Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz
Aufsatz von Rechtsanwalt Dr. Andreas Kappus, NJW 2020, 3617
Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) vom 16. Oktober 2020 trat am 1. Dezember 2020 in Kraft und stellt eine umfassende Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) dar.
Ziel der Reform war es, Defizite im Bereich baulicher Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Förderung der Elektromobilität, zu beheben und das WEG grundlegend zu modernisieren.
Die Reform passierte Bundestag und Bundesrat zügig, nachdem der Rechtsausschuss des Bundestages nach einer Sachverständigenanhörung im Mai 2020 eine maßgebliche Modellierung vorgelegt hatte.
Während verfahrensrechtlich vor dem 1. Dezember 2020 anhängige Verfahren nach altem Recht abgewickelt werden, gilt das materielle Recht grundsätzlich übergangslos.
Die Einführung des „zertifizierten Verwalters“ erfolgt gestaffelt:
Der Anspruch darauf besteht ab dem 1. Dezember 2022, während amtierende Verwalter bis zum 1. Juni 2024 als zertifiziert gelten.
Die Gliederung des WEG in vier Teile blieb unverändert.
Allerdings ergaben sich teilweise Änderungen in der Paragrafenfolge.
So sind die zentralen Regelungen zu baulichen Veränderungen nun in § 20 WEG verortet.
Neu eingeführt wurden Buchstaben-Vorschriften wie § 9a WEG (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) und § 9b WEG (Vertretung).
Rechtsfähigkeit (§ 9a I 1 WEG):
Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird als rechtsfähiger Verband anerkannt, der Rechte erwerben, Verbindlichkeiten eingehen, klagen und verklagt werden kann.
Dies schließt eine langjährige Entwicklung ab.
Die Insolvenzfähigkeit des Verbands ist jedoch ausgeschlossen (§ 9a V WEG).
Ungeklärt bleibt, ob die BGH-Rechtsprechung zur Verbrauchereigenschaft einer Wohnungseigentümergemeinschaft aufrechterhalten werden kann.
Für kleinere Gemeinschaften sieht § 19 II Nr. 6 WEG eine Ausnahme bezüglich des zertifizierten Verwalters vor.
Der Bestand des gemeinschaftlichen Eigentums bleibt grundsätzlich geschützt (§ 11 I, II WEG).
Vertretung (§ 9b WEG): Mangels Verwalters vertreten die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich.
Die frühere Möglichkeit, einzelne Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss zur Vertretung zu ermächtigen, entfällt.
Eine Vertretungsbefugnis kann jedoch durch Erklärung aller oder Vollmachten erteilt werden.
Die Außenvertretungsmacht des Verwalters wurde eingeschränkt:
Für Grundstückskauf- oder Darlehensverträge ist ein Mehrheitsbeschluss erforderlich (§ 9b I 1, § 25 I WEG).
Im Innenverhältnis können die Wohnungseigentümer dem Verwalter Weisungen erteilen.
Künftig wird es den „zertifizierten Verwalter“ geben, der über die notwendigen rechtlichen, kaufmännischen und technischen Kenntnisse verfügt (IHK-Prüfung).
Eine Rechtsverordnung wird die Details regeln.
Kleine Gemeinschaften sind von der Pflicht zur Bestellung eines zertifizierten Verwalters ausgenommen.
Das Miteigentumsquotenprivileg bei der Haftung eines Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entfällt.
Die Nachhaftung ausscheidender Wohnungseigentümer für fünf Jahre bleibt bestehen (§ 9a IV 1 Hs. 2 WEG).
Beschlussklagen sind nun gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft entsteht nun mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher, was auch bei einer Grundstücksteilung durch den Eigentümer gilt.
Die Einladungsfrist zur Eigentümerversammlung beträgt nun drei Wochen.
Die Beschlussfähigkeit ist nicht mehr an die Vertretung einer bestimmten Anzahl von Miteigentumsanteilen gebunden.
