Das in der Krise stehengelassene Darlehen und die Bewertung bei der Einkommensteuer

Juni 15, 2025

Das in der Krise stehengelassene Darlehen und die Bewertung bei der Einkommensteuer

RA und Notar Krau

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. Juli 2023 (Az. IX R 21/21) befasst sich mit der steuerlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen, die ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft in einer Krise gewährt oder in der Krise nicht zurückgezogen hat. Im Kern geht es darum, wie solche Darlehensverluste steuerlich geltend gemacht werden können.


Was ist ein „in der Krise stehengelassenes Darlehen“?

Ein Gesellschafterdarlehen ist ein Darlehen, das ein Gesellschafter seiner eigenen Gesellschaft gibt. Wenn eine Gesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten gerät, also in eine Krise kommt, kann es passieren, dass ein Gesellschafter ein bereits gewährtes Darlehen nicht zurückfordert, obwohl er es könnte. Man spricht dann von einem „in der Krise stehengelassenen Darlehen“. Auch ein Darlehen, das in der Krise neu gewährt wird, fällt darunter.


Warum ist das steuerlich wichtig?

Verluste aus solchen Darlehen können unter bestimmten Umständen als nachträgliche Anschaffungskosten für die Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft gelten. Das ist wichtig, weil diese nachträglichen Anschaffungskosten den Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile mindern oder einen Verlust erhöhen können, was wiederum die Steuerlast reduziert.


Rechtsbegriffe für Laien erklärt:

  • § 17 EStG (Einkommensteuergesetz): Dieser Paragraph regelt die Besteuerung von Gewinnen und Verlusten aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Steuerpflichtige maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt ist (früher über 1 %, heute über 1 % innerhalb der letzten fünf Jahre vor Veräußerung). Man spricht hier von „Einkünften aus Gewerbebetrieb“.
  • § 20 EStG: Dieser Paragraph regelt die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen, z.B. Zinsen oder Dividenden. Auch Verluste aus Darlehen können hierunter fallen, allerdings gelten oft strengere Regeln für die Verrechnung von Verlusten.
  • Teilwert: Das ist der Wert eines Wirtschaftsguts (hier: des Darlehens) zu einem bestimmten Zeitpunkt, unter Berücksichtigung aller Umstände. Er ist oft niedriger als der ursprüngliche Nennwert (der Betrag, der eigentlich zurückzuzahlen wäre), wenn die Gesellschaft in Schwierigkeiten ist und die Rückzahlung des Darlehens unsicher ist.
  • Anschaffungskosten: Das sind die Kosten, die man aufwendet, um etwas zu erwerben. Bei einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sind das die Kosten für den Kauf der Anteile.
  • Nachträgliche Anschaffungskosten: Das sind zusätzliche Aufwendungen, die nach dem ursprünglichen Erwerb der Anteile entstehen und die wirtschaftlich mit der Beteiligung zusammenhängen. Ein in der Krise stehengelassenes Darlehen kann dazu gehören.
  • Eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe: Früher gab es im Recht eine Regelung, dass bestimmte Gesellschafterdarlehen in der Krise der Gesellschaft wie Eigenkapital behandelt wurden, also wie eine Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft. Das hatte steuerliche Konsequenzen. Diese gesetzliche Regelung wurde zwar aufgehoben, aber die Rechtsprechung hat die zugrunde liegenden Gedanken teils fortgeführt.
  • Gesellschaftsrechtlich veranlasst: Das bedeutet, dass die Handlung (hier: die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens) nicht wie bei einem normalen Geschäftspartner erfolgt wäre, sondern eben aufgrund der Stellung als Gesellschafter. Ein fremder Dritter hätte das Darlehen in der Krise wahrscheinlich zurückgefordert oder gar nicht erst gewährt.

Die Entwicklung der Rechtslage

Die steuerliche Behandlung von in der Krise stehengelassenen Gesellschafterdarlehen war lange Zeit durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geprägt. Der BFH hatte entschieden, dass solche Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden können, allerdings nur mit ihrem Teilwert zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise. Das bedeutet, der Wertverlust, der vor der Krise eingetreten ist, wurde nicht berücksichtigt.

Im Jahr 2008 wurde das Eigenkapitalersatzrecht im GmbH-Recht abgeschafft. Daraufhin entschied der BFH 2017, dass die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG keine gesetzliche Grundlage mehr haben.

Das in der Krise stehengelassene Darlehen und die Bewertung bei der Einkommensteuer

Die neue gesetzliche Grundlage: § 17 Abs. 2a EStG

Um die steuerliche Berücksichtigung solcher Verluste wieder zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber 2019 den § 17 Abs. 2a EStG eingeführt. Dieser Paragraph stellt klar, dass zu den nachträglichen Anschaffungskosten unter anderem Darlehensverluste gehören, wenn die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen unter gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte.

Die aktuelle Entscheidung des BFH

Der BFH musste nun klären, wie diese Darlehen nach der neuen Gesetzeslage bewertet werden. Er bestätigt in seinem Urteil vom 18. Juli 2023, dass die bisherigen Grundsätze zur Bewertung weiterhin gelten: Ein in der Krise stehengelassenes Darlehen ist mit dem Teilwert zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise zu bewerten. Der Wortlaut des neuen § 17 Abs. 2a EStG steht dem nicht entgegen, und der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung ausdrücklich an die frühere Rechtsprechung anknüpfen und deren Aufhebung rückgängig machen.

Der BFH begründet dies unter anderem mit:

  • Dem Willen des Gesetzgebers: Die Gesetzesmaterialien zeigen, dass der Gesetzgeber die frühere BFH-Rechtsprechung wieder einführen wollte.
  • Sinn und Zweck der Norm: Es soll sichergestellt werden, dass Verluste aus gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehen steuerlich berücksichtigt werden können, ohne dass das objektive Nettoprinzip (nur tatsächlich entstandene Verluste werden berücksichtigt) oder die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter verletzt werden. Die Berücksichtigung ist nur in dem Umfang gerechtfertigt, in dem die Veranlassung tatsächlich gesellschaftsrechtlich war.
  • Systematische Erwägungen: Die Regelung zur gesellschaftsrechtlichen Veranlassung in § 17 Abs. 2a Satz 4 EStG stellt auf den Zeitpunkt des Kriseneintritts ab. Es wäre widersprüchlich, für die Veranlassung diesen Zeitpunkt heranzuziehen, für die Bewertung aber den ursprünglichen Nennwert.

Fazit

Für Gesellschafter, deren Darlehen in der Krise einer Gesellschaft ausfallen, bedeutet dies, dass sie den Verlust unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich geltend machen können. Die Bewertung des Darlehens erfolgt dabei mit dem geringeren Teilwert zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise der Gesellschaft. Dies stellt sicher, dass nur der tatsächlich aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung entstandene Verlust berücksichtigt wird.


Haben Sie weitere Fragen zu spezifischen Aspekten dieser Entscheidung oder zur allgemeinen steuerlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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