Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM)

Juni 22, 2025

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) ist ein wichtiges Instrument, um Arbeitnehmern, die länger oder wiederholt krank sind, dabei zu helfen, wieder ins Arbeitsleben zurückzufinden und ihren Arbeitsplatz zu sichern. Obwohl es seit 2004 gesetzlich vorgeschrieben ist, gibt es in der Praxis immer noch viele rechtliche Unsicherheiten und Fallstricke.


Was ist das bEM und warum ist es so wichtig?

Das bEM soll verhindern, dass Beschäftigte ihren Arbeitsplatz aufgrund langer oder häufiger Krankheiten verlieren. Es ist ein „Suchprozess“, bei dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam herausfinden, welche Maßnahmen helfen können, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und neuen Krankheiten vorzubeugen. Es betrifft alle Arbeitnehmer, nicht nur Schwerbehinderte.

Für Arbeitgeber hat das bEM den Vorteil, Lohnfortzahlungskosten und Kosten für Vertretungskräfte zu senken. Es trägt auch dazu bei, dass das Unternehmen als fairer Arbeitgeber wahrgenommen wird, was die Mitarbeitermotivation steigert. Arbeitnehmer profitieren davon, dass notwendige Maßnahmen frühzeitig ergriffen werden, ihre Leistungsfähigkeit erhalten bleibt und ihr Arbeitsplatz gesichert wird.


Wer ist am bEM beteiligt und welche Pflichten haben sie?

Die Hauptakteure im bEM sind der Arbeitgeber und der betroffene Arbeitnehmer.

  • Arbeitgeber: Er muss das bEM anbieten, wenn ein Mitarbeiter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Der Arbeitgeber ist für den gesamten Ablauf des bEM-Prozesses verantwortlich, auch wenn er die Durchführung an eine interne oder externe Person delegiert.
  • Arbeitnehmer: Die Teilnahme am bEM ist freiwillig und erfordert die ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers. Ohne seine Einwilligung dürfen keine Maßnahmen eingeleitet oder Dritte hinzugezogen werden. Es ist wichtig, dass der Arbeitnehmer umfassend über das Verfahren und den Datenschutz informiert wird.
  • Interessenvertretungen (Betriebs- oder Personalrat, Schwerbehindertenvertretung): Sie werden vom Arbeitgeber in den bEM-Prozess einbezogen, um die Interessen des Arbeitnehmers zu wahren. Bei schwerbehinderten Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung zwingend hinzuzuziehen, es sei denn, der Arbeitnehmer lehnt dies ab.
  • Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit: Sie können zur Abklärung gesundheitlicher Einschränkungen hinzugezogen werden.
  • Externe Partner: Dazu gehören Integrationsämter und Rehaträger, die Beratung, Fördermittel oder Rehabilitationsmaßnahmen anbieten können.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM)


Häufige Rechtsfragen und Probleme in der Praxis

Das bEM ist ein komplexes Rechtsgebiet mit viel Rechtsprechung. Hier sind einige der wichtigsten rechtlichen Fragen und Fallstricke:

