Das Verfahren nach der Ausschlagung
Als Ihr Notar und Rechtsanwalt, helfe ich Ihnen gerne dabei, die oft komplexen juristischen Sachverhalte rund um das Thema Erbschaftsausschlagung zu verstehen. Im heutigen Blogbeitrag widmen wir uns einem wichtigen Aspekt: Was passiert, wenn Sie eine Erbschaft ausschlagen und welche Rolle spielt dabei das Nachlassgericht?
Stellen Sie sich vor, Sie erben – doch aus verschiedenen Gründen möchten Sie die Erbschaft nicht annehmen. Das Gesetz erlaubt Ihnen, die Erbschaft auszuschlagen. Doch was genau geschieht dann?
Das Nachlassgericht ist die erste Anlaufstelle für Ihre Erklärung. Seine Aufgabe ist es dabei, Ihre Ausschlagungserklärung entgegenzunehmen, sie gegebenenfalls an das zuständige Gericht weiterzuleiten und zu verwahren. Es ist sozusagen der „Postbote“ für Ihre Erklärung. Das Gericht darf Ihre Ausschlagungserklärung nicht als ungültig oder zu spät ablehnen, selbst wenn es Zweifel an ihrer Wirksamkeit hat. Es muss sie in jedem Fall annehmen.
Hier wird es etwas knifflig, denn die Gerichte sind sich in diesem Punkt nicht immer einig. Normalerweise trifft das Nachlassgericht keine direkte Entscheidung darüber, ob Ihre Ausschlagung wirksam ist oder nicht. Diese Prüfung erfolgt in der Regel erst, wenn es um die Ausstellung eines Erbscheins geht – also um den offiziellen Nachweis, wer Erbe geworden ist.
Es gibt jedoch Ausnahmen: Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat entschieden, dass in besonderen Fällen eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Ausschlagung getroffen werden kann. Das ist dann sinnvoll, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, diese Frage zu klären und ein großes Interesse daran besteht, Klarheit zu schaffen – zum Beispiel, wenn der vermeintliche Erbe die Erbschaft ausschlagen will, aber seine Erbenstellung bestreitet. Eine solche Entscheidung kann dann auch per Beschwerde angefochten werden.
Andere Gerichte, wie das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg, sehen das kritischer. Sie meinen, dass solche Entscheidungen nur erlaubt sind, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Hier zeigt sich, dass es in der Praxis noch unterschiedliche Ansichten gibt.
Aus meiner Erfahrung als Rechtsanwalt und Notar kann ich Ihnen sagen: Es wäre für alle Beteiligten von großem Vorteil, wenn eine Entscheidung über die Wirksamkeit einer Erbschaftsausschlagung schneller und verbindlicher getroffen werden könnte. Oft zieht sich die Klärung dieser Frage bis zu einem Erbscheinsverfahren hin, was unnötig lange dauert. Eine frühzeitige, bindende Entscheidung würde für Rechtssicherheit sorgen und spätere Streitigkeiten vermeiden. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier bald tätig wird und ein solches „Vorabentscheidungsverfahren“ einführt.
Die endgültige Beurteilung, ob Ihre Ausschlagung wirksam ist oder nicht, obliegt dem Nachlassgericht, das für die Erteilung des Erbscheins zuständig ist, oder einem anderen zuständigen Gericht. Eine Entscheidung des Nachlassgerichts über die Wirksamkeit der Ausschlagung, die es außerhalb dieser Zuständigkeit trifft, ist unzulässig und hat keine bindende Wirkung. Das bedeutet, sie hat keine Auswirkungen, beispielsweise auf eine Eintragung im Grundbuch.
Auch wenn das Nachlassgericht Ihre Ausschlagung nicht direkt bewertet, muss es dennoch seine Zuständigkeit prüfen. Wenn es Ihre Erklärung nicht unverzüglich zurückweist, gilt sie als wirksam zugegangen – selbst wenn das Gericht eigentlich nicht zuständig gewesen wäre.
Wenn Sie Ihre Ausschlagung beim Gericht persönlich erklären, muss das Gericht Sie über alle wichtigen Punkte belehren. Auch eine schriftliche Ausschlagungserklärung wird vom Gericht auf Formfehler geprüft. Sollten Mängel vorliegen, muss das Gericht Sie darauf hinweisen. Das Gericht muss Ihre Ausschlagungserklärung auch dann annehmen, wenn sie fehlerhaft erscheint. Nach der Annahme der Erklärung erhalten Sie eine Abschrift oder eine Bestätigung über den Eingang.
Das Nachlassgericht informiert zudem denjenigen, der als Nächster erbberechtigt wäre, über Ihre Ausschlagung. Auch Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, können die Ausschlagungserklärung einsehen.
Sollte das Nachlassgericht die Annahme Ihrer Ausschlagungserklärung – oder einer ähnlichen Erklärung nach europäischem Erbrecht – verweigern, können Sie dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen. Das OLG wird dann prüfen, ob die Verweigerung rechtmäßig war und das Nachlassgericht gegebenenfalls anweisen, Ihre Erklärung anzunehmen. In einem solchen Fall gilt Ihre Erklärung rückwirkend als am Tag der ersten Einreichung beim Nachlassgericht eingegangen.
Sollte das Nachlassgericht entgegen der Regel doch eine Entscheidung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit Ihrer Ausschlagung treffen – sei es direkt oder indirekt im Rahmen einer anderen Entscheidung zur Erbenstellung – dann kann diese Entscheidung ebenfalls mit der Beschwerde angefochten werden. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte das Beschwerdegericht auch in solchen Fällen prüfen, ob die Entscheidung des Nachlassgerichts inhaltlich richtig war, damit Sie wissen, ob Ihre Ausschlagung wirksam ist oder nicht.
Sollte Ihnen oder einer anderen Person, die infolge Ihrer Ausschlagung zum Erben berufen wurde, ein Schaden entstehen, weil das Nachlassgericht seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt hat (z.B. durch die Verweigerung der Annahme einer Erklärung), so kann das jeweilige Bundesland unter bestimmten Voraussetzungen zum Schadensersatz verpflichtet sein.
Ich hoffe, diese Erläuterungen helfen Ihnen, die komplexen Abläufe rund um die Erbschaftsausschlagung besser zu verstehen. Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen als Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau jederzeit gerne zur Verfügung.