Das gesetzliche Erbrecht nichtehelicher Kinder in Deutschland hat sich im Laufe der Zeit stark verändert,
insbesondere durch gesetzliche Neuregelungen und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009
RA und Notar Krau
Für Erbfälle seit dem 1. April 1998 sind nichteheliche Kinder den ehelichen Kindern im Erbrecht grundsätzlich gleichgestellt.
Sie haben einen gesetzlichen Anspruch auf alle Teile des Nachlasses und werden auch Mitglied einer Erbengemeinschaft.
Ausnahme für vor dem 1. Juli 1949 geborene Kinder
Eine Ausnahme von dieser Gleichstellung bestand lange Zeit für vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder in den alten Bundesländern.
Diese galten als nicht mit ihrem Vater verwandt und waren somit vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen.
Hintergrund:
Nach deutschem Recht wurden nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, in bestimmten Fällen von der Erbschaft ausgeschlossen.
Diese Regelung basierte auf der damaligen gesellschaftlichen Moralvorstellung und sollte die „eheliche Familie“ schützen.
Der Fall:
Eine nichteheliche Tochter, die vor dem Stichtag geboren wurde, klagte vor dem EGMR und machte geltend, dass sie durch die Stichtagsregelung diskriminiert und in ihrem Recht auf Achtung des Familienlebens verletzt werde.
Die Entscheidung des EGMR:
Der EGMR gab der Klägerin Recht.
Er stellte fest, dass die Stichtagsregelung eine Diskriminierung aufgrund der Geburt außerhalb der Ehe darstellt und
damit gegen Art. 14 EMRK (Verbot der Diskriminierung) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) verstößt.
Begründung:
Der EGMR führte aus, dass die Stichtagsregelung keine sachliche Rechtfertigung mehr habe.
Die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Regelung begründet hatten, seien nicht mehr gegeben. Nichteheliche Kinder dürften nicht länger benachteiligt werden.
Folgen des Urteils:
Das Urteil hatte zur Folge, dass der deutsche Gesetzgeber die Stichtagsregelung aufheben musste.
Nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, haben seitdem die gleichen Erbrechte wie eheliche Kinder.
Fazit:
Das Urteil des EGMR ist ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung nichtehelicher Kinder und stärkt das Recht auf Achtung des Familienlebens.
Es zeigt, dass der EGMR bereit ist, auch etablierte rechtliche Regelungen zu kippen, wenn sie mit den Grundrechten der EMRK unvereinbar sind.
Gesetzliche Neuregelung
Infolge dieses Urteils wurde das deutsche Erbrecht geändert. Nun haben auch vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder ein gesetzliches Erbrecht, wenn der Vater nach dem 29. Mai 2009 verstorben ist.
Ausnahmen von der Neuregelung
Fazit
Das gesetzliche Erbrecht nichteheliche Kinder in Deutschland hat sich durch gesetzliche Neuregelungen und die Rechtsprechung des EGMR hin zu einer weitgehenden Gleichstellung entwickelt.
Die Diskriminierung vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder wurde weitgehend beseitigt, allerdings mit einigen Ausnahmen für ältere Erbfälle.
Es ist wichtig zu beachten:
Im Zweifel sollte bei Fragen zum Erbrecht nichtehelicher Kinder ein Rechtsanwalt oder Notar konsultiert werden.
Die Neuregelungen gelten nur für Erbfälle nach dem 29. Mai 2009.
Für ältere Erbfälle können weiterhin die alten Regelungen gelten, was zu einer Ungleichbehandlung führen kann.
RA und Notar Krau