  • Auslöser des bEM: Der Arbeitgeber muss aktiv werden, sobald ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres sechs Wochen arbeitsunfähig ist. Dabei ist es unerheblich, ob die Krankheit ununterbrochen oder wiederholt auftritt und welche Ursache sie hat (z.B. auch Alkoholismus).
  • Bedeutung für Kündigungen: Ein korrekt durchgeführtes bEM ist keine formelle Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung, aber es ist extrem wichtig für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung. Hat der Arbeitgeber kein oder ein fehlerhaftes bEM durchgeführt, hat er im Kündigungsschutzprozess eine deutlich erhöhte Beweislast. Er muss dann darlegen, dass die Kündigung auch bei durchgeführtem bEM unvermeidlich gewesen wäre.
  • Kein individueller Anspruch des Arbeitnehmers: Obwohl der Arbeitgeber zur Durchführung des bEM verpflichtet ist, hat der einzelne Arbeitnehmer in der Regel keinen direkten Rechtsanspruch auf ein bEM. Allerdings können die zuständigen Interessenvertretungen (Betriebsrat etc.) die Durchführung gerichtlich einfordern.
  • bEM muss eine Chance bieten: Ein bEM muss nur eingeleitet werden, wenn eine realistische Chance besteht, dass der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig wird. Ist ein Arbeitnehmer medizinisch nicht mehr in der Lage, am Arbeitsleben teilzunehmen, ist ein bEM nicht zwingend erforderlich.
  • Rolle der Personalvertretungen: Betriebs- und Personalräte haben wichtige Mitbestimmungsrechte im bEM. Oftmals gibt es hierzu Betriebsvereinbarungen.
  • Wiederholtes bEM: Wenn ein Arbeitnehmer nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig wird, muss der Arbeitgeber erneut ein bEM anbieten.
  • Recht auf Vertrauensperson: Seit 2021 hat der Arbeitnehmer das Recht, eine Vertrauensperson seiner Wahl (z.B. einen Anwalt) zum bEM-Gespräch hinzuzuziehen. Lehnt der Arbeitgeber dies ab, ist das bEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt.
  • Kein Schadensersatz bei unterlassenem bEM: Allein das Unterlassen eines bEM begründet in der Regel keinen Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung. Eine Kündigung ist an sich keine Diskriminierung, wenn keine speziellen Anhaltspunkte für eine Benachteiligung vorliegen.

Der Ablauf eines bEM-Verfahrens

Es gibt keine starren Regeln für den Ablauf, aber einige Mindeststandards:

  1. Ermittlung der Krankheitstage: Der Arbeitgeber muss prüfen, ob die Sechs-Wochen-Frist für die Arbeitsunfähigkeit erreicht wurde.
  2. Erstkontakt: Der Arbeitgeber informiert den Arbeitnehmer schriftlich über das bEM, seinen Zweck und den Datenschutz. Er muss die Zustimmung des Arbeitnehmers einholen. Der Zugang dieser Information muss nachweisbar sein.
  3. Zustimmung: Ohne die ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers darf kein bEM durchgeführt werden. Hierbei sind strenge Datenschutzregeln zu beachten.
  4. Erstgespräch: Nach Zustimmung findet ein erstes Gespräch statt, um eine Vertrauensbasis aufzubauen, Ursachen der Krankheit zu besprechen und erste Ideen für Lösungen zu entwickeln.
  5. Folgegespräche und Maßnahmenplanung: Es folgen weitere Gespräche, in denen die Situation analysiert, Informationen gesammelt, interne und externe Berater hinzugezogen und konkrete Maßnahmen geplant werden. Dazu gehören zum Beispiel stufenweise Wiedereingliederung, Weiterbildung oder Anpassung des Arbeitsplatzes.
  6. Umsetzung der Maßnahmen: Die geplanten Maßnahmen werden umgesetzt.
  7. Bewertung und Dokumentation: Am Ende wird der Erfolg der Eingliederung bewertet und alles dokumentiert.

Datenschutz: Eine häufige Fehlerquelle

Der Umgang mit Gesundheitsdaten im bEM ist sehr sensibel. Eine Einwilligung des Arbeitnehmers ist nicht nur für die Teilnahme am bEM notwendig, sondern auch für die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer umfassend über den Zweck der Datenverarbeitung und sein Widerrufsrecht aufklären. Werden Daten ohne korrekte Einwilligung oder in unzulässiger Weise verwendet (z.B. für eine Kündigung ohne ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers), kann dies zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen.


Abschluss des Verfahrens

Ein bEM-Verfahren kann nicht einseitig vom Arbeitgeber beendet werden. Es muss ein Konsens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erzielt werden, dass der Klärungsprozess abgeschlossen ist. Oft wird dies in einer Betriebsvereinbarung geregelt.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM)


Fazit

Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein wichtiges, aber auch komplexes Instrument. Es wurde ursprünglich gut gemeint vom Gesetzgeber eingeführt, hat sich aber in der Praxis zu einem rechtlich anspruchsvollen Verfahren entwickelt. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten das bEM ernst nehmen und bei Bedarf rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um Fehler zu vermeiden und die bestmöglichen Ergebnisse für alle Beteiligten zu erzielen. Es geht darum, Arbeitsplätze zu erhalten und die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern.

Haben Sie weitere Fragen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement oder möchten Sie ein spezifisches Problem besprechen?

RA und Notar Krau

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