Der Beginn der Ausschlagungsfrist
Die Erbschaft ausschlagen: Wann beginnt die Frist zu laufen?
Stellen Sie sich vor, Sie erfahren vom Tod eines Ihnen nahestehenden Menschen und plötzlich steht das Thema Erbschaft im Raum. Vielleicht möchten Sie das Erbe aber gar nicht antreten, sei es wegen Schulden des Verstorbenen oder aus anderen Gründen. Dann haben Sie die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen. Doch Vorsicht: Die Frist dafür ist extrem kurz!
Als Rechtsanwalt und Notar Krau erkläre ich Ihnen in diesem Beitrag, wann diese wichtige Frist beginnt und worauf Sie unbedingt achten sollten.
Der Startschuss für die Frist: Wissen ist entscheidend!
Die Frist für die Ausschlagung einer Erbschaft beginnt nicht einfach mit dem Tod des Erblassers, also der Person, die verstorben ist. Nein, sie hängt von zwei wichtigen Voraussetzungen ab, die Sie sich wie zwei Puzzleteile vorstellen können, die zusammenpassen müssen:
- Sie müssen wissen, dass Sie überhaupt Erbe geworden sind. Das bedeutet, Sie haben erfahren, dass die Person verstorben ist und dass Sie in irgendeiner Form als Erbe in Frage kommen.
- Sie müssen den genauen Grund kennen, warum Sie Erbe geworden sind. Das ist entscheidend! Es reicht nicht, nur zu wissen, dass Sie Erbe sind. Sie müssen auch den „Berufungsgrund“ kennen – also ob Sie durch ein Testament, einen Erbvertrag oder aufgrund der gesetzlichen Erbfolge (z.B. als Verwandter oder Ehepartner) Erbe geworden sind.
Gibt es ein Testament oder einen Erbvertrag, muss Ihnen dieses Dokument auch bekannt gemacht worden sein, damit die Frist beginnt. Das bedeutet, Sie müssen eine offizielle Information darüber erhalten haben, zum Beispiel vom Nachlassgericht.
Wichtig zu wissen: Die Frist ist für jeden Erben einzeln zu betrachten. Und wenn Sie zum Beispiel in einem Testament für verschiedene Vermögensteile als Erbe vorgesehen sind, kann die Frist auch für jeden dieser Teile gesondert laufen.
Was bedeutet „Kenntnis vom Erbe“?
Damit die Frist für die Ausschlagung beginnt, müssen Sie wissen, dass Sie „vorläufig“ Erbe geworden sind. Das heißt:
- Sie wissen, dass der Erblasser verstorben ist oder offiziell für tot erklärt wurde.
- Es reicht nicht aus, nur mit dem Erblasser verwandt zu sein, um automatisch vom Tod zu wissen. Auch wenn Sie nahe Verwandte sind, kann der Kontakt abgerissen sein und Sie wissen vielleicht nichts vom Tod.
- Fehlt Ihnen der Name des Erblassers (z.B. weil Ihnen ein Erbenermittler ihn nicht genannt hat), dann beginnt die Frist auch noch nicht zu laufen.
Der genaue Berufungsgrund: Gesetz oder Testament?
Der „Berufungsgrund“ ist der konkrete Umstand, der Sie zum Erben macht. Das Gesetz legt hier eine große Bedeutung darauf. Es ist also nicht egal, ob Sie aus diesen Gründen Erbe werden:
- Gesetzliche Erbfolge: Dies tritt ein, wenn es kein Testament oder Erbvertrag gibt. Hier werden Sie Erbe, weil Sie ein Verwandter, Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner des Verstorbenen sind.
- Sie müssen wissen, welche Verwandtschaft Sie mit dem Erblasser verbindet (z.B. Kind, Enkel, Bruder).
- Es dürfen keine Umstände vorliegen, die Ihr gesetzliches Erbrecht ausschließen (z.B. ein laufendes Scheidungsverfahren des Ehepartners).
- Sie müssen auch wissen, dass es kein wirksames Testament gibt, das Sie von der Erbfolge ausschließt. Wenn Sie fälschlicherweise glauben, ein ungültiges Testament wäre wirksam und würde Sie ausschließen, dann haben Sie keine Kenntnis von Ihrer gesetzlichen Erbenstellung.
- Gewillkürte Erbfolge: Dies bedeutet, dass der Erblasser selbst in einem Testament oder Erbvertrag festgelegt hat, wer Erbe wird.
- Sie müssen wissen, dass es ein Testament oder einen Erbvertrag gibt und dass Sie darin als Erbe benannt sind.
- Es ist wichtig, die konkrete Verfügung zu kennen. Es reicht nicht aus, nur zu wissen, dass es irgendein Testament gibt. Sie müssen das Ihnen betreffende Dokument kennen. Die Frist beginnt erst, wenn Ihnen dieses Dokument offiziell bekannt gemacht wurde.
- Die Frist beginnt also nicht, wenn Sie beispielsweise glauben, in einem Testament benannt zu sein, aber in Wirklichkeit in einem anderen Testament stehen. Oder wenn Sie nur einen Teil eines Testaments kennen, der Sie zum Erben macht, aber nicht wissen, dass es noch andere Anordnungen gibt, die Ihre Erbenstellung beeinflussen.
Die Sechs-Wochen-Frist: Eine kurze Zeitspanne!
Denken Sie daran: Für die Ausschlagung einer Erbschaft haben Sie grundsätzlich nur sechs Wochen Zeit, sobald alle Voraussetzungen für den Fristbeginn erfüllt sind. Diese Frist ist sehr kurz!
Sollten Sie also Kenntnis davon erlangen, dass Sie Erbe geworden sind und warum, ist es ratsam, keine Zeit zu verlieren und sich umgehend an einen Anwalt oder Notar zu wenden. Wir können prüfen, ob alle Voraussetzungen für den Fristbeginn vorliegen und Sie bei den nächsten Schritten beraten.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau