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| Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. |
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| A. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 5. bis zum 27. April 2014 gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 22 TV-Ärzte/VKA einen Anspruch auf weiteres Urlaubsentgelt (Entgeltfortzahlung für Urlaubszeiten) iHv. 1.777,49 Euro brutto. |
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| I. Der TV-Ärzte/VKA findet auf das Arbeitsverhältnis aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 3 des Dienstvertrags vom 11. April 2002 Anwendung. Gemäß § 2 des Tarifvertrags zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts vom 17. August 2006 hat der TV-Ärzte/VKA den BAT vom 23. Februar 1961 und die ihn ergänzenden Tarifverträge der VKA mit Wirkung vom 1. August 2006 ersetzt. |
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| II. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte/VKA haben Ärztinnen und Ärzte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 22 TV-Ärzte/VKA). Nicht in Monatsbeträgen festgelegte Entgeltbestandteile werden als Durchschnitt auf Basis der letzten drei vollen Kalendermonate, die dem maßgebenden Ereignis vorhergehen, gezahlt (§ 22 Satz 2 TV-Ärzte/VKA). Hiervon nimmt § 22 Satz 3 TV-Ärzte/VKA das zusätzlich für Überstunden gezahlte Entgelt aus, soweit es sich nicht um im Dienstplan vorgesehene Überstunden handelt. |
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| III. Hiernach ist das für Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft zustehende Entgelt bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung für Urlaubszeiten in das Referenzentgelt gemäß § 22 TV-Ärzte/VKA einzubeziehen. Dies folgt aus dem Gebot der gesetzeskonformen Auslegung von Tarifnormen. |
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| 1. Entgegen der Auffassung der Revision kann dahinstehen, ob das für Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft zustehende Entgelt entsprechend der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bereits nach den allgemeinen Grundsätzen für die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags (vgl. hierzu BAG 13. Januar 2016 – 10 AZR 42/15 – Rn. 15 mwN) in das Referenzentgelt gemäß § 22 TV-Ärzte/VKA einzubeziehen ist (dagegen BAG 10. April 2013 – 5 AZR 97/12 – Rn. 15, BAGE 145, 1 [zu § 21 TV-L, nach dessen Wortlaut aus dem Referenzentgelt das zusätzlich gezahlte Entgelt für Überstunden und Mehrarbeit, mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Mehrarbeits- oder Überstunden sowie etwaiger Überstundenpauschalen, ausgenommen ist]). |
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| 2. Das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung von Tarifnormen verbietet ein Verständnis des § 22 Satz 3 TV-Ärzte/VKA dahin, dass die Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft jedenfalls bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung für Urlaubszeiten unberücksichtigt bleiben. Ein solches Verständnis wäre mit dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach § 1 BUrlG in einer unionsrechtskonformen Auslegung nicht vereinbar. Der Kläger erhielte während seines Jahresurlaubs nicht sein gewöhnliches Entgelt, wenn an ihn für jeden Urlaubstag ein gegenüber den Zeiten geleisteter Arbeit um 136,73 Euro brutto vermindertes Urlaubsentgelt gezahlt würde. |
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| a) Tarifnormen sind grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht geraten. Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigen Recht in Einklang stehen und damit auch Bestand haben. Lässt eine Tarifnorm eine Auslegung zu, die zu einem mit höherrangigem Recht zu vereinbarenden Ergebnis führt, ist sie in diesem Sinne anzuwenden (BAG 21. Februar 2013 – 6 AZR 524/11 – Rn. 19 mwN, BAGE 144, 263). |
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| b) Eine Nichtberücksichtigung der Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft bei der Berechnung des Urlaubsentgelts verstieße gegen § 1 BUrlG. |
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| aa) Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt es daher nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) und ist damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich (BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 21 mwN, BAGE 150, 355). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedeutet der in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie enthaltene Begriff des „bezahlten“ Jahresurlaubs, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten (EuGH 22. Mai 2014 – C-539/12 – [Lock] Rn. 16; 15. September 2011 – C-155/10 – [Williams ua.] Rn. 19, Slg. 2011, I-8409; 16. März 2006 – C-131/04 – [Robinson-Steele ua.] Rn. 50, Slg. 2006, I-2531). Die Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 22. Mai 2014 – C-539/12 – [Lock] Rn. 17 mwN). Dabei muss jede Unannehmlichkeit, die untrennbar mit der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben verbunden ist und durch einen in die Berechnung des Gesamtentgelts des Arbeitnehmers eingehenden Geldbetrag abgegolten wird, zwingend Teil des Betrags sein, auf den der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat (EuGH 22. Mai 2014 – C-539/12 – [Lock] Rn. 29). Demgegenüber können Entgeltbestandteile, die ausschließlich gelegentlich anfallende Kosten oder Nebenkosten decken sollen, die bei der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben entstehen, unberücksichtigt bleiben (EuGH 22. Mai 2014 – C-539/12 – [Lock] Rn. 31). |
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| bb) Danach sind Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft in die Berechnung des Urlaubsentgelts einzubeziehen. Die aus der Rufbereitschaft heraus zu leistenden Arbeitseinsätze zählen zu den dem Kläger nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben. Dieser ist nach § 10 Abs. 8 Satz 1 TV-Ärzte/VKA zur Leistung von Rufbereitschaft und somit bei Abruf zur Aufnahme der Arbeit verpflichtet. Die hierfür gezahlte Vergütung gehört zum gewöhnlichen Arbeitsentgelt des Klägers und ist damit Bestandteil des Urlaubsentgelts. |
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| c) Ein Normverständnis, dem zufolge die Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft bei der Berechnung des Urlaubsentgelts unberücksichtigt blieben, wird vorliegend nicht durch die allgemeine Öffnungsklausel für Tarifverträge in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG getragen. |
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| aa) Nach § 13 Abs. 1 BUrlG können die Tarifvertragsparteien von den Bestimmungen des BUrlG auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichen. Ausgenommen sind aber die §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG. Tarifverträge dürfen die aus § 1 BUrlG folgende Entgeltfortzahlungspflicht nicht durch eine von § 11 Abs. 1 BUrlG abweichende Berechnung der weiterzuzahlenden Vergütung mindern. Die Tarifvertragsparteien können jedoch jede Berechnungsmethode wählen, die geeignet ist, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können (BAG 15. Januar 2013 – 9 AZR 465/11 – Rn. 20; 21. September 2010 – 9 AZR 510/09 – Rn. 19, BAGE 135, 301). Bei der Prüfung der Frage, ob die Tarifvertragsparteien Regelungen getroffen haben, die sich im Rahmen des § 13 Abs. 1 BUrlG halten, ist abstrakt darauf abzustellen, ob die Gesamtheit der tariflichen Regelungen, die die Höhe des Urlaubsentgelts bestimmen (Zeit- und Geldfaktor), die aufgezeigten Grenzen überschreitet oder nicht. Nicht einzubeziehen in diesen abstrakten Günstigkeitsvergleich sind über das BUrlG hinaus gewährte zusätzliche Leistungen, wie zB ein zusätzliches Urlaubsgeld oder eine die Mindestdauer überschießende Anzahl von Urlaubstagen (BAG 15. Januar 2013 – 9 AZR 465/11 – aaO; 15. Dezember 2009 – 9 AZR 887/08 – Rn. 16). |
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| bb) Die Nichtberücksichtigung der Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft wiche von der Regelung in § 1 BUrlG ab. Die Vorschrift erhält für die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs den Anspruch auf Vergütung der infolge des Urlaubs ausfallenden Arbeitszeit aufrecht (BAG 19. Juni 2012 – 9 AZR 714/10 – Rn. 17 mwN). Werden die Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft bei der Berechnung des Urlaubs nicht berücksichtigt, wird dem Arbeitnehmer das hierfür zustehende Urlaubsentgelt vorenthalten. Der durch den Urlaub ausfallende Teil der Arbeitszeit (sog. Zeitfaktor) gehört zu dem unabdingbaren Teil der Bezahlung iSd. §§ 1, 3 BUrlG. Die in § 1 BUrlG begründete Verpflichtung des Arbeitgebers, grundsätzlich alle infolge der Arbeitsbefreiung ausfallenden Arbeitsstunden zu vergüten, hat weder in § 11 Abs. 1 BUrlG noch an anderer Stelle im BUrlG eine einschränkende Regelung erfahren. Deshalb kann der Zeitfaktor, der zugleich auch den Multiplikator für das Urlaubsentgelt iSd. § 11 BUrlG darstellt, selbst von den Tarifvertragsparteien nicht zulasten des Arbeitnehmers verändert werden. Die Berücksichtigung der tatsächlich ausfallenden Arbeitsstunden ist dem Arbeitnehmer nach §§ 1, 3, 13 BUrlG garantiert (BAG 19. Juni 2012 – 9 AZR 714/10 – aaO mwN). |
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| d) Gegen die Höhe des für jeden Urlaubstag zu zahlenden Urlaubsentgelts richtet sich die Revision nicht. Es beläuft sich auf rechnerisch unstreitige 136,73 Euro brutto. |
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| IV. Der Anspruch auf weiteres Urlaubsentgelt für 13 Urlaubstage in der Zeit vom 5. bis zum 27. April 2014 beträgt 1.777,49 Euro brutto. |
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| B. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 25 Abs. 1 Satz 3 TV-Ärzte/VKA. |
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| C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen. |
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