Die digitale Hinterlassenschaft

Oktober 7, 2025

Die digitale Hinterlassenschaft

Das digitale Erbe: Was passiert mit unseren Online-Spuren, wenn wir gehen?

Wenn jemand stirbt, bleiben nicht nur materielle Dinge zurück. In unserem digitalen Zeitalter hinterlässt fast jeder Mensch eine riesige Spur elektronischer Daten – online und offline. Von E-Mails über Social-Media-Profile bis hin zu Cloud-Speichern und Online-Abos. Diese digitalen Hinterlassenschaften stellen alle Beteiligten vor große Herausforderungen, für die es bislang kaum klare, rechtliche Lösungen gibt.

Die digitalen Geister: Unsterbliche Daten und Zugangsprobleme

Tatsache ist: Das Internet vergisst nichts. Digitale Informationen sind oft unvergänglich und können überall verstreut sein. Schätzungen zufolge sind bereits Millionen von Social-Media-Accounts von Menschen, die nicht mehr leben. Diese digitalen Spuren können zusammen ein sehr umfassendes Bild der Persönlichkeit des Verstorbenen ergeben.

Das Hauptproblem für die Hinterbliebenen ist der Zugang! Ohne die entsprechenden Passwörter bleiben die digitalen Türen meist verschlossen.

Betrachten wir kurz drei gängige Beispiele:

E-Mail-Konto: Enthält private Liebesgrüße, aber auch geschäftliche Nachrichten über Online-Verträge.

Smartphone: Gerät und Vertrag, lokale Daten, aber auch Online-Speicher.

Soziales Netzwerk: Ein persönliches Profil, das nach dem Tod weiter existiert.

Provider-Praxis: Von Löschen bis Kompliziert 🔄
Die Art und Weise, wie Internetfirmen mit den Daten ihrer verstorbenen Nutzer umgehen, ist sehr unterschiedlich und oft nicht vertraglich geregelt:

Einige Firmen geben den Erben gegen Vorlage eines amtlichen Dokuments (Erbschein) Zugang, aber nicht alle.

Manche beenden den Vertrag mit dem Tod und verweigern jeglichen Zugriff auf die Daten.

Viele löschen Accounts einfach, wenn sie eine bestimmte Zeit (z.B. 3 bis 6 Monate) inaktiv sind.

Ein großer E-Mail-Anbieter verlangt von Erben ein zweiteiliges Verfahren mit umfangreichen, notariell beglaubigten und übersetzten Dokumenten, um überhaupt zu prüfen, ob und welche Daten herausgegeben werden.

Einige große Tech-Konzerne bieten Nutzern die Möglichkeit, zu Lebzeiten festzulegen, wer nach ihrem Tod welche Daten erhält („Inactive Account Manager“).

Ein führendes soziales Netzwerk schaltet Profile in einen „Gedenkzustand“, wo sich niemand mehr einloggen kann, oder löscht sie auf Antrag von Angehörigen. Zugangsdaten werden aber weder im Gedenkzustand noch an Erben herausgegeben, um die Privatsphäre des Verstorbenen zu schützen.

Das juristische Dilemma: Erbe versus Geheimnis

In der juristischen Welt ist die Lage sehr unübersichtlich. Zwar gilt generell das Erbrecht: Das gesamte Vermögen geht auf die Erben über – dazu gehören auch Hardware, Verträge und Domain-Rechte. Aber bei den Inhalten (E-Mails, Chats) wird es kompliziert:

Zwei konträre Ansichten:

Restriktive Sichtweise:

Man müsse unterscheiden zwischen vererbbaren vermögensrechtlichen Inhalten (Verträge, Guthaben) und nicht vererbbaren höchstpersönlichen Daten (Liebes-Mails, private Chats). Letztere sollen den nächsten Angehörigen zustehen, die das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen wahren sollen. Es wird argumentiert, dass der Schutz der persönlichen Daten nicht mit dem Tod enden dürfe, da sonst schon zu Lebzeiten die Persönlichkeitsentfaltung eingeschränkt sei.

Die digitale Hinterlassenschaft

Umfassende Sichtweise:

Das gesamte Vermögen wird vererbt, solange es nicht höchstpersönliche Rechte betrifft, die mit dem Tod erlöschen. Der Erbe sei der rechtmäßige Nachfolger und solle auf alle digitalen Daten zugreifen dürfen, solange er die Würde des Verstorbenen achtet. Die Situation sei vergleichbar mit dem Erben eines Briefes, dessen Inhalt auch nicht hinterfragt wird.

Das große Problem: Das Telekommunikationsgeheimnis

E-Mail- und Kommunikationsanbieter unterliegen dem Fernmeldegeheimnis. Dieses Grundrecht schützt jede beim Provider gespeicherte E-Mail. Die Weitergabe dieser Daten an Dritte (auch Erben) ist grundsätzlich verboten und kann für den Provider sogar strafbar sein. Eine Herausgabe wäre nur erlaubt, wenn alle Kommunikationspartner (Absender und Empfänger einer Nachricht) zugestimmt hätten, was in der Praxis so gut wie nie der Fall ist.

Daher fordern Juristen, dass der Gesetzgeber dringend eine klare Regelung schaffen muss, um diesen Konflikt zwischen Erbrecht und Telekommunikationsgeheimnis aufzulösen. Ohne eine solche spezialgesetzliche Grundlage können Provider keine E-Mails oder Chat-Inhalte an die Erben herausgeben, auch wenn es der Verstorbene testamentarisch gewünscht hat.

Was tun? Optionen für die Vorsorge

Um sich vor diesen Unklarheiten zu schützen und den Hinterbliebenen zu helfen, gibt es einige Vorsorgemaßnahmen:

Testamentarische Regelung:

Das digitale Erbe sollte im Testament behandelt und ein Bevollmächtigter (digitaler Nachlassverwalter) eingesetzt werden.

Passwort-Hinterlegung:

Eine aktuelle und vollständige Liste aller Accounts und Passwörter sollte erstellt werden. Da Passwörter häufig gewechselt werden, sollte das Testament nur auf diese Liste verweisen.

Sichere Verwahrung:

Die Liste sollte an einem sicheren, aber zugänglichen Ort (z.B. Bankschließfach oder bei einem Notar) verwahrt werden, damit der Bevollmächtigte oder die Erben schnell darauf zugreifen können.

Provider-Lösungen nutzen:

Falls der Anbieter eine Funktion zur Regelung des digitalen Nachlasses bietet, sollte diese genutzt werden.

Was Erben beachten müssen

Erben stehen unter Zeitdruck. Sie müssen sich schnell einen Überblick verschaffen. Denn es drohen Haftungsrisiken (z.B. für rechtswidrige Inhalte des Verstorbenen) und Fristen (wie die 6-wöchige Frist zur Erbausschlagung). Da der Anspruch auf Datenherausgabe oft scheitert, ist eine umfassende Vorsorge des Verstorbenen (z.B. durch hinterlegte Passwörter) für die Erben unerlässlich.

Fazit:

Die digitale Hinterlassenschaft ist ein ungelöstes juristisches Feld. Um Rechtssicherheit zu erlangen, ist gesetzliche Klarheit nötig. Bis dahin ist persönliche Vorsorge der wichtigste Schutz für den eigenen digitalen Nachlass.

RA und Notar Krau

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