Der Ausschluss des Selbstvornahmerechts in AGB
Aufsatz von Maximilian Schneider, NJW 2022, 2582
In seinem Artikel analysiert Maximilian Schneider die Vereinbarkeit des Ausschlusses des Selbstvornahmerechts gemäß § 637 BGB mit dem Werkvertrags- und Bauträgerrecht.
Hierbei berücksichtigt er die Änderung der Rechtsprechung zur fiktiven Schadensabrechnung und deren Auswirkungen auf Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB).
Schneider stellt fest, dass im Bauträgerrecht § 650u I 2 BGB die Anwendung des Werkvertragsrechts bestimmt. Bei Mängeln am Bauwerk greifen die Mängelgewährleistungsrechte der §§ 634 ff. BGB.
Gemäß § 637 I BGB kann der Besteller nach erfolglosem Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der Kosten verlangen.
Dieses Recht ist ein Alleinstellungsmerkmal des Werkvertragsrechts, das im Mietrecht in ähnlicher Form in § 536a II BGB existiert.
Die herrschende Meinung sieht das Selbstvornahmerecht des § 637 BGB jedoch nicht als „AGB-fest“ an. § 309 Nr. 8 Buchst. b BGB
verbietet den Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach Selbstvornahme nicht, solange die übrigen Gewährleistungsrechte erhalten bleiben.
Einzelne Stimmen in der Literatur sehen einen Ausschluss des Selbstvornahmerechts als Verstoß gegen § 307 I, II BGB, da dies den Besteller unangemessen benachteilige.
Die Gegenmeinung argumentiert, dass § 637 BGB einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch darstelle, der im BGB fremd sei.
Daher habe er keine „Leitbildfunktion“ und sein Ausschluss verstoße nicht gegen § 307 I 1 BGB.
Ursprünglich war im Werkvertragsrecht eine fiktive Schadensabrechnung zulässig.
Der Besteller konnte Mängelbeseitigungskosten geltend machen, ohne sie tatsächlich aufgewendet zu haben.
Der Bundesgerichtshof (BGH) änderte diese Rechtsprechung.
Seither können Mängelbeseitigungskosten nur als Schadensposition geltend gemacht werden, wenn sie tatsächlich entstanden sind.
Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass ein Vermögensschaden erst bei tatsächlicher Mängelbeseitigung entstehe
und eine fiktive Abrechnung zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Bestellers führen könne.
Der Besteller sei jedoch nicht schutzlos, da er die Vergütung mindern oder Schadensersatz verlangen könne.
Schneider erörtert zwei mögliche Lösungsansätze für das Spannungsverhältnis zwischen dem Ausschluss des § 637 BGB und dem Verbot der fiktiven Schadensberechnung:
Er verwirft die erste Option, da die Argumente des BGH gegen die fiktive Schadensabrechnung grundsätzlicher Natur seien und nicht von der Schutzwürdigkeit des Unternehmers abhängen.
Schneider plädiert für die Unwirksamkeit des Ausschlusses des Selbstvornahmerechts in AGB.
Er argumentiert, dass ein solcher Ausschluss zu einer unzumutbaren Vorleistungspflicht des Bestellers führe.
Die Vorleistungspflicht des Unternehmers sei jedoch ein wesentlicher Grundgedanke des Werkvertragsrechts, der sich in § 641 BGB und § 637 III BGB widerspiegele.
Die Argumentation, dass § 637 BGB einen fremden verschuldensunabhängigen Schadenersatz darstellen soll, wird von Schneider durch Gegenargumente widerlegt.
Auch die parallele zu dem Mietrecht, in dem der Ausschluss des § 536a II BGB als zulässig erachtet wird, hält Schneiders Analyse stand.
Schneider kommt zu dem Schluss, dass AGB-Klauseln, die § 637 BGB ausschließen, gemäß § 307 BGB unwirksam seien.
Das Verbot der fiktiven Schadensabrechnung gelte unabhängig von solchen Klauseln.
Für die Praxis empfiehlt er, trotz solcher Klauseln Vorschussklage zu erheben und gegebenenfalls auf Schadensersatz umzustellen.
Der Ausschluss des § 637 BGB sei nur in Individualvereinbarungen, nicht aber in AGB wirksam.