Die Erbteilserhöhung im Rahmen der gewillkürten Erbfolge in analoger Anwendung des § 1935
Wenn ein Erbe wegfällt: Was passiert mit seinem Anteil?
Haben Sie sich schon einmal gefragt, was mit einem Erbe passiert, wenn jemand, der eigentlich bedacht werden sollte, plötzlich nicht mehr erben kann oder will? Das deutsche Erbrecht hat hierfür klare Regeln, die aber für Laien oft schwer verständlich sind. Als Rechtsanwalt und Notar Krau möchte ich Ihnen heute erklären, wie in solchen Fällen die Erbteile neu verteilt werden – und das in einer Sprache, die jeder versteht.
Stellen Sie sich vor, der Erblasser (die Person, die etwas vererbt) hat in seinem Testament mehrere Personen bedacht. Wenn nun eine dieser Personen ausfällt – sei es, weil sie vor dem Erblasser verstirbt, das Erbe ausschlägt oder aus anderen Gründen nicht erben kann – stellt sich die Frage: Was geschieht mit ihrem Anteil?
Im deutschen Recht gibt es in solchen Situationen oft eine sogenannte „Erbteilserhöhung“. Das bedeutet, der Anteil des weggefallenen Erben geht nicht etwa an den Staat oder wird anderweitig verteilt, sondern erhöht die Anteile der verbleibenden Erben. Es ist, als würde ein Kuchen in weniger Stücke geteilt, sodass die übrigen Stücke größer werden.
Das Gesetz sieht für den Fall, dass ein gesetzlicher Erbe wegfällt, eine klare Regelung vor (§ 1935 BGB). Doch was ist, wenn der Erblasser selbst in seinem Testament (gewillkürte Erbfolge) festgelegt hat, wer erben soll? Auch hier greifen ähnliche Prinzipien:
Hat der Erblasser in seinem Testament bewusst seine gesetzlichen Erben eingesetzt und einer von ihnen fällt weg, dann erhöht sich in der Regel der Anteil der verbleibenden gesetzlichen Erben. Das Gesetz geht davon aus, dass der Erblasser in diesem Fall wollte, dass die anderen ebenfalls begünstigt werden.
Ein Vermächtnis ist eine Zuwendung, die jemandem einen bestimmten Gegenstand oder Geldbetrag aus dem Nachlass zukommen lässt, ohne ihn zum Erben zu machen. Wenn der Erblasser beispielsweise seinen drei Nichten jeweils ein bestimmtes Schmuckstück vermacht hat und eine Nichte verstirbt vor oder nach dem Erbfall, wachsen die Anteile der verbleibenden Nichten. Das bedeutet, die anderen Nichten erhalten dann auch das Schmuckstück der verstorbenen Nichte. Auch hier greift eine Art „Anwachsung“, also eine automatische Erhöhung der Anteile der Übriggebliebenen. Der Erblasser kann dies aber in seinem Testament anders regeln.
Sind mehrere Personen im Testament als Erben eingesetzt und einer von ihnen fällt weg, dann wächst dessen Erbteil den übrigen Erben entsprechend ihrer Anteile an. Auch hier gilt: Hat der Erblasser nichts anderes bestimmt, dann wird der „Kuchen“ unter den Verbleibenden neu aufgeteilt. Dabei kann es auch sein, dass der Erblasser in seinem Testament eine Anwachsung ganz ausschließt oder nur für einen Teil des Erbes regelt.
Manchmal verfügt ein Erblasser in seinem Testament nur über einen Teil seines Vermögens und setzt beispielsweise jemanden nur zu einem bestimmten Bruchteil als Erben ein. Wenn dieser testamentarische Erbe nun wegfällt und es keine andere testamentarische Regelung gibt, greift oft wieder die gesetzliche Erbfolge für diesen nicht geregelten Teil. Das bedeutet, der Anteil des weggefallenen testamentarischen Erben erhöht dann den Anteil der gesetzlichen Erben.
Die Regeln zur Erbteilserhöhung und Anwachsung sind entscheidend, um sicherzustellen, dass der letzte Wille des Erblassers so weit wie möglich erfüllt wird und keine „Lücken“ im Erbrecht entstehen. Sie sorgen dafür, dass das Erbe sinnvoll verteilt wird, auch wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten.
Wenn Sie Fragen zu Ihrem Testament haben oder sich unsicher sind, wie Ihr Nachlass im Falle eines Wegfalls eines Erben behandelt würde, zögern Sie nicht, uns anzusprechen. Eine vorausschauende Planung kann viele Probleme vermeiden und Ihren Erben Klarheit verschaffen.
Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau