Der Bau auf fremdem Grund
Aufsatz von Dr. Anna Magdalena Geiger-Wieske, NJW 2025, 1447
Das „Rangsdorfer Hausdrama“ und die juristischen Konsequenzen
Der Artikel von Dr. Anna Magdalena Geiger-Wieske beleuchtet den juristischen Fall, der in den Medien als „Rangsdorfer Hausdrama“ bekannt wurde.
Dieser Fall handelt von einem Grundstückseigentümer, dessen Eigentum ohne sein Wissen zwangsversteigert wurde.
Die Beklagten, ein Ehepaar, ersteigerten das Grundstück, ließen das darauf befindliche Wochenendhaus abreißen und errichteten ein neues Wohnhaus, das sie ab 2012 bewohnten.
Im Jahr 2014 wurde der Zuschlagsbeschluss auf Beschwerde des ursprünglichen Eigentümers hin rechtskräftig aufgehoben.
Daraufhin forderte der Kläger die Berichtigung des Grundbuchs, Herausgabe und Räumung des Grundstücks, den Abriss des Hauses, Nutzungsersatz und die Löschung der Grundschuld.
Die Gerichte der Vorinstanzen fällten unterschiedliche Urteile:
Das Landgericht Potsdam sprach dem Kläger lediglich die Grundbuchberichtigung und Nutzungsersatz zu, während das Oberlandesgericht Brandenburg die Beklagten
zusätzlich zur Herausgabe und Räumung des Grundstücks, zur Beseitigung des Hauses und zur Löschung der Grundschuld verurteilte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) fand einen Mittelweg, der in der weiteren Analyse des Artikels detailliert erörtert wird.
Der BGH bestätigte zunächst den Anspruch des Klägers auf Berichtigung des Grundbuchs und bejahte einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Wohnhauses.
Allerdings können die Beklagten diesen Ansprüchen ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten, das auf einem Verwendungsersatzanspruch für das errichtete Wohnhaus beruht.
Ein Anspruch auf Beseitigung des Wohnhauses und auf Löschung der Grundschuld wurde dem Kläger vom BGH nicht zuerkannt.
Alle Instanzen waren sich einig, dass der Kläger der rechtmäßige Eigentümer des Grundstücks ist.
Die Beklagte zu 1 hatte das Eigentum im Rahmen der Zwangsversteigerung zwar 2010 erworben, jedoch verlor sie dieses rückwirkend durch die rechtskräftige Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses im Jahr 2014.
Ein zentraler Punkt der BGH-Entscheidung ist der Verwendungsersatzanspruch der Beklagten aus § 996 BGB.
Dieser Anspruch ermöglicht es den Beklagten, ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber den Ansprüchen des Klägers geltend zu machen.
Um diesen Anspruch zu bejahen, musste der BGH seine bisherige Rechtsprechung ändern.
Der BGH gab seine bisherige, enge Auslegung des Verwendungsbegriffs auf.
Bislang galten nur solche Vermögensaufwendungen als Verwendungen, die der Sache zugutekommen, ohne sie grundlegend zu verändern.
Die Errichtung eines neuen Wohnhauses auf einem Grundstück wurde in der Vergangenheit als grundlegende Veränderung und damit nicht als Verwendung angesehen.
In der vorliegenden Entscheidung entschied der BGH zugunsten des in der Literatur seit Langem geforderten weiten Verwendungsbegriffs.
Demnach kann die Errichtung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück auch dann eine Verwendung sein, wenn damit eine Änderung der Zweckbestimmung des Grundstücks einhergeht.
Der BGH begründete diese Änderung mit einer umfassenden Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Historie und Zweck, ergänzt durch wirtschaftliche Bedürfnisse und Praktikabilitätsgesichtspunkte.
Es ging dem Senat demnach nicht um Einzelfallgerechtigkeit, sondern um die Korrektur einer aus seiner Sicht nicht mehr überzeugenden Rechtsprechung.
Für einen Verwendungsersatzanspruch nach § 996 BGB muss der Wert der Sache im Zeitpunkt der Wiedererlangung durch den Eigentümer noch erhöht sein.
Der BGH legte fest, dass die Werterhöhung objektiv zu bestimmen ist, allein maßgeblich sei die Verkehrswerterhöhung, begrenzt auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten des Besitzers.
Dies schafft Rechtssicherheit und vermeidet Unsicherheiten durch subjektive Kriterien.
Der Artikel kritisiert jedoch, dass der BGH nicht ausreichend beleuchtet, wie sich die neue Rechtsprechung zum Verwendungsbegriff auf die Frage der Nützlichkeit auswirkt.
Der BGH stellte klar, dass der Kläger den Abriss des Wohnhauses nicht verlangen kann.
Soweit der gutgläubige, unverklagte Besitzer Verwendungen ersetzt bekommt, schließt sein besonderes Schutzbedürfnis einen Rückgriff auf § 1004 BGB für die Beseitigung eben dieser Verwendungen aus.
Dies ist eine Konsequenz der schadensrechtlichen Interpretation des § 1004 BGB durch den BGH.
Der Kläger kann aber aus § 985 BGB die Herausgabe des Grundstücks und aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB die Räumung verlangen,
wobei die Beklagten auch hier ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund ihres Verwendungsersatzanspruchs haben.
Einen Anspruch auf Löschung der Grundschuld verneinte der BGH sowohl aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB als auch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Bestellung eines Grundpfandrechts bedeutet eine einmalige Verschlechterung des Eigentums, beeinträchtigt es aber nicht permanent im Sinne des § 1004 BGB.
Hinsichtlich des Bereicherungsrechts stellte der BGH klar, dass die Belastung mit einem dinglichen Recht unter die speziellere Eingriffskondiktion des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB fällt.
Allerdings sei bei der Bestellung einer Fremdgrundschuld der Gegenwert nicht die Grundschuld selbst, sondern die Sicherung des Darlehens.
Was genau das „Erlangte“ in diesem Kontext ist, bleibt höchstrichterlich noch ungeklärt und wird nun dem Berufungsgericht obliegen.
Die Entscheidung des BGH wird in der Praxis positiv aufgenommen, da sie Rechtssicherheit schafft.
Die Abkehr vom engen Verwendungsbegriff war erwartet und wird in der Literatur begrüßt.
Auch die klare Formel zur Wertbestimmung (objektive Wertsteigerung begrenzt auf tatsächliche Aufwendungen) ist für die Praxis hilfreich.
Obwohl die Frage, ob dadurch ein angemessener Interessenausgleich erreicht wird, offenbleibt, hat die Hartnäckigkeit der Parteien im „Rangsdorfer Hausdrama“ dazu geführt, dass der BGH zu zentralen Fragen
des Sachenrechts Stellung beziehen konnte. Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des BGH nun den Weg für eine Vergleichslösung in diesem prominenten Fall ebnet.