Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches Verschweigen von Rückvergütungen
Zusammenfassung: BGH-Urteil vom 12. Mai 2009 – XI ZR 586/07 (Rückvergütungen)
In diesem Fall ging es um die Frage, ob eine Bank einem Kunden Schadensersatz zahlen muss, weil sie ihn bei der Anlageberatung nicht über sogenannte Rückvergütungen („Kick-backs“) informiert hat.
Ein Unternehmen (die spätere Zedentin, deren Rechte der Kläger übernahm) kaufte im Jahr 2000 über eine Bank Aktien und Anteile an Aktienfonds.
Die Bank erhielt für den Verkauf dieser Fondsanteile Rückvergütungen (versteckte Provisionen) von der Fondsgesellschaft, die in den Ausgabeaufschlägen enthalten waren.
Die Bank informierte den Kunden über die anfallenden Ausgabeaufschläge (Kosten), aber nicht über die Rückvergütungen, die sie selbst daraus erhielt.
Nach erheblichen Kursverlusten fühlte sich der Kunde falsch beraten und forderte später Schadensersatz von der Bank.
Die Bank hat ihre Aufklärungspflicht verletzt, indem sie die Rückvergütungen verschwiegen hat.
Die Haftung der Bank wegen fahrlässiger Pflichtverletzung war jedoch bereits nach einer speziellen Verjährungsregel (§37a WpHG a.F.) verjährt.
Daher konnte der Kunde nur noch erfolgreich klagen, wenn die Bank vorsätzlich (mit Absicht oder zumindest billigend in Kauf genommen) gehandelt hatte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das vorherige Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München auf und entschied zugunsten des Klägers. Die zentrale Frage war, wer beweisen muss, dass die Bank vorsätzlich gehandelt hat.
Grundsätzlich muss derjenige, der eine Vertragspflicht verletzt, beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (also weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat). Da hier aber die Haftung für Fahrlässigkeit verjährt war, meinte das OLG, der Kunde müsse nun den Vorsatz der Bank beweisen.
Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen (hier die Bank), das seine Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen verletzt hat, trägt die gesamte Beweislast dafür, dass es nicht vorsätzlich gehandelt hat.
Daran ändert sich auch nichts, wenn die Haftung für das fahrlässige Handeln bereits verjährt ist. Die Bank muss also beweisen, dass ihre verantwortlichen Organe (z.B. der Vorstand oder die Abteilungsleiter) die Pflichtverletzung nicht kannten oder nicht für möglich hielten und sie somit keinen Vorsatz hatten (auch keinen sogenannten Organisationsvorsatz).
Die Bank konnte sich auch nicht einfach auf einen Rechtsirrtum ihres einzelnen Beraters berufen, um den Vorsatz auszuschließen. Sie hätte darlegen und beweisen müssen, dass ihre internen Organisationen (also die Verantwortlichen auf oberer Ebene) die Aufklärungspflicht ebenfalls nicht kannten und auch nicht für möglich hielten.
Die Bank muss beweisen, dass sie nicht vorsätzlich gehandelt hat.
Eine weitere wichtige Frage war die nach dem Kausalzusammenhang: Hätte der Kunde die Anlage auch dann gekauft, wenn er ordnungsgemäß über die Rückvergütungen informiert worden wäre?
Der BGH bekräftigte, dass im Falle einer unterlassenen Aufklärung über Rückvergütungen die sogenannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt.
Es wird vermutet, dass der Kunde die Wertpapiere nicht gekauft hätte, wenn die Bank ihn ordnungsgemäß über die Rückvergütungen aufgeklärt hätte.
Die Beweislast dafür, dass der Kunde die Anlage trotzdem gekauft hätte (also, dass die Falschberatung nicht die Ursache für den Schaden war), liegt bei der Bank.
Die Bank muss beweisen, dass der Kunde die Anlage auch bei korrekter Aufklärung gekauft hätte.
Dieses Urteil ist ein Meilenstein in der Rechtsprechung zu Bankhaftungen bei der Anlageberatung (der sogenannten „Kick-back-Rechtsprechung“):
Banken sind verpflichtet, Kunden über versteckte Provisionen (Rückvergütungen) zu informieren, die sie für den Verkauf von Anlageprodukten erhalten.
Das Urteil erleichtert es Anlegern, auch nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist für Fahrlässigkeit ($ 37a WpHG a.F.) noch erfolgreich Schadensersatz zu verlangen. Indem die Beweislast für das fehlende Vorsatzes der Bank auferlegt wird, ist es für Kunden viel einfacher, ihren Anspruch durchzusetzen.
Durch die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens muss der Kunde nicht beweisen, dass er sich bei korrekter Aufklärung anders entschieden hätte. Stattdessen muss die Bank das Gegenteil beweisen, was in der Praxis oft schwierig ist.
Das Urteil führte zur Aufhebung des Urteils des OLG München und zur Zurückverweisung des Falls. Das OLG musste den Fall neu verhandeln und dabei die vom BGH festgelegte Beweislastverteilung beachten.
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