Die Textform für Vollmachten ist ausreichend.
Das Umlaufverfahren wurde erleichtert:
Die Zustimmung kann in Textform erfolgen, und die Wohnungseigentümer können mehrheitlich beschließen, dass für einzelne Gegenstände die einfache Mehrheit genügt.
Die virtuelle Teilnahme an Eigentümerversammlungen ist nun durch Beschluss möglich (§ 23 I 2 WEG).
Die Beschluss-Sammlung bleibt in ihrer bisherigen Form bestehen.
Bauliche Veränderungen, die über die reine Erhaltung hinausgehen, können unter bestimmten Voraussetzungen beschlossen, gestattet oder verlangt werden (§ 20 I-III WEG).
Die Kostennorm in § 21 WEG sieht vor, dass Kosten baulicher Veränderungen grundsätzlich nur von den zustimmenden Wohnungseigentümern zu tragen sind.
Für „niederschwellige“ Maßnahmen genügt eine einfache Mehrheit (§ 20 I, IV WEG).
Jeder Wohnungseigentümer hat Anspruch auf Gestattung privilegierter Maßnahmen (Barrierereduzierung, E-Mobilität, Einbruchsschutz, Glasfaseranschluss; § 20 II WEG).
Bei Maßnahmen aller können die Kosten unter bestimmten Voraussetzungen (doppelt qualifizierte Mehrheit oder Amortisation innerhalb angemessener Zeit) auf alle Wohnungseigentümer umgelegt werden (§ 21 III WEG).
Abweichende Kostenverteilungsschlüssel sind durch Beschluss möglich (§ 21 V WEG).
Der Verwalter hat einen Wirtschaftsplan aufzustellen.
Über Nachschüsse oder Anpassungen der Vorschüsse wird auf Basis der Jahresabrechnung beschlossen.
Neu ist die Pflicht des Verwalters zur Erstellung eines Vermögensberichts (§ 28 IV WEG).
Die Funktion des Beirats wurde um die Überwachung des Verwalters erweitert.
Die Mitgliederzahl im Beirat ist flexibler.
Ein Haftungsprivileg für unentgeltlich tätige Beiratsmitglieder (nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) wurde eingeführt.
Die „Beschlussklage“ fasst Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Beschlussersetzungsklage zusammen und ist nun gegen den Verband zu richten (§ 44 II 1 WEG).
Die Zustellung erfolgt an den Verwalter, in verwalterlosen Gemeinschaften an einen Wohnungseigentümer (§ 170 III ZPO).
Der bisherige Mehrvertretungszuschlag für den Rechtsanwalt auf Passivseite entfällt.
Streitigkeiten über das sachenrechtliche Grundverhältnis der Wohnungseigentümer sollen nun ebenfalls vor das grundstückszuständige Gericht gehören (§ 43 II Nr. 1 WEG).
Ein dem § 20 II Nr. 1-3 WEG entsprechendes Recht des Mieters auf Gestattung solcher Modernisierungsmaßnahmen wurde in § 554 BGB eingeführt.
Dies gilt auch für Mietverhältnisse über Grundstücke und Gewerberäume (§ 578 BGB).
Der Vermieter darf die Erlaubnis nicht länger von einer Rückbausicherheit abhängig machen.
Der zwischen den Wohnungseigentümern geltende Kostenverteilungsschlüssel kann grundsätzlich auf den Mieter übertragen werden.
Eine Billigkeitskontrolle bleibt jedoch bestehen.
Die WEG-Reform birgt Chancen und Herausforderungen.
Ob sie dieModernisierungsstaus abbauen und die Elektromobilität fördern kann, wird die Zukunft zeigen.
Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Gerichte und der Schutz überforderter Minderheiten werden entscheidend sein.
Die gestärkte Rolle des Verwalters erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Wohnungseigentümern und dem Beirat.
Der entfrachtete Verbandsprozess bringt Änderungen für die Anwaltschaft mit sich.