Coaching – Fernunterricht – Existenzgründer als Verbraucher

November 1, 2025

Coaching – Fernunterricht – Existenzgründer als Verbraucher

Datum: 15.10.2025
Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper: 12. Zivilsenat
Entscheidungsart: Hinweisbeschluss
Aktenzeichen: 12 U 63/25

Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Hinweisbeschluss vom 15. Oktober 2025 die Absicht bekundet, die Berufung eines Beklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Detmold zurückzuweisen. Die Richter sahen die Berufung einstimmig als offensichtlich unbegründet an, da die Entscheidung des Landgerichts voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Der Fall: Coaching-Vertrag und geforderte Zahlung

Der Kern des Falles ist ein Coaching-Vertrag über 15 Monate zu einem Bruttobetrag von 49.980,00 €, den der Beklagte mit der Klägerin (dem Coaching-Anbieter) geschlossen hatte. Das Landgericht hatte den Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verurteilt. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein.

Die zentralen Streitpunkte der Berufung drehten sich darum, ob der Vertrag gültig war und ob dem Beklagten ein Widerrufs- oder Kündigungsrecht zustand.


Die wichtigsten rechtlichen Entscheidungen des OLG Hamm

Das OLG Hamm stützte die ursprüngliche Verurteilung des Beklagten auf folgende Argumente:

1. Art des Vertrages: Dienstvertrag

Der Vertrag wurde als Dienstvertrag nach § 611 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eingestuft.

  • Vertragsinhalt: Das OLG bejahte eine wirksame Einigung der Parteien über die wesentlichen Vertragspunkte (essentialia negotii). Trotz der allgemeinen Natur eines Coachings waren die Leistungen (z.B. geschlossene Gruppe, „Fragen-Flatrate“, Live-Calls, Vor-Ort-Termine) für den Beklagten klar erkennbar. Das Coaching hatte die Unterstützung bei der Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit zum Inhalt, nicht eine konkrete Unternehmensberatung.

2. Keine Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB)

Der Vertrag ist nicht sittenwidrig, insbesondere liegt kein wucherähnliches Geschäft vor.

  • Vergütungshöhe: Das Gericht verglich die monatliche Vergütung (rund 3.332,00 € brutto für 15 Monate) mit ähnlichen Coaching-Fällen vor anderen Oberlandesgerichten und stellte fest, dass die vereinbarte Summe nicht annähernd das Doppelte des üblichen Wertes betrage. Eine Sittenwidrigkeit, die dies voraussetzen würde, wurde daher verneint.

Coaching – Fernunterricht – Existenzgründer als Verbraucher

3. Kein Fernunterrichtsvertrag und damit kein Verstoß gegen das FernUSG

Der Vertrag verstößt nicht gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) und ist somit nicht nach § 134 BGB nichtig.

  • Fehlende Lernkontrolle: Ein Fernunterrichtsvertrag liegt nur vor, wenn eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden vereinbart ist. Hier wurde dem Beklagten lediglich eine Möglichkeit zum Stellen von Fragen zur Problemlösung angeboten. Dies allein reicht laut OLG nicht aus, um eine geschuldete Lernkontrolle anzunehmen, da Begriffe wie „Studium“ oder „Zertifikat“, die dies indizieren würden, nicht verwendet wurden.

4. Kein Widerrufsrecht: Existenzgründer als Unternehmer

Dem Beklagten stand kein Widerrufsrecht zu, da er als Unternehmer und nicht als Verbraucher gehandelt hat.

  • Objektive Zweckrichtung: Für die Einstufung als Verbraucher oder Unternehmer ist die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Verhaltens entscheidend, nicht die geschäftliche Erfahrung oder die tatsächliche „Größe“ des Gründers.
  • Zweck des Coachings: Da das Coaching Hilfestellung zur Ausübung der geplanten unternehmerischen Tätigkeit (als Coach/Consultant) enthielt und nicht der bloßen Vorbereitung oder Entscheidung über die Existenzgründung diente, wurde es dem unternehmerischen Bereich zugeordnet.
  • Fazit: Der Beklagte trat als Existenzgründer auf, der ein Unternehmen aufbauen wollte, und gilt daher im Rahmen dieses Vertrages als Unternehmer. Für Unternehmer gilt das Verbraucher-Widerrufsrecht nicht.

5. Keine Kündigungsmöglichkeit

Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Kündigung scheiterte ebenfalls.

  • Ordentliche Kündigung: Da der Vertrag befristet war (15 Monate), war eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen.
  • Außerordentliche Kündigung (§ 627 BGB): Eine fristlose Kündigung bei Diensten höherer Art scheidet aus, weil es am besonderen Vertrauensverhältnis fehlt. Der Beklagte hatte keinen Anspruch auf bestimmte Berater, und es war keine Einsicht in vertrauliche Unterlagen vorgesehen. Das Coaching hätte der Beklagte auch bei anderen Anbietern oder durch öffentlich zugängliche Quellen finden können.

Ergebnis des Gerichts

Das OLG Hamm ist der Auffassung, dass die Berufung des Beklagten keine Erfolgsaussicht hat. Es weist den Beklagten darauf hin und gibt ihm drei Wochen Zeit, um Stellung zu nehmen und über eine Rücknahme der Berufung (oft aus Kostengründen ratsam) nachzudenken.

  • Korrektur: Das Gericht kündigt an, lediglich eine offenbare Unrichtigkeit in der Zinsberechnung des ursprünglichen Urteils zu korrigieren.

Fazit: Der Coaching-Vertrag wurde als wirksamer Dienstvertrag zwischen zwei Unternehmern (Klägerin und Existenzgründer) betrachtet, der weder sittenwidrig noch ein Fernunterrichtsvertrag war. Daher konnte der Beklagte weder widerrufen noch kündigen und muss die vereinbarte Vergütung bezahlen.

RA und Notar Krau

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