Dauer der einzuhaltenden ordentlichen Kündigungsfrist – LAG Hamm Urteil vom 16/06/2021 – 10 Sa 122/21
Kernaussage:
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschied, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, die sowohl fristlos als auch hilfsweise fristgerecht mit einem zu langen Datum ausgesprochen wird, nach dem Empfängerhorizont ausgelegt werden kann.
Dies bedeutet, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum angegebenen Datum erfolgt, auch wenn eine frühere Beendigung möglich wäre.
Sachverhalt:
Arbeitsverhältnis:
Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 2014 als Haushaltshilfe bei der Beklagten beschäftigt.
Der Arbeitsvertrag sah die Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfristen vor.
Kündigung:
Am 12. Februar 2020 verdächtigte die Beklagte die Klägerin des Diebstahls und kündigte ihr am 14. Februar 2020 außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin, den sie fälschlicherweise als den 30. April 2020 angab.
Klage:
Die Klägerin erhob Klage gegen die fristlose Kündigung und argumentierte, dass das Arbeitsverhältnis, gemäß der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, erst zum 30. April 2020 enden würde.
Erstinstanzliche Entscheidung:
Das Arbeitsgericht Herford entschied, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei, da die Beklagte den Diebstahlvorwurf nicht beweisen konnte.
Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Angabe im Kündigungsschreiben erst zum 30. April 2020 endete.
Die Beklagte legte Berufung ein und argumentierte, dass die Kündigung bereits zum 15. März 2020 wirksam sei, da die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB in Privathaushalten nicht anwendbar seien.
Sie betonte, dass ihr Wille zur frühestmöglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Formulierung im Kündigungsschreiben erkennbar gewesen sei.
Entscheidung des LAG Hamm:
Das LAG Hamm wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Form und Fristen:
Die Berufung war form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sodass sie zulässig war.
Kündigung:
Die primär ausgesprochene fristlose Kündigung war unwirksam, was zwischen den Parteien unstreitig war.
Ordentliche Kündigung:
Das Arbeitsverhältnis wurde durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung erst zum 30. April 2020 beendet.
Diese Auslegung beruht auf dem Empfängerhorizont, der das konkrete Datum als maßgeblich ansah, obwohl die Beklagte irrtümlich ein längeres Kündigungsdatum genannt hatte.
Begründung:
Auslegung der Kündigung:
Die Kündigung als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung ist nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen.
Dabei ist zu berücksichtigen, wie der Empfänger die Erklärung unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise verstehen konnte.
Widerspruch in der Kündigung:
Obwohl die Beklagte die frühestmögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollte, hatte sie ein spezifisches Datum genannt, was zu berücksichtigen ist.
Eine Kündigung, die sowohl einen konkreten Termin als auch einen vagen nächstmöglichen Termin nennt, würde nach der Rechtsprechung des BAG zu Unklarheiten führen, die zulasten des Arbeitgebers ausgelegt werden müssten.
Empfängerhorizont:
Aus Sicht der Klägerin war die Kündigung so zu verstehen, dass das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2020 enden sollte, insbesondere da zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens die Rechtslage bezüglich der Anwendbarkeit von § 622 Abs. 2 BGB in Privathaushalten unklar war.
Schlussfolgerung:
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wurde nicht zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung zur Auslegung eines Kündigungsschreibens handelte und die Kammer nicht von den Grundsätzen des BAG abgewichen ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil ist nicht gegeben.
Es wird auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG verwiesen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.