Der gesetzliche Pflichtteil und die Pflichtteilsergänzung

Mai 13, 2025

Der gesetzliche Pflichtteil und die Pflichtteilsergänzung

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Ihr Notar und Rechtsanwalt stehe ich Ihnen gerne zur Seite, um das komplexe Thema des Pflichtteils im Erbrecht verständlich zu machen.

Oftmals wirft die Frage auf, wer nach dem Tod eines geliebten Menschen Anspruch auf einen Teil des Erbes hat, selbst wenn dieser im Testament nicht bedacht wurde.

Lassen Sie uns gemeinsam Licht ins Dunkel bringen.

Was genau ist eigentlich dieser „Pflichtteil“?

Stellen Sie sich vor, ein Mensch verstirbt und hat im Testament festgelegt, wer sein Vermögen erhalten soll.

Das ist sein gutes Recht.

Aber unser Gesetz sagt:

Bestimmte nahe Angehörige sollen trotzdem einen Anspruch auf einen Teil des Erbes haben – eben den sogenannten Pflichtteil.

Dieser ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt (§§ 2303 ff. BGB).

Es geht also darum, Kinder, Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner und unter Umständen auch die Eltern des Verstorbenen davor zu schützen, komplett leer auszugehen, selbst wenn sie im Testament nicht erwähnt wurden oder sogar ausdrücklich enterbt wurden.

Wichtig ist: Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch. Pflichtteilsberechtigte können von den Erben eine bestimmte Summe verlangen,

haben aber keinen Anspruch auf bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass, wie zum Beispiel das Familienauto oder ein Möbelstück.

Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?

Nicht jeder, der mit dem Verstorbenen verwandt war, hat automatisch einen Pflichtteilsanspruch.

Der gesetzliche Pflichtteil und die Pflichtteilsergänzung

Das Gesetz ist hier sehr klar:

Kinder und gegebenenfalls deren Enkelkinder (wenn die Kinder des Verstorbenen bereits verstorben sind).
Der Ehepartner oder der eingetragene Lebenspartner.

Die Eltern des Verstorbenen – aber nur dann, wenn der Verstorbene keine Kinder hatte.

Andere Verwandte wie Geschwister, Großeltern, Onkel, Tanten, Nichten, Neffen oder nichteheliche Lebensgefährten haben keinen Anspruch auf einen Pflichtteil.

Auch geschiedene Ehepartner oder solche, bei denen die Scheidung bereits eingeleitet war, sind nicht pflichtteilsberechtigt.

Wer muss den Pflichtteil auszahlen?

In der Regel sind die Erben diejenigen, die den Pflichtteil an die Berechtigten auszahlen müssen.

Haben mehrere Personen geerbt (eine sogenannte Erbengemeinschaft), müssen sie den Pflichtteil gemeinsam aus dem Nachlass begleichen, und zwar entsprechend ihrer jeweiligen Erbteile.

Es kann aber auch Ausnahmen geben:

Unter Umständen können auch Personen, die vom Verstorbenen zu Lebzeiten größere Schenkungen erhalten haben, zur Zahlung des Pflichtteils herangezogen werden.

Kann man den Pflichtteil verhindern oder loswerden?

Das Pflichtteilsrecht ist grundsätzlich sehr stark.

Es soll verhindern, dass nahe Angehörige ungewollt enterbt werden und ohne finanzielle Absicherung dastehen.

Dennoch gibt es in wenigen Ausnahmefällen Möglichkeiten, den Pflichtteil auszuschließen oder zu entziehen:

Wenn der Pflichtteilsberechtigte sich so schwerwiegend gegen den Verstorbenen oder seine nahen Angehörigen verfehlt hat (z.B. durch eine schwere Straftat).

Wenn der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten des Verstorbenen notariell auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.

Der gesetzliche Pflichtteil und die Pflichtteilsergänzung

In sehr seltenen Fällen, wenn der Verstorbene im Testament bestimmte Beschränkungen zum Schutz des Erbes vor Verschwendung angeordnet hat.

Wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft ausschlägt (hier gibt es aber Besonderheiten, insbesondere für Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft).

