Die Vollstreckung des Vergleiches aus dem Schlichtungsverfahren vor dem Schiedsmann
Bevor wir über die Vollstreckung sprechen, müssen wir kurz klären, was ein Schiedsvergleich überhaupt ist. Der Schiedsmann oder die Schiedsfrau ist eine ehrenamtliche Person, die in vielen Gemeinden bei kleineren Streitigkeiten im Zivilrecht (oft Nachbarschaftsstreitigkeiten) oder bei bestimmten leichten Strafsachen (Privatklagesachen, z.B. Beleidigung) als eine Art vorgerichtlicher Schlichter fungiert. Das Ziel des Schiedsverfahrens ist es, eine gütliche Einigung zu erzielen, damit die Parteien nicht vor Gericht gehen müssen.
Wenn sich die streitenden Parteien im Schlichtungstermin auf eine Lösung einigen, wird diese Einigung in einem Protokoll festgehalten, das beide Parteien unterschreiben. Diese Vereinbarung nennt man den Vergleich oder Schiedsvergleich.
Der große Vorteil eines ordnungsgemäß geschlossenen Schiedsvergleichs ist seine Rechtsverbindlichkeit. Er ist kein bloßes Versprechen, sondern ein sogenannter vollstreckbarer Titel.
Stellen Sie sich einen vollstreckbaren Titel wie eine Eintrittskarte für die staatliche Zwangsvollstreckung vor. Ohne diese Eintrittskarte, kann der Staat (durch Gerichtsvollzieher, Gerichte etc.) nicht einschreiten und jemanden zwingen, eine Pflicht zu erfüllen.
Ein Gerichtsurteil ist ein solcher Titel. Und das Besondere am Schiedsvergleich ist, dass das Gesetz ihn einem gerichtlichen Vergleich oder Urteil gleichstellt. Das bedeutet: Hält sich die Gegenpartei (der sogenannte Schuldner) nicht an das, was im Vergleich vereinbart wurde, kann die andere Partei (der Gläubiger) die Erfüllung mit staatlicher Hilfe erzwingen.
Der Vergleich muss dafür einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen. Das heißt, er muss klar, eindeutig und bestimmt sein. Allgemeine Formulierungen wie „Der Nachbar soll sich zukünftig besser verhalten“ reichen nicht aus. Es muss zum Beispiel heißen: „Herr Müller verpflichtet sich, den Überhang der Äste seines Apfelbaums bis zur Grundstücksgrenze bis spätestens zum 31. Oktober um 17:00 Uhr zurückzuschneiden.“
Die Vollstreckung läuft in mehreren Schritten ab, die in der Regel nach den Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO) erfolgen:
Der Gläubiger benötigt eine spezielle Kopie des Originalprotokolls des Schiedsvergleichs, die sogenannte Ausfertigung. Diese wird von der Schiedsperson erstellt und beglaubigt. Das Original verbleibt beim Schiedsamt. Die Ausfertigung ist das Dokument, auf dem die weiteren Schritte aufbauen.
Dies ist der entscheidende Schritt. Die Vollstreckungsklausel ist ein offizieller Vermerk auf der Ausfertigung des Vergleichs. Sie bestätigt, dass die vorliegende Urkunde ein vollstreckbarer Titel ist.
Nicht der Schiedsmann, sondern das zuständige Amtsgericht (in dessen Bezirk die Schiedsperson tätig ist) erteilt die Klausel.
Der Gläubiger muss beim Amtsgericht einen Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel stellen. Dies ist ein formloser Antrag, dem die Ausfertigung des Vergleichs beizufügen ist.
Die Klausel wird durch einen Rechtspfleger des Amtsgerichts erteilt. Dabei prüft das Gericht lediglich die Formalitäten, nicht aber, ob der Vergleichsinhalt wirklich gerecht ist oder ob der Schuldner bereits gezahlt hat. Die Klausel besagt, dass die Vollstreckung „für“ den Gläubiger und „gegen“ den Schuldner stattfinden darf.
Bevor die eigentliche Zwangsvollstreckung beginnen kann, muss der Schuldner offiziell von dem vollstreckbaren Titel in Kenntnis gesetzt werden. Der Vergleich mit der nun angehefteten Vollstreckungsklausel muss dem Schuldner zugestellt werden. Dies geschieht in der Regel durch einen Gerichtsvollzieher. Oftmals wird die Zustellung bereits mit dem Beginn der eigentlichen Vollstreckung kombiniert.
Achtung: In einigen Bundesländern kann die Zwangsvollstreckung erst zwei Wochen nach der Zustellung beginnen. Das gibt dem Schuldner noch eine kurze Frist zur freiwilligen Erfüllung.
Erst wenn alle vorherigen Schritte abgeschlossen sind (Titel, Klausel, Zustellung), kann der Gläubiger die eigentliche Zwangsvollstreckung beim zuständigen Vollstreckungsorgan beantragen. Die Art der Vollstreckung hängt davon ab, was im Vergleich vereinbart wurde:
Wenn der Schuldner Geld zahlen muss, ist der Gerichtsvollzieher für die Pfändung von körperlichen Sachen (wie Wertgegenstände, Auto) zuständig. Für die Pfändung von Konten oder Lohn ist das Vollstreckungsgericht (eine Abteilung des Amtsgerichts) zuständig (mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, kurz PfÜB).
Wurde vereinbart, dass der Schuldner etwas tun (z.B. eine Hecke zurückschneiden – eine sogenannte vertretbare Handlung) oder etwas dulden soll (z.B. den Überbau eines Daches), muss oft ein Antrag beim Amtsgericht (als Prozessgericht des ersten Rechtszugs) gestellt werden. Bei einer vertretbaren Handlung kann das Gericht den Gläubiger ermächtigen, die Handlung selbst oder durch einen Dritten (z.B. einen Gärtner) auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen. Bei einer unvertretbaren Handlung (z.B. die Abgabe einer Erklärung) oder einer Duldung kann das Gericht ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft anordnen, um den Schuldner zum Einlenken zu zwingen.
Der Vergleich vor dem Schiedsmann ist kein zahnloser Papiertiger. Er hat die gleiche rechtliche Wucht wie ein Gerichtsurteil.
In den meisten Fällen kommen die Parteien ihren Pflichten aus dem Vergleich freiwillig nach.
Wenn nicht freiwillig erfüllt wird, muss der Gläubiger den formalen Weg über das Amtsgericht gehen, um die Vollstreckungsklausel zu erhalten.
Da die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung komplex ist und bei fehlerhaftem Vorgehen viel Zeit verloren gehen kann, ist es ratsam, spätestens für die Durchführung der eigentlichen Zwangsvollstreckung (Schritt 4) einen Rechtsanwalt oder eine andere Beratungsstelle hinzuzuziehen.
Die Möglichkeit, den Schiedsvergleich zu vollstrecken, ist der Grund, warum diese außergerichtliche Schlichtung so effektiv ist – sie kombiniert die schnelle, gütliche Einigung mit der späteren Möglichkeit der staatlichen Durchsetzung.