Darlehen in der Insolvenz – Wann Gesellschafter-Darlehen nachrangig sind

Juni 15, 2025

Darlehen in der Insolvenz – Wann Gesellschafter-Darlehen nachrangig sind – einfach erklärt

BGH, Urteil vom 07.11.2024 – IX ZR 216/22

RA und Notar Krau

Stellen Sie sich vor, eine Firma geht pleite und kann ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Dann wird ein Insolvenzverfahren eröffnet. Ein Insolvenzverwalter wird eingesetzt, der das Vermögen der Firma sammelt und gerecht an die Gläubiger (also diejenigen, denen die Firma Geld schuldet) verteilt. Dabei gibt es eine bestimmte Reihenfolge: Manche Gläubiger werden zuerst bezahlt, andere später.

Eine wichtige Regel im Insolvenzrecht betrifft Gesellschafterdarlehen. Das sind Darlehen, die eine Firma nicht von einer Bank, sondern von ihren eigenen Gesellschaftern (also den Eigentümern oder Teilhabern der Firma) bekommt. Im Falle einer Insolvenz werden diese Gesellschafterdarlehen oft nachrangig behandelt.

Das bedeutet, dass sie erst dann zurückgezahlt werden, wenn alle anderen „normalen“ Gläubiger ihr Geld erhalten haben. Das ist so, weil der Gesellschafter als Eigentümer ein besonderes Interesse am Erfolg der Firma hat und ein Darlehen in einer Krise eher wie Eigenkapital (also eigenes Geld der Firma) wirkt als wie ein normales Bankdarlehen.

Der Bundesgerichtshof (BGH), unser höchstes Gericht für Zivilrecht, hat in einem neuen Urteil geklärt, wann ein Darlehen als solches Gesellschafterdarlehen gilt – selbst wenn der Darlehensgeber nicht direkt Gesellschafter der insolventen Firma ist.

Der konkrete Fall: Ein Geflecht aus Firmen und Darlehen

In diesem Fall ging es um zwei Firmen aus der gleichen Firmengruppe:

  • Die Schuldnerin: Eine GmbH & Co. KG (eine spezielle Form einer Kommanditgesellschaft, bei der der persönlich haftende Gesellschafter eine GmbH ist). Über diese Firma wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet.
  • Die A. GmbH: Eine andere Firma aus derselben Gruppe, die der Schuldnerin ein Darlehen gegeben hatte. Auch über diese Firma wurde später ein Insolvenzverfahren eröffnet.
  • Die Komplementär-GmbH: Das ist die GmbH, die bei der Schuldnerin (GmbH & Co. KG) persönlich haftender Gesellschafter ist. Wichtig: Diese Komplementär-GmbH war selbst nicht am Kapital der Schuldnerin beteiligt, hatte also keinen direkten Anteil am Vermögen der Schuldnerin.
  • H. A.: Er war Alleingesellschafter der A. GmbH (also der Darlehensgeberin) und gleichzeitig mit 10 % an der Komplementär-GmbH der Schuldnerin beteiligt. Außerdem war er auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.

Darlehen in der Insolvenz – Wann Gesellschafter-Darlehen nachrangig sind

Nachdem die Schuldnerin (GmbH & Co. KG) insolvent wurde, meldete die A. GmbH (Darlehensgeberin) ihre Forderung in Höhe von 87.111 € als „normales“ Darlehen zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter der Schuldnerin widersprach dem aber: Er meinte, es sei ein nachrangiges Gesellschafterdarlehen. Später wurde auch über die A. GmbH (Darlehensgeberin) ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter der A. GmbH klagte daraufhin, dass das Darlehen als „normal“ eingestuft werden sollte.

Was ist hier das Problem?

Das Problem ist: Die A. GmbH, die das Darlehen gab, war nicht direkt Gesellschafterin der insolventen Schuldnerin (GmbH & Co. KG). Aber H. A. hatte eine besondere Stellung: Er war der Alleingesellschafter der A. GmbH (Darlehensgeberin) und hatte gleichzeitig Einfluss auf die Schuldnerin, weil er an deren Komplementär-GmbH beteiligt und sogar ihr Geschäftsführer war. Die Frage war also: Kann ein Darlehen als Gesellschafterdarlehen gelten, wenn der Darlehensgeber zwar nicht direkt Gesellschafter der Schuldnerin ist, aber eine Person (hier H. A.) in beiden Firmen eine wichtige Rolle spielt?

Die Entscheidung der Gerichte

Das Landgericht und das Oberlandesgericht entschieden, dass es sich um ein nachrangiges Gesellschafterdarlehen handelt. Der BGH hat diese Entscheidungen bestätigt.

Die Begründung des BGH – einfach erklärt

Der BGH hat klargestellt, dass nicht nur Darlehen von direkten Gesellschaftern nachrangig sind, sondern auch solche, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Das ist dann der Fall, wenn ein Dritter (hier die A. GmbH) das Darlehen gibt, aber eine so enge Verbindung zwischen dem Darlehensgeber und der insolventen Firma besteht, dass es so ist, als hätte ein Gesellschafter das Darlehen gegeben.

Hier die wichtigen Punkte aus dem Urteil:

  1. Gesellschafterdarlehen sind nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO): Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG sind Darlehen, die von Gesellschaftern gegeben wurden, oder solche, die ihnen wirtschaftlich gleichen, nachrangig zu behandeln.
  2. Verbindungen zwischen Firmen: Eine solche „wirtschaftliche Gleichstellung“ kann bei Firmen aus der gleichen Gruppe entstehen. Der BGH unterscheidet zwei Arten von Verbindungen:
    • Vertikale Verbindung: Wenn der Darlehensgeber an einem Gesellschafter der Schuldnerfirma beteiligt ist.
    • Horizontale Verbindung: Wenn ein und dieselbe Person (oder Firma) sowohl am Darlehensgeber als auch an der Schuldnerin beteiligt ist, und zwar so, dass sie einen entscheidenden Einfluss ausüben kann.
  3. Der entscheidende Punkt im Fall: H. A. war Alleingesellschafter der A. GmbH (der Darlehensgeberin). Er hatte also vollen Einfluss darauf, ob das Darlehen gegeben wird oder nicht. Gleichzeitig war er mit 10 % an der Komplementär-GmbH der Schuldnerin beteiligt und deren Geschäftsführer. Das reichte aus, um eine solche „horizontale Verbindung“ herzustellen.
  4. Keine Kapitalbeteiligung der Komplementär-GmbH nötig: Der BGH hat klargestellt, dass es für die Anwendung der Gesellschafterdarlehensregeln nicht darauf ankommt, ob die Komplementär-GmbH selbst am Kapital der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Es reicht aus, dass eine Person (hier H. A.) über die Komplementär-GmbH einen maßgeblichen Einfluss auf die Schuldnerin ausüben kann. Es ist also nicht unbedingt nötig, dass die Komplementär-GmbH eigene Kapitalanteile an der KG hält.
  5. Grund für die Regelung: Der Hauptgrund für die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen ist, dass der Gesellschafter durch das Darlehen seine eigene Firma finanziert und ihm das mittelbar über seine Gesellschafterstellung zugutekommt. Dieses Eigeninteresse kann sich auch durch die Lenkung der Geschäftstätigkeit ausdrücken, nicht nur durch eine direkte Kapitalbeteiligung. Wenn der Gesellschafter (oder hier die Person mit starkem Einfluss) die Geschäfte der Firma steuert, hat er ein ausreichendes Eigeninteresse.
  6. Geschäftsführerstellung ist entscheidend: Im vorliegenden Fall war H. A. nicht nur an der Komplementär-GmbH beteiligt, sondern auch ihr Geschäftsführer. Dadurch konnte er die Geschäfte der Schuldnerin direkt beeinflussen. Auch wenn er die Geschäftsführerposition später niederlegte, war er dies noch innerhalb der relevanten Frist vor dem Insolvenzantrag.

Darlehen in der Insolvenz – Wann Gesellschafter-Darlehen nachrangig sind

Was bedeutet das Urteil für Laien?

Dieses Urteil ist wichtig, weil es die Regeln für Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfall erweitert. Es zeigt, dass die Gerichte nicht nur auf die direkten, formellen Beteiligungen achten, sondern auch darauf, wer tatsächlich Einfluss auf die Firmen hat und wer aus der Geschäftsbeziehung einen wirtschaftlichen Vorteil zieht. Wenn also eine Person in verschiedenen Firmen einer Gruppe wichtige Rollen innehat (z.B. als Gesellschafter und/oder Geschäftsführer), können Darlehen zwischen diesen Firmen auch dann als nachrangig eingestuft werden, wenn die direkten Kapitalbeteiligungen komplexer sind oder fehlen. Das schützt die „normalen“ Gläubiger im Insolvenzfall.


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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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