Die Ausschlagung unter Pflichtteilsvorbehalt im Erbrecht
RA und Notar Krau
Die Ausschlagung einer Erbschaft unter Vorbehalt des Pflichtteils war und ist ein komplexes Thema im deutschen Erbrecht, das durch Gesetzesänderungen und vielfältige Auslegungsfragen geprägt ist. Besonders vor der Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB führte die schwierige Unterscheidung, ob der Erbteil größer oder kleiner als der Pflichtteil war, zu Unsicherheiten.
Erben versuchten oft, sich durch entsprechende Zusätze in der Ausschlagungserklärung ihre Pflichtteilsrechte zu sichern.
Mit der Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB wurde diese Problematik entschärft, da dem Ausschlagenden nun in jedem Fall sein Pflichtteil verbleibt. Dennoch bleibt die Ausschlagung unter Pflichtteilsvorbehalt in anderen Konstellationen relevant, beispielsweise nach den §§ 2309, 2333 ff., 2345 Abs. 2, 2349 BGB.
Auch für Ehegatten behält ein solcher Vorbehalt gemäß § 1371 Abs. 3 BGB seine Bedeutung, insbesondere wenn Unklarheit über den anzuwendenden Güterstand oder die Auslegung einer Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag besteht.
Von der unzulässigen Bedingung des Pflichtteilserhalts ist die Unzulässigkeit der Beschränkung der Annahme oder Ausschlagung auf einen Erbteil nach § 1950 BGB zur Erlangung des Pflichtteils zu unterscheiden.
Die Frage, wie eine Ausschlagung unter Pflichtteilsvorbehalt auszulegen ist und ob sie wirksam sein kann, ist nach wie vor aktuell. Oft wird der Vorbehalt nicht ausdrücklich geäußert und bleibt als bloßer innerer Vorbehalt nach § 116 S. 1 BGB unbeachtlich.
Selbst wenn er dem Nachlassgericht bekannt sein sollte, mangelt es meist an der nach § 1945 Abs. 1 BGB erforderlichen Form. Ist die Form ausnahmsweise gewahrt, kann der Pflichtteilsvorbehalt als bloßes Motiv unbeachtlich sein, wenn der unbedingte Ausschlagungswille eindeutig aus der Erklärung hervorgeht.
Dies gilt insbesondere, wenn der Erhalt des Pflichtteils aufgrund der Ausnahmeregelungen des § 1371 Abs. 3 oder § 2306 BGB als Beweggrund genannt wird.
Erklärungen, die den tatsächlichen Erhalt des Pflichtteils zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Ausschlagung machen, sind als echte Bedingungen unwirksam. Sie hängen von einem ungewissen Ereignis ab, nämlich der Erfüllungshandlung des Erben, und führen zu einem unerwünschten Schwebezustand.
Teilweise wird argumentiert, es handele sich um eine Gegenwartsbedingung, da der Pflichtteilsanspruch zum Zeitpunkt der Ausschlagung bereits feststehe. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden, da die Entstehung des Pflichtteils nicht objektiv feststehen muss und vom Verhalten Dritter (z.B. Miterben) oder einer möglichen Pflichtteilsunwürdigkeit abhängen kann.
Zudem ist die Wirksamkeit der Ausschlagung Voraussetzung für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nach § 1371 Abs. 2, Abs. 3 und § 2306 Abs. 1 BGB, wodurch erst der Pflichtteilsvorbehalt den zu vermeidenden Schwebezustand verursacht.
Die Annahme eines zur Nichtigkeit führenden inneren Widerspruchs (Perplexität) führt ebenfalls zu einem nicht hinnehmbaren Schwebezustand, da auch hier die Wirksamkeit der Ausschlagung von der intendierten Rechtsfolge (Erhalt des Pflichtteils) abhängt. Eine Ausschlagung nur für den Fall, dass der Erklärende seinen Pflichtteil erhält, ist daher stets unwirksam und führt nach Ablauf der Ausschlagungsfrist zur Annahme der Erbschaft.
Dies gilt auch für eine Ausschlagung der Erbschaft unter dem Vorbehalt, den vollen Pflichtteil und nicht nur den Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB zu erlangen. Eine Ausnahme kann die Auslegung als zulässiger Vorbehalt einer späteren Ausschlagung darstellen, der noch gar nicht als Ausschlagungserklärung zu verstehen war.
Erklärt der Erbe eine beschränkte oder beschwerte Erbschaft anzunehmen und äußert den Vorbehalt, dies nur unter der Bedingung zu tun, dass er zumindest den Pflichtteil erhält, liegt eine unwirksame Annahmeerklärung vor.
Will ein Erbe die Erbschaft ausschlagen, aber ein ihm testamentarisch zugewandtes Vorausvermächtnis annehmen, so läuft die Annahme ins Leere, wenn sich nachträglich herausstellt, dass es sich um eine Teilungsanordnung handelte.
Eine Ausschlagung der Erbschaft unter dem Vorbehalt, dass es sich um ein Vermächtnis und nicht um eine Teilungsanordnung handelt, ist unwirksam, da sie genau die unsichere Rechtslage herbeiführt, die § 1947 BGB verhindern soll.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen einer unwirksamen oder wirksamen Bedingung und der Zulässigkeit einer Anfechtung. Bei der bedingten Erklärung ist sich der Erbe seiner Ungewissheit bewusst und versucht, seine Erklärung vorbehaltlich der Richtigkeit seiner Vorstellungen abzugeben.
Die Anfechtung hingegen setzt eine Erklärung voraus, die der Erbe irrtümlich in der Gewissheit ihrer Richtigkeit abgegeben hat. Ein innerer Vorbehalt oder ein der Erklärung zugrunde liegendes Motiv können hierbei zu einem beachtlichen Anfechtungsgrund führen, wobei es sich auch um einen unbeachtlichen Motiv- oder Rechtsfolgenirrtum handeln kann.
Die Komplexität der Ausschlagung unter Pflichtteilsvorbehalt zeigt, wie wichtig eine präzise und juristisch fundierte Vorgehensweise ist, um die gewünschten Rechtsfolgen zu erzielen und unerwünschte Schwebezustände zu vermeiden.