Die versicherten Reiserücktrittsgründe
Amtsgericht München, Urteil vom 30. August 2016 – 159 C 5087/16
Es geht um die Frage, unter welchen Umständen eine Reiserücktrittsversicherung zahlen muss, wenn eine Reise wegen Krankheit storniert wird, insbesondere wenn die Krankheit bereits vor der Buchung bestand (eine sogenannte Vorerkrankung).
Ein 77-jähriger Mann (der Kläger) buchte im November 2014 eine Reise nach Teneriffa für Februar 2015.
Er war über seine Kreditkarte reiserücktrittversichert.
In den Versicherungsbedingungen stand:
Versichert sind unter anderem die unerwartet schwere Erkrankung.
Nicht versichert sind bei der Reisebuchung bestehende Krankheiten und deren Folgen.
Der Mann litt seit 2006 an einer chronischen Nierenerkrankung. Diese war aber jahrelang stabil und ohne Beschwerden, weshalb er problemlos reisen konnte.
Anfang 2015, nach der Buchung, verschlechterte sich sein Zustand plötzlich (unter anderem durch eine Angina und erhöhten Blutdruck), die Nierenwerte stiegen an.
Ärzte rieten ihm dringend von der Reise ab. Er musste stornieren und es fielen Stornokosten von 923,00 Euro an.
Die Versicherung lehnte die Zahlung ab. Ihre Begründung: Die Nierenerkrankung bestand bereits bei der Buchung, und dieses Risiko sei in den Bedingungen ausgeschlossen. Nur neue Erkrankungen seien versichert.
Der Kläger klagte.
Die Entscheidung des Amtsgerichts München (Az. 159 C 5087/16)
Das Gericht gab dem Kläger recht und verurteilte die Versicherung zur Zahlung.
Die zwei Hauptargumente des Gerichts:
Die Klausel, die generell alle bei Buchung bestehenden Krankheiten und deren Folgen ausschließt, benachteiligt den Versicherten unangemessen und ist deshalb unwirksam.
Die Klausel machte keinen Unterschied, ob der Versicherte von seiner Vorerkrankung wusste oder nicht. Das Gericht sah es als unfair an, den Schutz auch für Krankheiten auszuschließen, von denen der Reisende selbst zum Zeitpunkt der Buchung nichts wusste.
Die Versicherung sagte gleichzeitig zu, bei einer „unerwartet schweren Erkrankung“ zu zahlen. Wenn man aber jede Vorerkrankung ausschließt, würde diese Zusage entwertet. Denn selbst eine unerwartete Verschlechterung einer bekannten Krankheit wäre dann nicht mehr versichert, was der ursprünglichen Zusage widerspricht.
Das Gericht stellte klar, dass „unerwartet“ nicht bedeutet, dass die Krankheit nach der Buchung komplett neu entstehen muss.
Der jahrelang stabile Zustand der chronischen Nierenerkrankung des Klägers verschlechterte sich plötzlich durch ein zufälliges Akutereignis (Angina/Bluthochdruck).
Diese plötzliche und nicht zwingend erwartete Verschlechterung einer stabilen chronischen Krankheit sah das Gericht als eine „unerwartete Erkrankung“ im Sinne der Versicherungsbedingungen an.
Das Kreditkartenunternehmen musste aufgrund der unwirksamen Klausel die Stornokosten bezahlen. Abzüglich des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts von 100,00 Euro musste die Versicherung 823,00 Euro an den Kläger zahlen.
Ist eine Klausel in der Reiserücktrittsversicherung zu weit gefasst und schließt zum Beispiel alle bekannten und unbekannten Vorerkrankungen pauschal aus, kann sie unwirksam sein. Auch die unerwartete, akute Verschlechterung einer ansonsten stabilen chronischen Krankheit kann als versicherter Grund für einen Reiserücktritt gelten, selbst wenn die Vorerkrankung bereits bestand.
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