Der digitale Nachlass – Was passiert mit unseren Online-Daten nach dem Tod?

Mai 30, 2025

Der digitale Nachlass – Was passiert mit unseren Online-Daten nach dem Tod?

RA und Notar Krau

Der Begriff des digitalen Nachlasses ist noch relativ neu und nicht immer klar definiert. Vereinfacht gesagt umfasst er alle digitalen Daten, die eine Person zu Lebzeiten gespeichert oder erstellt hat und die ihr zugeordnet werden können. Dazu gehören zum Beispiel Daten auf USB-Sticks, SD-Karten oder auch Guthaben in Kryptowährungen. Bei diesen eher „physischen“ digitalen Gütern ist die Vererbbarkeit meist unproblematisch. Auch Musik-, Film- und E-Book-Dateien gehen auf die Erben über, die dann die gleichen Nutzungsrechte wie der Verstorbene haben.


Herausforderungen bei Online-Konten

Komplizierter wird es bei Online-Konten, die zur Kommunikation genutzt werden, wie E-Mail-Konten oder Social-Media-Profile (z.B. Facebook, Instagram). Hier gab es lange Zeit große Unsicherheiten, wie damit nach dem Tod des Nutzers umgegangen werden soll. Die Diskussion konzentriert sich hauptsächlich auf diesen Bereich.


Das wegweisende Urteil des BGH

Weil es keine speziellen Gesetze für den digitalen Nachlass gab, herrschten unterschiedliche Meinungen darüber, was mit Online-Konten nach dem Tod passiert. Eine wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat hier Licht ins Dunkel gebracht, zumindest für Konten in sozialen Netzwerken.

Der Fall betraf die Eltern eines verstorbenen minderjährigen Kindes, das ein Facebook-Konto hatte. Die Eltern wollten nach dem Tod ihres Kindes Zugang zu diesem Konto und seinen Nachrichten erhalten. Das Landgericht Berlin gab den Eltern zunächst Recht, das Kammergericht Berlin sah jedoch ein Verbot für Facebook, die Inhalte weiterzugeben. Der BGH hob das Urteil des Kammergerichts auf und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

Der BGH stellte klar, dass der Nutzungsvertrag eines Facebook-Kontos grundsätzlich vererbbar ist. Er sah keine Hinderungsgründe in den Persönlichkeitsrechten der Kommunikationspartner, dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen, dem Fernmeldegeheimnis oder dem Datenschutzrecht. Auch vertragliche Regelungen, die die Vererbbarkeit einschränken könnten, wurden vom BGH erörtert.


Vererbbarkeit eines Facebook-Kontos: Die Details

Nach deutschem Erbrecht ($ 1922 Abs. 1 BGB) geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf die Erben über. Dazu gehören grundsätzlich alle Rechte und Rechtsverhältnisse, die einen Geldwert haben oder typischerweise dem Vermögensbereich zuzuordnen sind.

Ein Nutzungsvertrag für ein Social-Media-Konto, wie bei Facebook, ist ein solcher Vertrag. Obwohl der Nutzer in der Regel kein Geld für die Nutzung des Kontos bezahlt, erlaubt er dem Betreiber, auf seine Daten zuzugreifen. Diese Daten werden dann für Werbung genutzt, was dem Betreiber Einnahmen verschafft. Das Bereitstellen des Kontos ermöglicht zudem den Versand von Nachrichten, Fotos und Videos, was vergleichbar ist mit dem Sparen von Portokosten für Briefe. Daher hat dieser Nutzungsvertrag einen Vermögenswert.

Der BGH sah darin keinen rein persönlichen Vertrag, der nicht vererbbar wäre. Er argumentierte, dass die Leistungen des Betreibers (Inhalte zu übermitteln und zugänglich zu machen) eher technischer Natur sind. Auch wenn ein Konto viele persönliche Inhalte enthält, ist das gesamte Vertragsverhältnis nicht ausschließlich durch höchstpersönliche Zwecke geprägt.