Eine einfache „Enterbung aus Bauchgefühl“ reicht also nicht aus, um den Pflichtteil zu verhindern.

Wie wird der Pflichtteil berechnet?

Die Berechnung des Pflichtteils ist etwas komplizierter, lässt sich aber in drei Schritten erklären:

Wert des Nachlasses ermitteln:

Zuerst wird der Wert des gesamten Vermögens des Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes festgestellt. Davon werden Schulden und Kosten für die Beerdigung abgezogen.

Auch Schenkungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten gemacht hat, können hier eine Rolle spielen.

Gesetzliche Erbquote festlegen:

Dann wird geschaut, wer nach dem Gesetz Erbe geworden wäre, wenn es kein Testament gegeben hätte.

Die Pflichtteilsquote leitet sich von dieser sogenannten gesetzlichen Erbquote ab.

Pflichtteilsquote halbieren:

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote.

Ein Beispiel:

Wenn ein Verstorbener zwei Kinder hinterlässt und kein Testament hat, würde jedes Kind die Hälfte (1/2) erben.

Wurde eines der Kinder enterbt, hat es dennoch einen Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe der Hälfte seiner gesetzlichen Erbquote, also 1/4 des Nachlasswertes.

Der gesetzliche Pflichtteil und die Pflichtteilsergänzung

Besonders kompliziert kann die Berechnung beim überlebenden Ehepartner sein, da hier der Güterstand (z.B. Zugewinngemeinschaft) eine wichtige Rolle spielt.

Hier ist es oft ratsam, sich rechtlichen Rat einzuholen.

Welche Rechte hat der Pflichtteilsberechtigte gegenüber den Erben?
Wer einen Pflichtteilsanspruch hat, hat auch bestimmte Rechte gegenüber den Erben:

Auskunftsanspruch:

Der Pflichtteilsberechtigte kann von den Erben verlangen, dass sie ihm detailliert Auskunft über den gesamten Nachlass geben (alle Vermögenswerte und Schulden).

Wertermittlungsanspruch:

Unter Umständen kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass der Wert bestimmter Nachlassgegenstände (z.B. durch einen Sachverständigen) ermittelt wird.

Nachlassverzeichnis:

Die Erben müssen ein vollständiges Verzeichnis aller Vermögenswerte und Schulden des Nachlasses erstellen.

Unter Umständen müssen sie die Richtigkeit dieser Angaben sogar eidesstattlich versichern.

Was ist der Unterschied zum Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Neben dem „normalen“ Pflichtteil gibt es noch den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Dieser kommt ins Spiel, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten Vermögen verschenkt hat, um den Pflichtteil zu schmälern.

In solchen Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen einen zusätzlichen Anspruch gegen die Erben haben, um den Wert dieser Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen.

Allerdings werden Schenkungen, die mehr als zehn Jahre vor dem Tod des Verstorbenen erfolgt sind, in der Regel nicht mehr berücksichtigt.

Mehrere Pflichtteilsberechtigte

Es kann natürlich vorkommen, dass es mehrere Personen gibt, die einen Pflichtteilsanspruch haben, beispielsweise mehrere Kinder. Jeder dieser Ansprüche wird unabhängig von den anderen betrachtet.

Stundung, Fristen und Verjährung

Die Erben können unter bestimmten Umständen eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs verlangen, wenn die sofortige Auszahlung eine unzumutbare Härte darstellen würde

(z.B. wenn dafür das Familienheim verkauft werden müsste).

Wichtig ist auch die Frist:

Der Pflichtteilsanspruch verjährt in der Regel nach drei Jahren.

Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Erbfall eingetreten ist und der Pflichtteilsberechtigte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat.  

Ich hoffe, diese Ausführungen haben Ihnen geholfen, das Thema Pflichtteil etwas besser zu verstehen.

Da jeder Erbfall einzigartig ist und es viele Besonderheiten geben kann, empfehle ich Ihnen, sich bei konkreten Fragen oder Unsicherheiten frühzeitig fachlichen Rat einzuholen.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr

Rechtsanwalt und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

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