Die Veräußerung von Grundstücken durch eine Erbengemeinschaft
Aufsatz von Prof. Dr. Christina Eberl-Borges, NJW 2020, 3137
Der Beitrag von Prof. Dr. Christina Eberl-Borges beleuchtet die komplexe Frage, ob eine Mehrheit der Erben innerhalb einer Erbengemeinschaft
ein Nachlassgrundstück ohne die Zustimmung aller Miterben veräußern kann und ob das Grundbuchamt eine entsprechende Eigentumsumschreibung vornimmt.
Die Autorin analysiert die rechtlichen Grundlagen der Handlungsorganisation der Erbengemeinschaft und die strengen Nachweisvorschriften des Grundbuchrechts,
um einen möglichen Weg für eine Veräußerung durch die Erbenmehrheit aufzuzeigen.
Die Verwaltung des Nachlasses in einer Erbengemeinschaft ist in § 2038 BGB geregelt und kennt drei Stufen: die ordnungsmäßige Verwaltung als Mehrheitsverwaltung (§§ 2038 II, 745 I BGB),
die außerordentliche Verwaltung als Gemeinschaftsverwaltung (Einstimmigkeit nach § 2038 I 1 BGB) und die Notverwaltung als Einzelverwaltung (§ 2038 I 2 BGB).
Demgegenüber verlangt § 2040 I BGB für Verfügungen über Nachlassgegenstände grundsätzlich Einstimmigkeit.
Die herrschende Meinung geht jedoch über eine rein wortlautgetreue Auslegung hinaus.
Nach der Rechtsprechung des BGH umfasst die „gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses“ (§ 2038 I BGB) auch Verfügungen über Nachlassgegenstände.
Daraus wird teilweise gefolgert, dass auch für Verfügungen das Mehrheitsprinzip der ordnungsmäßigen Verwaltung gelten könnte.
Ob § 2040 I BGB als spezielle Norm für Verfügungen generell vorgeht oder § 2038 BGB als spezielle Norm für Verfügungen im Rahmen der Verwaltung,
insbesondere bei Übereignungen, ist jedoch in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.
Klarheit besteht bislang nur bei der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen, wo der BGH entschieden hat, dass im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung § 2038 II 1 iVm § 745 BGB dem § 2040 I BGB vorgeht.
Diese Rechtsprechung stützt sich maßgeblich darauf, dass eine Erbenmehrheit im Rahmen der Nachlassverwaltung verbindliche Verträge mit Dritten abschließen kann.
Der BGH hat diese Linie bislang nur auf die Einziehung einer Forderung übertragen, wenn ein Miterbe die Mehrheit der Erbteile innehat.
Die Literatur befürwortet inzwischen mehrheitlich, dass das Handlungsregime des § 2038 BGB generell auch für Verfügungen im Rahmen der Nachlassverwaltung gelten sollte, vor allem aus Praktikabilitätsgründen.
Andernfalls müsste die Zustimmung blockierender Miterben aufwendig eingeklagt werden.
Selbst wenn eine Veräußerung durch Erbenmehrheit materiell-rechtlich als wirksam angesehen wird, stellt das Grundbuchrecht mit seinen strengen Nachweisvorschriften (§§ 19, 20, 29 GBO) eine Hürde dar.
Das Grundbuchamt verlangt für die Eigentumsumschreibung die Auflassung der materiell Berechtigten, nachzuweisen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde.
Das OLG München hat in einem Fall die Zurückweisung eines Antrags auf Eigentumsumschreibung bestätigt,
bei dem ein Miterbe aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses ein Grundstück veräußert hatte, ohne dass alle Miterben an der Auflassung mitwirkten.
Das Gericht ließ die Frage der materiellen Wirksamkeit der Verfügung offen, bemängelte aber den fehlenden Nachweis für ein Handeln im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.
Hierfür wären der Nachweis des Mehrheitsbeschlusses und dessen Ordnungsmäßigkeit erforderlich gewesen.
Die notarielle Übertragungsurkunde beurkundet jedoch nicht die Beschlussfassung selbst, und für die Bewertung der Ordnungsmäßigkeit fehlten öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden.
Der Nachweis eines Mehrheitsbeschlusses könnte durch eine notarielle Beurkundung erfolgen.
Die Mehrheitsverhältnisse lassen sich durch einen gemeinschaftlichen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis nachweisen.
Das eigentliche Problem bleibt der Nachweis der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung.
