Bundesgerichtshof lässt Revision betreffend die Lieferung von Corona-Schutzmasken zu
VIII ZR 131/24 und VIII ZR 152/24 – Beschlüsse vom 7. Oktober 2025
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision in zwei wichtigen Verfahren zugelassen, die sich um die Lieferung von Corona-Schutzmasken zu Beginn der Pandemie (März/April 2020) drehen. Die Zulassung bedeutet, dass der BGH die Urteile der Vorinstanzen überprüfen wird, da die Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Die Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch das Bundesgesundheitsministerium) versuchte, dringend benötigte FFP2- und OP-Masken schnell zu beschaffen. Dafür nutzte sie ein „Open-House-Verfahren“, bei dem sie öffentlich standardisierte Verträge zur Lieferung anbot. Jeder interessierte Lieferant konnte ein Angebot abgeben, das per „Zuschlag“ angenommen wurde.
Festgelegt waren 4,50 € netto pro FFP2-Maske und 0,60 € netto pro OP-Maske.
Im Vertrag war der 30. April 2020 als spätester Liefertermin festgeschrieben. Eine Klausel besagte: Bei Nichteinhaltung dieses Termins entfallen die gegenseitigen Pflichten („absolutes Fixgeschäft“).
Wegen der riesigen Zahl von Zusagen konnte die Bundesrepublik Ende April 2020 nicht alle Lieferungen fristgerecht annehmen. Die Lieferanten – darunter die in den Verfahren Beteiligten – erhielten nachträglich spätere „Lieferslots“.
Nachdem die Lieferungen zu diesen späteren Terminen erfolgten, kam es zum Streit:
Der Lieferant lieferte Masken, die die Bundesrepublik als mangelhaft ansah. Die Bundesrepublik erklärte daraufhin den teilweisen Rücktritt vom Vertrag und verlangte einen Teil des bereits gezahlten Kaufpreises zurück – ohne dem Lieferanten vorher eine Frist zur Nachbesserung (Nacherfüllung) zu setzen.
Der Lieferant lieferte zwar, aber nicht die vereinbarte Gesamtmenge. Die Bundesrepublik erklärte auch hier den Rücktritt hinsichtlich der ausstehenden Menge, ebenfalls ohne vorherige Fristsetzung, und berief sich auf den „Fixcharakter“ des Vertrags.
Die Klage der Bundesrepublik auf Rückzahlung (Verfahren 1) blieb weitgehend erfolglos, und sie wurde zur Zahlung des restlichen Kaufpreises (Verfahren 2) verurteilt.
Die Gerichte kamen zu dem Schluss:
Die Bundesrepublik ist nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten, weil sie dem Lieferanten keine Frist zur Nacherfüllung (z.B. Lieferung mangelfreier Masken oder Restmenge) gesetzt hatte.
Fristsetzung wäre entbehrlich gewesen, wenn es sich um ein „absolutes Fixgeschäft“ gehandelt hätte, wie in der Vertragsklausel formuliert, oder ein „relatives Fixgeschäft“ (wobei die Einhaltung des Termins so wesentlich ist, dass ein späteres Interesse entfällt).
Die vertragliche Regelung zum „absoluten Fixgeschäft“ hielten die Berufungsgerichte für eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung ($ 307 BGB). Sie benachteilige den Vertragspartner unangemessen, weil sie der Bundesrepublik als Verwenderin erlaubte, bei Terminüberschreitung sofort ohne Fristsetzung zurückzutreten.
Auch außerhalb der Klausel habe kein (relatives) Fixgeschäft vorgelegen. Obwohl die Bundesrepublik ein dringendes Interesse an schneller Lieferung hatte, sei nicht davon auszugehen, dass ihr Interesse an der Lieferung von Masken komplett entfallen wäre, wenn sie nur leicht verspätet oder mangelhaft geliefert würden. Die Tatsache, dass die Bundesrepublik selbst später noch Lieferslots nach dem 30. April 2020 veranlasst hat, spreche gegen das Ende ihres Lieferinteresses.
Der BGH hat die Revision auf die Beschwerden der Bundesrepublik hin zugelassen.
Der BGH wird nun höchstrichterlich prüfen, ob die Klausel zum „absoluten Fixgeschäft“ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ist, insbesondere unter den extremen Umständen einer Notlage-Beschaffung in einer Pandemie.
Er wird auch prüfen, ob die Gerichte die Umstände falsch bewertet haben und ob die Verträge trotz der unwirksamen Klausel aufgrund der pandemiebedingten Eilbedürftigkeit als ein (relatives) Fixgeschäft anzusehen sind, bei dem ein sofortiger Rücktritt auch ohne Fristsetzung möglich gewesen wäre.
Die Entscheidung des BGH ist wichtig, da sie maßgebliche Rechtsfragen zur Wirksamkeit von Standardklauseln und zur Auslegung von Verträgen in Notstands- oder Krisensituationen klären wird. Die Urteile der Vorinstanzen sind damit noch nicht rechtskräftig. Der BGH wird nach Austausch der Schriftsätze mündlich verhandeln.
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