Der digitale Nachlass – Was passiert mit unseren Online-Daten nach dem Tod?


Persönlichkeitsrechte Dritter: Kein Hindernis für den Zugang

Ein häufiges Argument gegen die Vererbbarkeit ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte von Kommunikationspartnern, die möglicherweise sehr persönliche oder intime Nachrichten über das Konto ausgetauscht haben. Allerdings gehören nach deutschem Recht auch private Schriftstücke wie Briefe, die der Verstorbene erhalten hat, zum Nachlass und dürfen von den Erben gelesen werden.

Der BGH hat entschieden, dass dies auch für digitale Kommunikation gilt. Er begründete dies damit, dass Nutzer eines sozialen Netzwerks wissen, dass sie nach dem Versenden einer Nachricht die Kontrolle darüber verlieren, wer die Nachricht letztendlich liest. Man gibt die Verfügungsgewalt über die Nachricht auf. Der BGH betonte, dass der Nutzer damit rechnen muss, dass der Kommunikationspartner verstirbt und Dritte das Konto erben könnten. Diese Sichtweise ist umstritten, da viele Nutzer davon ausgehen, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt.


Was die Erben vom Online-Betreiber verlangen können

Die Erben treten vollständig in die rechtlichen Beziehungen ein, die zwischen dem Verstorbenen und dem Online-Betreiber bestanden. Das bedeutet, dass sie den Zugang zum gesamten Konto des Verstorbenen verlangen können. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Konto selbst und seinem Inhalt.

Wenn die Erben das Passwort nicht haben, können sie vom Online-Betreiber verlangen, dass dieser ihnen die nötigen Informationen gibt oder das Passwort zu ihren Gunsten zurücksetzt. Es ist auch unerheblich, ob die Nachrichten rein privat oder sogar intimer Natur sind; die Erben haben das Recht, sie einzusehen. Eine Unterscheidung nach dem Inhalt wäre in der Praxis auch kaum umsetzbar.

Der BGH hat klargestellt, dass die Erben vollständigen Zugang zum Benutzerkonto haben müssen. Es reicht nicht aus, ihnen lediglich einen USB-Stick mit den gespeicherten Nachrichten zu übergeben. Der Online-Betreiber hat die Möglichkeit, das Konto umzubenennen, um kenntlich zu machen, dass es nicht mehr vom ursprünglichen Nutzer verwendet wird.

Ob die Erben das Konto des Verstorbenen aktiv weiter nutzen dürfen, hat der BGH offen gelassen. Angesichts des persönlichen Charakters eines Kontos ist es eher unwahrscheinlich, dass dies erlaubt ist. Eine Weiternutzung würde wohl ein neues Vertragsverhältnis erfordern.


Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen nach dem Tod

Der sogenannte postmortale Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen steht der Vererbbarkeit des Zugangs zum Konto nicht entgegen.

Dieser Schutz greift erst dann ein, wenn der Umgang der Erben mit den im Konto gefundenen Texten und Bildern das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verletzt.

Dies könnte zum Beispiel durch die Weitergabe an Dritte oder die Veröffentlichung von Nachrichten geschehen.

Der Zugang zum Konto bedeutet also nicht, dass die Erben beliebig mit den Inhalten umgehen dürfen.

Unter Umständen können auch Dritte von den Erben verlangen, bestimmte Kommunikationsinhalte zu löschen.

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Fazit und Ausblick

Das BGH-Urteil hat für mehr Klarheit im Umgang mit dem digitalen Nachlass geschaffen, insbesondere was Social-Media-Konten betrifft.

Es zeigt, dass digitale Konten ähnlich wie physische Besitztümer vererbt werden können.

Dennoch bleiben Fragen offen, etwa zur aktiven Weiternutzung von Konten durch Erben und wie der Schutz der Privatsphäre von Kommunikationspartnern in der Praxis am besten gewährleistet werden kann.

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber in Zukunft spezifische Regelungen für den digitalen Nachlass schaffen wird, um diese komplexen Fragen umfassend zu beantworten.

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