Das Gesetz definiert die ordnungsmäßige Verwaltung nicht explizit. Sie muss der Beschaffenheit des Nachlasses entsprechen,
den Interessen aller Miterben nach billigem Ermessen dienen und darf keine wesentliche Veränderung des Nachlasses darstellen (§ 2038 II 1 iVm § 745 I, III 1 BGB).
Teilweise wird auch die Erforderlichkeit als weiteres Kriterium genannt.
Die Kriterien der Beschaffenheit des Nachlasses und der Interessen aller Miterben bieten nur eine begrenzte Einschränkung der Mehrheitsmacht.
Eine wesentliche Veränderung des Nachlasses, die sowohl gegenständlich als auch wertmäßig zu verstehen ist, ist jedoch ausgeschlossen.
Bei Grundstücken bedeutet dies, dass die Veräußerung des einzigen Grundstücks im Nachlass eine wesentliche Veränderung darstellt, während die Veräußerung eines von mehreren Grundstücken bei
gleichbleibendem Wert des Nachlasses in der Regel als bloße Umstrukturierung und somit als ordnungsmäßige Verwaltung angesehen werden kann.
Die herrschende Meinung geht jedoch davon aus, dass im Grundbuchverfahren kein Nachweis über die Voraussetzungen ordnungsmäßiger Verwaltung möglich ist.
Das OLG München schlägt vor, gegen blockierende Miterben auf Zustimmung zur Auflassung zu klagen, wobei der gerichtliche Titel die fehlende Willenserklärung ersetzt (§ 894 ZPO).
§ 29 I 1 GBO kennt Ausnahmen, und die Rechtsprechung hat weitere zugelassen, insbesondere wenn der Nachweis bestimmter Tatsachen durch öffentliche Urkunden kaum möglich ist.
In solchen Fällen können allgemeine Erfahrungssätze und unter Umständen eine eidesstattliche Versicherung herangezogen werden.
Das OLG München hat in einem Fall die Vertretungsmacht eines Bürgermeisters anhand der Geschäftsordnung der
Gemeinde und des geringen Betrags des Rechtsgeschäfts bejaht, da die maßgeblichen Umstände kaum in der Form des § 29 GBO nachweisbar gewesen wären.
Diese Grundsätze lassen sich auf die Erbengemeinschaft übertragen.
Zwar sind Grundstücksübertragungen in der Regel keine unbedeutenden Geschäfte, aber die Erbenmehrheit hat einen größeren Handlungsspielraum als ein einzelner Bürgermeister.
Entscheidend ist, dass die Veräußerung keine wesentliche Veränderung des Nachlasses darstellt.
Dies könnte durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nachgewiesen werden, aus dem hervorgeht, dass mehrere Grundstücke vorhanden sind.
Dass bei einer Veräußerung ein adäquater Gegenwert in den Nachlass fließt, kann durch einen Erfahrungssatz untermauert werden,
ergänzt durch Wertangaben im Nachlassverzeichnis und den genannten Kaufpreis im Mehrheitsbeschluss.
Die Möglichkeit der Klage gegen blockierende Miterben sollte nicht als zwingender Weg angesehen werden, da dies dem Ziel der Entwicklung einer handlungsfähigen Erbengemeinschaft entgegensteht.
Auch eine Erbenmehrheit kann im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung die Eigentumsumschreibung eines Nachlassgrundstücks erreichen,
ohne die Zustimmung überstimmter Miterben einklagen zu müssen, sofern die erforderlichen Urkunden vollständig vorgelegt werden:
Ein notariell beurkundeter Beschluss über die Grundstücksveräußerung.
Ein gemeinschaftlicher Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis zum Nachweis der Mehrheitsverhältnisse.
Ein notarielles Nachlassverzeichnis, das das Vorhandensein mehrerer Grundstücke belegt und somit die Veräußerung als Umschichtung im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung darstellt.
Die Eintragungsbewilligung und die Auflassung in der erforderlichen Form.
Dieser Weg erspart einen zeitaufwendigen Prozess und ermöglicht es der Erbenmehrheit, handlungsfähig zu bleiben, insbesondere
wenn einzelne Miterben durch Blockadehaltung versuchen, ihre Interessen durchzusetzen.
Der Minderheitenschutz bleibt gewahrt, da überstimmte Miterben die Möglichkeit haben, gegen die Eigentumsübertragung zu klagen
und eine einstweilige Verfügung zur Eintragung eines Veräußerungsverbots zu beantragen.
Der hier vorgeschlagene Ansatz verbessert somit die Handlungsorganisation der Erbengemeinschaft entscheidend.