BFH II R 125/79

August 6, 2017
BFH II R 125/79 Erbauseinandersetzungsvertrag über Grundstücke, gemischte Schenkung, § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959, freigebige Zuwendung unter Lebenden unter Lebenden oder Erwerb von Todes wegen

I.

Die Klägerin und ihr Bruder sind zu gleichen Teilen Erben nach ihrer verstorbenen Mutter. Am 14. August 1973 schlossen sie zum Zwecke der Aufhebung der Erbengemeinschaft einen notariell beurkundeten Vertrag, durch den der Klägerin Grundstücke mit einem Wohn- und Geschäftshaus und dem Bruder – als landwirtschaftlicher Grundbesitz bewertetes – Bauerwartungsland übertragen und aufgelassen wurden. Im Vertrag heißt es, Herauszahlungen hätten nicht zu erfolgen, da der Verkehrswert der Lose in etwa gleich sei.

BFH II R 125/79

Die der Klägerin zugeteilten Grundstücke hatten einen Einheitswert von insgesamt 32 000 DM, die dem Bruder übertragenen von insgesamt 600 DM. Die Verkehrswertsummen hatten nach den Schätzungen des beklagten Finanzamts (FA) die Höhe von 166 000 DM bzw. 81 230 DM.

Das FA ging davon aus, daß eine gemischte Schenkung des Bruders an die Klägerin vorliege (Wert 15 700 DM = 32 000 DM + 600 DM : 2 ./. 600 DM) und setzte 1 177,50 DM Schenkungsteuer gegen die Klägerin fest. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Der Klage hat das Finanzgericht (FG) mit seinem veröffentlichten Urteil (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1979, 559) stattgegeben und hat die Steuer auf 480 DM herabgesetzt (Bemessungsgrundlage: 8 000 DM = 1/4 von 32 000 DM). Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Frage, ob und inwieweit eine gemischte Schenkung vorliege, komme es auf die Verkehrswerte an, für die Bewertung des steuerpflichtigen Erwerbs auf den entsprechenden Einheitswertteil der – teilweise – geschenkten Grundstücke.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Es rügt Verletzung der §§ 3, 23 und 24 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG 1959) und macht geltend, das FG habe verkannt, daß nach bürgerlich-rechtlichen Regeln unter Ansatz der Verkehrswerte nur das Vorliegen einer Bereicherung festgestellt werden müsse, während für die Frage, inwieweit eine Schenkung vorliege, nicht die Verkehrswerte, sondern die Einheitswerte maßgebend seien.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe BFH II R 125/79

Die Revision ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, und hat dementsprechend zu Recht die Steuer antragsgemäß herabgesetzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO).

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin Bedachte einer freigebigen Zuwendung unter Lebenden i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 ist, die als Schenkung unter Lebenden der Erbschaftsteuer unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959).

BFH II R 125/79

a) Aufgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 gilt neben der Schenkung i. S. des bürgerlichen Rechts jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden als Schenkung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine solche freigebige Zuwendung unter Lebenden liegt vor, wenn jemand einen anderen aus seinem Vermögen bereichert, sofern er den Willen hat, die Zuwendung unentgeltlich vorzunehmen.

Der Wille zur Freigebigkeit des Zuwendenden kann ggf. auf der Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen ermittelt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, 269, BStBl II 1979, 631). Erbschaftsteuerrechtlich erfaßt wird nicht nur die reine, sondern auch eine gemischte freigebige Zuwendung.

Sie ist dann gegeben, wenn einer höherwertigen Leistung eine Leistung von geringerem Wert gegenübersteht und die höherwertige Zuwendung neben Elementen der Freigebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrages enthält, ohne daß sich die höherwertige Leistung in zwei selbständige Leistungen aufteilen läßt (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1981 II R 176/78, BFHE 134, 357, 359f., BStBl II 1982, 83).

Gemischte freigebige Zuwendungen können auch im Rahmen von Erbauseinandersetzungen stattfinden, wenn einem Erben mehr zugeteilt wird, als er bei einer Erbauseinandersetzung nach den gesetzlichen Vorschriften und nach den Verfügungen von Todes wegen erhielte, sofern nicht die eingetretene Bereicherung auf Kosten anderer gerade der Beseitigung einer Ungewißheit oder eines Streites darüber hat dienen sollen, was dem Erben bei Auflösung der Erbengemeinschaft zufiele (Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH – vom 23. Juni 1931 I e A 76/31, RFHE 29, 92, 93, RStBl 1931, 560; vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 15. Mai 1963 V ZR 141/61, Der Betrieb – DB – 1963, 1357).

b) Das FG hat zum Vorhandensein einer gemischten freigebigen Zuwendung keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es hat aber unterstellt, daß der Klägerin aufgrund des Willens ihres Bruders, sich ihr gegenüber bei der Erbauseinandersetzung freigebig zu verhalten, mehr zugewendet worden ist, als sie bei einer an den gesetzlichen Vorschriften ausgerichteten Teilung des (Netto-)Nachlasses hätte erhalten müssen. Die Unterstellung wirkt sich zugunsten des die Revision führenden FA aus. Sie und die ihr entsprechende Unterlassung diesbezüglicher tatsächlicher Feststellungen können mithin nicht als eine das FA beeinträchtigende Rechtsverletzung durch das FG angesehen werden.

BFH II R 125/79

2. Die Herabsetzung der Steuerfestsetzung durch das FG besteht zu Recht.

a) Wie der Senat mit dem zitierten Urteil in BFHE 134, 357, 360, BStBl II 1982, 83 entschieden hat, erfaßt bei einer gemischten freigebigen Zuwendung der Wille zur freigebigen Bereicherung des Bedachten aus dem Vermögen des Zuwendenden nicht den entgeltlichen Vertragsteil. Denn § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 legt fest, daß als Schenkung i. S. des Erbschaftsteuergesetzes eine freigebige Zuwendung unter Lebenden insoweit gilt, als der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist.

Das Ausmaß der Bereicherung der Klägerin bestimmt sich nach den Verkehrswerten. Auf der Grundlage der vom FA ermittelten Werte hätte der Klägerin bei der ihrem Erbteil entsprechenden hälftigen Teilung Grundbesitz mit einem Verkehrswert von 123 615 DM (= 166 000 DM + 81 230 DM : 2) zugestanden. Die auf sie übergegangenen Grundstücke haben jedoch einen Verkehrswert von 166 000 DM, so daß im Umfange von 42 385 DM, d. h. zu rd. einem Viertel, der Erwerb auf Freigebigkeit des Bruders beruht. Das FA mußte daher bei der Besteuerung der Klägerin davon ausgehen, daß der Grundbesitz zu drei Viertel entgeltlich und zu einem Viertel durch freigebige Zuwendung auf die Klägerin übergegangen ist.

b) Die erbschaftsteuerrechtliche Maßgeblichkeit der Einheitswerte für die Bewertung des Erlangten (§ 23 ErbStG 1959) verhindert, daß der Betrag von 42 385 DM der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Statt dessen ist maßgebend der Teilbetrag des Einheitswertes, der auf den Grundstücksanteil von einem Viertel entfällt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 ErbStG 1959), den die Klägerin nicht entgeltlich erworben, sondern aufgrund der Freigebigkeit ihres Bruders erlangt hat. Bei einem Einheitswert von 32 000 DM macht dies 8 000 DM aus, wie das FG bei seiner auch im übrigen zutreffenden Steuerberechnung richtig angenommen hat.

Für eine Ermittlung des Einheitswertteiles nicht nach dem Verhältnis der Verkehrswerte des ganzen erworbenen Grundstücks zu dem unentgeltlich erlangten Anteil, sondern auf der Grundlage der Einheitswerte aller bei der Erbauseinandersetzung verteilten Grundstücke bietet das Gesetz keine Handhabe.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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