Der Mehrheitsbeschluss in der Bruchteilsgemeinschaft

Juni 19, 2025

Der Mehrheitsbeschluss in der Bruchteilsgemeinschaft

RA und Notar Krau

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. April 2025 – II ZR 47/24

LG Darmstadt, Urteil vom 19.07.2022 – 17 O 149/21
OLG Frankfurt, Urteil vom 19.01.2024 – 24 U 155/22

Stellen Sie sich vor, mehrere Leute besitzen zusammen etwas, zum Beispiel ein Haus oder ein Parkhaus. Das nennt man eine Bruchteilsgemeinschaft. Wenn es um Entscheidungen geht, wie dieses gemeinsame Eigentum verwaltet wird, können die Eigentümer per Mehrheitsbeschluss entscheiden.

Das Gesetz (genauer gesagt, Paragraf 745 des Bürgerlichen Gesetzbuches, BGB) setzt hierfür bestimmte Grenzen:

  • Grenzen der Mehrheit (Absatz 1 und 3): Ein Mehrheitsbeschluss muss sich im Rahmen einer sogenannten ordnungsgemäßen Verwaltung bewegen. Das bedeutet, die Entscheidung muss vernünftig sein und darf das gemeinsame Eigentum nicht wesentlich verändern (zum Beispiel die äußere Form oder den ursprünglichen Zweck). Wenn diese Grenzen eingehalten werden, ist der Beschluss gültig.
  • Keine nachträgliche Kontrolle auf „Fairness“ (Absatz 2): Wenn ein Mehrheitsbeschluss gültig ist und sich die Umstände nicht geändert haben, kann man ihn nicht nachträglich vor Gericht anfechten, nur weil er einem nicht „fair“ genug erscheint. Das Gesetz gibt der Mehrheit einen weiten Spielraum für Entscheidungen.

Der Fall mit dem Parkhaus:

In einem konkreten Fall ging es um ein Parkhaus, das vielen Eigentümern gehörte. Die Kosten für die Instandhaltung des Parkhauses wurden ursprünglich nach den Anteilen der Eigentümer verteilt.

Ein Eigentümer, der die Mehrheit der Anteile besaß, beschloss zusammen mit einem weiteren Eigentümer, die Kostenverteilung zu ändern. Sie wollten, dass die Kosten für die Tiefgaragenplätze nur noch von den Besitzern der Tiefgaragenplätze getragen werden und die Kosten für die oberirdischen Stellplätze nur von deren Besitzern. Das Problem war, dass die Mehrheit der Anteile dem Eigentümer mit den oberirdischen Stellplätzen gehörte, während die aufwendigen Reparaturen die Tiefgarage betrafen.

Die anderen Eigentümer, die die Tiefgaragenplätze besaßen, waren damit nicht einverstanden und klagten. Sie wollten, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird und die ursprüngliche Kostenverteilung beibehalten wird.

Der Mehrheitsbeschluss in der Bruchteilsgemeinschaft


Was die Gerichte entschieden haben:

  • Landgericht Darmstadt und Oberlandesgericht Frankfurt: Beide Gerichte gaben den klagenden Eigentümern Recht. Das Oberlandesgericht meinte, die Änderung der Kostenverteilung sei eine „wesentliche Veränderung“ des Parkhauses und hätte deshalb nicht per Mehrheitsbeschluss erfolgen dürfen. Außerdem prüfte es, ob die Änderung dem „Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen“ entspricht.
  • Bundesgerichtshof (BGH): Der BGH sah das anders und hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf.

Die Begründung des BGH (einfach erklärt):

  1. Keine wesentliche Veränderung: Der BGH stellte klar, dass eine Änderung der Kostenverteilung für Reinigung und Instandhaltung keine „wesentliche Veränderung“ des Parkhauses darstellt. Das Parkhaus wird ja weiterhin als Parkhaus genutzt, seine äußere Form oder sein Zweck ändern sich nicht.
  2. Keine nachträgliche „Fairness“-Kontrolle: Der BGH betonte, dass ein wirksamer Mehrheitsbeschluss nicht nachträglich daraufhin überprüft werden kann, ob er „billigem Ermessen“ entspricht, solange die Entscheidung sich im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung bewegt und keine wesentliche Veränderung darstellt. Das Gesetz gibt der Mehrheit hier einen weiten Entscheidungsspielraum. Es ist nicht die Aufgabe eines Gerichts, die Entscheidung der Mehrheit zu ersetzen, nur weil eine Minderheit eine andere Regelung bevorzugt hätte.
  3. Was bedeutet „ordnungsgemäße Verwaltung“? Das sind alle Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung vernünftig erscheinen. Die Minderheit muss solche Entscheidungen hinnehmen, auch wenn sie sich etwas anderes gewünscht hätte, solange die Entscheidung nicht gegen die Grenzen des Gesetzes verstößt.

Ergebnis des BGH:

Der BGH hat den Fall an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob die beschlossene Änderung der Kostenverteilung überhaupt einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Wenn ja, ist der Mehrheitsbeschluss gültig und die klagenden Eigentümer müssen ihn akzeptieren, auch wenn sie ihn als unfair empfinden.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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