Die Bedeutung von Aufklärungsformularen bei ärztlichen Aufklärungsgesprächen
Aufsatz von den Rechtsanwälten Dr. Marcus Vogeler und Dr. Marie von Hirschheydt, NJW 2025, 1530
Besprechung von BGH Urt. v. 5.11.2024 – VI ZR 188/23
Ärztliche Aufklärungsgespräche sind ein unverzichtbarer Bestandteil medizinischer Behandlungen.
Die Autoren Marcus Vogeler und Dr. Marie von Hirschheydt erörtern die rechtliche Bedeutung von Aufklärungsformularen in diesem Kontext,
insbesondere im Lichte einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH).
Die zentrale Bedeutung der Mündlichkeit
Der BGH hat in seiner jüngsten Entscheidung die materiell-rechtliche Bedeutungslosigkeit von Aufklärungsformularen bei ärztlichen Aufklärungsgesprächen bekräftigt.
Dies geht sogar über bisherige Annahmen hinaus.
Der Fall betraf einen Patienten, der nach einer Sprunggelenksarthroskopie über Nervenschädigungen klagte.
Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass der gesamte Inhalt eines Aufklärungsbogens nicht mündlich wiederholt werden müsse.
Der BGH widersprach dem jedoch vehement: Die Aufklärung muss gemäß § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB mündlich erfolgen.
Das bedeutet, dass selbst wenn ein Patient ein Risiko im Aufklärungsformular gelesen hat, der Arzt dieses Risiko mündlich erwähnen muss.
Der BGH betont seit jeher, dass Formulare das erforderliche Aufklärungsgespräch nicht ersetzen können.
Diese gefestigte Rechtsprechung wurde mit dem Patientenrechtegesetz in § 630e BGB kodifiziert.
Ziel ist es, dem Patienten im persönlichen Gespräch die Möglichkeit zu geben, Rückfragen zu stellen und sicherzustellen, dass der Arzt etwaige Fehlvorstellungen des Patienten erkennen und korrigieren kann.
Das Formular wird demnach zu einer (bedeutungslosen) Gedächtnisstütze herabgestuft.
Während ein gesprächsbereiter Arzt auch nach dem Selbststudium eines Bogens Rückfragen zulassen könnte,
argumentiert der BGH, dass der Patient vor der ordnungsgemäßen Aufklärung noch nicht als selbstbestimmtes Subjekt angesehen werden kann.
Trotz der geringeren materiell-rechtlichen Bedeutung entbindet die Entscheidung den Arzt nicht von der Prüfung des Inhalts des Aufklärungsbogens, für den er weiterhin verantwortlich bleibt.
Ein inhaltlich falsches Formular kann dem Arzt haftungsrechtlich zugerechnet werden, wenn er eine dadurch hervorgerufene Fehlvorstellung des Patienten nicht aufklärt.
Obwohl der BGH es ins Ermessen des Arztes stellt, auf textliche Informationen als Vertiefung oder Gedächtnisstütze Bezug zu nehmen,
weisen die Autoren darauf hin, dass dies bei komplexen Eingriffen zu einer Pflicht werden dürfte.
Hier wird die Verwendung von Merkblättern als unverzichtbar angesehen, um ein Detailverständnis zu ermöglichen und eine Vielzahl von Informationen zu verarbeiten.
Unabhängig davon besteht eine organisatorische Pflicht, eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen,
was in der Praxis oft durch die Prüfung der Unterschrift auf dem Aufklärungsformular vor dem Eingriff geschieht.
Dies führt mittelbar zu einem Zwang zur Nutzung der Formulare aus rein organisatorischen Gründen.
Eine zentrale Rolle spielen die unterzeichneten Aufklärungsbögen bei der Beweisführung durch den Arzt gemäß § 630h Abs. 2 BGB.
Der BGH stellt keine übertriebenen Anforderungen an den Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung.
Vielmehr darf das Gericht seine Überzeugungsbildung auf die Angaben des Arztes stützen, wenn dessen Darstellung schlüssig ist und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht wurde.
Das unterschriebene Aufklärungsformular hat hierbei eine Indizwirkung, dass überhaupt ein Aufklärungsgespräch stattfand
und kann auch für dessen Inhalt ausschlaggebend sein, insbesondere bei handschriftlichen Zusatzeinträgen.
Damit ist das Aufklärungsformular in prozessualer Hinsicht für den Arzt unerlässlich.
Die Entscheidung wirft zudem Fragen zum Schutzzweckzusammenhang auf.
Wenn ein unterzeichnetes Formular nicht beweist, dass der Patient es gelesen und verstanden hat, und das Selbststudium die mündliche Erwähnung des Risikos nicht ersetzt,
stellt sich die Frage, wie die haftungsrechtliche Zurechnung bei Formmängeln des § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu beurteilen ist.
Es müsste dargelegt werden, welchen entscheidenden Mehrwert ein persönliches Gespräch trotz Kenntnis des Risikos durch Selbststudium gehabt hätte.
Die Zulässigkeit fernmündlicher Aufklärungen wird durch die Entscheidung nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Obwohl der BGH telefonische Aufklärungen bislang auf „einfach gelagerte Fälle“ beschränkt hat, deutet die aktuelle Gesetzesbegründung des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) an,
dass § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB auch Aufklärungsgespräche mittels Telekommunikationsmitteln erlaubt.
Die entscheidende Frage wird sein, ob die technische Möglichkeit und die gesellschaftliche Akzeptanz einem persönlichen Gespräch gleichwertig sind
und der Arzt sich vom Verständnis des Patienten überzeugen kann.
Für Routinemaßnahmen hatte der BGH ursprünglich entschieden, dass eine mündliche Erläuterung der Risiken nicht immer erforderlich sei,
wenn dem Patienten nach schriftlicher Aufklärung die Möglichkeit zu weiteren Informationen im Gespräch gegeben wird.
Seit der Kodifikation der Patientenrechte in § 630e BGB ist fraglich, ob diese Rechtsprechung noch Gültigkeit hat,
da der Gesetzgeber ausdrücklich von einer Erleichterung der Aufklärung bei Routinemaßnahmen Abstand genommen hat.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Entscheidung des BGH materiell-rechtlich im Einklang mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB steht.
Die ärztliche Praxis betrachtet das Aufklärungsformular jedoch weiterhin als unverzichtbar, insbesondere für die prozessuale Beweisführung.
Die prozessuale Bedeutung kann jedoch die materiell-rechtlichen Anforderungen nicht außer Kraft setzen.
Die Entscheidung dürfte der Zulässigkeit fernmündlicher Aufklärungsgespräche nicht entgegenstehen, die Frage nach der Gültigkeit der früheren Rechtsprechung zu Routineimpfungen bleibt jedoch offen.
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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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