Bundesverwaltungsgericht 7 C 61.02

Dezember 1, 2024

Bundesverwaltungsgericht 7 C 61.02

Urteil vom 11.03.2004

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine 1923 gegründete Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Gleiwitz (Oberschlesien), beanspruchte die Rückübertragung eines 1940 in Berlin erworbenen Grundstücks.

Das Unternehmen der Klägerin war nach dem Zweiten Weltkrieg kriegsbedingt stillgelegt worden.

Das Grundstück wurde 1951 in Volkseigentum überführt.

Die Klägerin wurde 1968 im Handelsregister gelöscht. Im Jahr 1992 meldete der gerichtlich bestellte Nachtragsliquidator der Klägerin

den Restitutionsanspruch beim Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen an.

Das Bundesamt lehnte den Antrag ab.

Bundesverwaltungsgericht 7 C 61.02

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zurück,

welches der Klägerin die Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des Grundstücks zugesprochen hatte.

Kernaussagen:

  • Nachtragsliquidator: Der Anspruch auf Rückübertragung von Vermögen eines nicht schädigungsbedingt untergegangenen Unternehmensträgers mit Sitz in West-Berlin kann vom gerichtlich bestellten Nachtragsliquidator angemeldet werden.
  • Staatliche Beteiligung: Die Rückübertragung eines Grundstücks ist nicht allein deswegen ausgeschlossen, weil es einer Gesellschaft privaten Rechts gehört hat, an der der Staat mittelbar beteiligt war.
  • Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage: Nach Ende der Besatzungszeit vorgenommene Enteignungen können der Besatzungsmacht nur dann zugerechnet werden, wenn deren Verantwortungsübernahme für die Enteignungsaktion anhand eines konkreten Vollzugsauftrags feststellbar ist.
  • Unwürdigkeitsklausel: Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, die Restitutionsberechtigung unter Hinweis auf eine wiedergutmachungsrechtliche Unwürdigkeit zu versagen.

Bundesverwaltungsgericht 7 C 61.02

Begründung:

  • Einzelrestitution: Da das Unternehmen der Klägerin bereits vor der Enteignung des Grundstücks stillgelegt war, lag ein Fall der Einzelrestitution vor.
  • West-Gesellschaften: Die Klägerin war eine “West-Gesellschaft”, die ihren Sitz in West-Berlin hatte und nicht durch eine Schädigungsmaßnahme untergegangen ist. Für die Anmeldung von Restitutionsansprüchen musste daher nicht das Quorum des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG erfüllt sein.
  • Nachtragsliquidation: Die Klägerin bestand aufgrund des Anspruchs auf Auskehr des Erlöses als in Auflösung befindlich fort. Ihrer Wiederbelebung nach den speziellen Vorschriften des Vermögensgesetzes bedurfte es nicht. Die gerichtliche Bestellung des Nachtragsliquidators war zulässig, da dieser zur Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche berechtigt war.
  • Keine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage: Das Grundstück war nicht vor dem Ende der Besatzungszeit beschlagnahmt worden. Es lagen auch keine besonderen Umstände vor, die die Annahme eines fortdauernden Vollzugsauftrags der Besatzungsmacht rechtfertigten.
  • Keine Unwürdigkeitsklausel: Das Vermögensgesetz enthält keine Regelung, die die Restitution wegen einer Verstrickung des Antragstellers in nationalsozialistische Unrechtsmaßnahmen ausschließt.

Bundesverwaltungsgericht 7 C 61.02

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht die Voraussetzungen für die Restitution von Vermögen von West-Gesellschaften, die nicht schädigungsbedingt untergegangen sind.

Es zeigt auch die Grenzen der Zurechnung von Enteignungen zur Besatzungsmacht auf und stellt klar, dass es keine gesetzliche Grundlage

für die Versagung der Restitution wegen einer wiedergutmachungsrechtlichen Unwürdigkeit gibt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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