Ausdruck.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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