Das Vorkaufsrecht der Kommune nach dem Baugesetzbuch
Ein wichtiges, aber oft missverstandenes Instrument in der deutschen Stadtentwicklung ist das Vorkaufsrecht der Kommune (Gemeinde oder Stadt) nach dem Baugesetzbuch (BauGB).
Für Laien bedeutet dies vereinfacht gesagt: Auch wenn Sie als Verkäufer und ein Käufer einen rechtsgültigen Kaufvertrag für ein Grundstück oder eine Immobilie unterschrieben haben, kann die Gemeinde unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Bedingungen in diesen Vertrag eintreten und das Grundstück selbst kaufen. Sie ersetzt dann den ursprünglichen Käufer.
Das Vorkaufsrecht der Kommune ist kein beliebiges Recht, sondern ein scharfes städtebauliches Instrument. Es dient dazu, die Bauleitplanung – also die Art und Weise, wie die Gemeinde ihre Flächen entwickeln und gestalten will (z.B. durch Bebauungspläne) – zu sichern und durchzusetzen.
Es geht also nicht darum, dass die Gemeinde einfach Grundstücke „sammelt“ (reine Bodenbevorratung), sondern darum, konkrete öffentliche Zwecke zu verfolgen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts muss daher stets durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sein (§ 24 Abs. 3 BauGB).
Das Baugesetzbuch unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von Vorkaufsrechten:
Dieses Recht besteht automatisch, wenn ein Grundstück in bestimmten, gesetzlich definierten Gebieten liegt. Die wichtigsten Fälle sind:
Liegt das Grundstück in einem Gebiet, das laut Bebauungsplan für öffentliche Zwecke (z.B. Straßen, Plätze, Schulen oder Grünflächen) vorgesehen ist.
Das Grundstück liegt in einem Gebiet, das formell als Sanierungsgebiet (§ 142 BauGB) oder als städtebauliches Entwicklungsgebiet (§ 165 BauGB) festgelegt wurde, um dort dringend notwendige städtebauliche Missstände zu beheben oder eine geordnete Entwicklung sicherzustellen.
Manchmal besteht es auch an unbebauten Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im Außenbereich, wenn sie als Wohnbaufläche vorgesehen sind, um eine schnelle und planmäßige Bebauung im Sinne des Flächennutzungsplans zu gewährleisten.
Seit einigen Jahren kann das Vorkaufsrecht auch bei sogenannten „Schrottimmobilien“ oder Gebäuden, die erhebliche städtebauliche oder soziale Missstände verursachen und deren Zustand nachteilige Auswirkungen auf das Umfeld hat, ausgeübt werden.
Hier begründet die Gemeinde das Vorkaufsrecht aktiv durch eine örtliche Satzung (eine Art Ortssatzung/Verordnung) für genau definierte Gebiete. Dies geschieht oft, um die städtebauliche Entwicklung schon frühzeitig steuern zu können, bevor ein detaillierter Bebauungsplan fertig ist, oder um Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt zu sichern.
Der Ablauf, wenn ein Grundstückskaufvertrag geschlossen wird, für den ein Vorkaufsrecht in Frage kommt, sieht vereinfacht so aus:
Der beurkundende Notar ist verpflichtet, den Kaufvertrag unverzüglich der Gemeinde mitzuteilen. Erst mit dieser Mitteilung beginnt die Frist für die Gemeinde zu laufen.
Die Gemeinde hat drei Monate Zeit (§ 28 Abs. 2 BauGB), um zu prüfen, ob ein Vorkaufsrecht besteht, ob sie es ausüben will und ob die Ausübung durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Die Entscheidung über die Ausübung erfolgt durch einen sogenannten Verwaltungsakt (einen behördlichen Bescheid) gegenüber dem Verkäufer.
Eintritt in den Vertrag: Übt die Gemeinde das Vorkaufsrecht wirksam aus, tritt sie an die Stelle des ursprünglichen Käufers in den geschlossenen Kaufvertrag ein. Die Gemeinde wird zur Käuferin.
In der Regel muss die Gemeinde den zwischen Verkäufer und ursprünglichem Käufer vereinbarten Kaufpreis zahlen.
Hat der vereinbarte Kaufpreis allerdings den Verkehrswert (Marktwert) des Grundstücks im Zeitpunkt des Kaufs erkennbar deutlich überschritten, kann die Gemeinde den Kaufpreis auf den Verkehrswert herabsetzen (§ 28 Abs. 3 BauGB).
Der Verkäufer hat in diesem Fall das Recht, den Vertrag rückgängig zu machen (zurückzutreten), wenn er mit dem niedrigeren Kaufpreis nicht einverstanden ist.
Wenn die Gemeinde das Vorkaufsrecht nicht ausübt (oder es nicht besteht), stellt sie auf Antrag ein Negativzeugnis (oder Negativattest) aus. Dieses Zeugnis ist zwingend erforderlich, damit der Notar die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch veranlassen und der ursprüngliche Käufer als neuer Eigentümer eingetragen werden kann. Ohne Negativzeugnis geht der Verkauf nicht über die Bühne.
In bestimmten Fällen ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen oder kann vom Käufer verhindert werden:
Das Vorkaufsrecht kann nicht ausgeübt werden, wenn das Grundstück an Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandte/Verschwägerte ersten oder zweiten Grades (z.B. Kinder, Geschwister) verkauft wird. Diese Verkäufe sind in der Regel von vornherein geschützt.
Der ursprüngliche Käufer hat die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht der Gemeinde abzuwenden. Dies ist möglich, wenn der Käufer glaubhaft versichert, das Grundstück entsprechend den städtebaulichen Zielen oder Vorschriften der Gemeinde zu nutzen. Er muss sich vertraglich dazu verpflichten, innerhalb einer bestimmten Frist die Maßnahmen durchzuführen, die die Gemeinde selbst mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verfolgen würde (z.B. Behebung von Missständen, Bebauung). Gelingt die Abwendung, bleibt der ursprüngliche Kaufvertrag bestehen.
Das kommunale Vorkaufsrecht nach dem BauGB ist ein starkes, aber an strenge Voraussetzungen geknüpftes Planungsinstrument. Es soll sicherstellen, dass die Gemeinden ihre städtebaulichen Pläne zum Wohl der Allgemeinheit umsetzen können. Für Verkäufer und Käufer bedeutet dies, dass ein abgeschlossener Kaufvertrag über ein Grundstück nicht automatisch endgültig ist, sondern eine dreimonatige Schwebephase durchläuft, bis das notwendige Negativzeugnis der Gemeinde vorliegt.