Der noch nicht gezeugte Erbe und die Erbfähigkeit
Wir haben bei dem Rechtstipp zum Nasciturus erfahren, dass auch erben kann, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht geboren aber bereits gezeugt ist.
Wie ist es aber mit einem Erbe, wenn der vorgesehene Erbe noch gar nicht gezeugt ist? Als Rechtsanwalt und Notar Krau erkläre ich Ihnen heute, wie das deutsche Recht damit umgeht.
Ganz einfach: Nur wer zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits existiert, kann direkt Erbe werden. Das bedeutet: Wer noch nicht geboren – oder noch nicht einmal gezeugt – ist, kann nicht sofort das Erbe antreten. Das klingt logisch, oder? Aber es gibt eine clevere Ausnahme, die das Gesetz hier vorsieht.
Stellen Sie sich vor, Sie möchten, dass Ihre zukünftigen Enkelkinder erben, die vielleicht noch gar nicht geboren sind. Das geht! Sie können solche noch nicht gezeugten Personen als Nacherben einsetzen.
Was bedeutet das? Zuerst erbt jemand anderes, der sogenannte Vorerbe. Oft sind das die gesetzlichen Erben, also zum Beispiel die Kinder des Verstorbenen. Dieser Vorerbe verwaltet das Erbe. Sobald dann die Person, die Sie als Nacherben bestimmt haben, geboren wird, bekommt sie das Erbe vom Vorerben. Das ist ein bisschen wie ein Staffelstab, der weitergegeben wird. Das Gesetz geht übrigens davon aus, dass es sich um eine Nacherbeneinsetzung handelt, wenn Sie eine noch nicht gezeugte Person als Erben benennen.
Damit das Erbe für den noch ungeborenen Nacherben gut verwaltet wird, kann das Gericht sogar schon einen speziellen Pfleger bestellen. Dieser Pfleger kümmert sich um die zukünftigen Ansprüche des Nacherben, bis dieser dann tatsächlich geboren ist. Eine kluge Vorkehrung, um die Interessen des noch ungeborenen Erben zu schützen!
Neben dem Erbe gibt es auch das Vermächtnis. Das ist ein bestimmter Gegenstand oder ein Geldbetrag, den jemand aus dem Nachlass bekommen soll, ohne direkter Erbe zu sein. Auch hier gilt: Ein Vermächtnis ist gültig, selbst wenn der Begünstigte bei Ihrem Tod noch nicht gezeugt wurde. Aber auch hier bekommt derjenige das Vermächtnis erst ausgezahlt, wenn er geboren ist. Bis dahin „ruht“ der Anspruch quasi.
Das deutsche Erbrecht denkt also sehr vorausschauend. Es ermöglicht uns, auch für Menschen vorzusorgen, die zum Zeitpunkt unseres Todes noch gar nicht auf der Welt sind. Es zeigt, dass das Recht die Möglichkeit schafft, auch in die ferne Zukunft zu blicken und Wünsche für kommende Generationen festzulegen.
Zusammenfassung
Der noch nicht gezeugte Erbe ist nicht erbfähig. Aber über die Anordnung der Nacherbschaft oder von Vermächtnissen kann auch er bedacht werden.
Mit freundlichen Grüßen,