Diskriminierungsschutz von HIV-infizierten Arbeitnehmern

August 25, 2017

Diskriminierungsschutz von HIV-infizierten Arbeitnehmern

BAG 6 AZR 190/12

HIV-Infektion

– Behinderung

– AGG und Wartezeitkündigung, § 134 BGB iVm. § 7 I §§ 1 + 3 AGG

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Ein chemisch-technischer Assistent (Kläger) wurde während der Probezeit von einem Arzneimittelhersteller (Beklagte) gekündigt,

nachdem er dem Betriebsarzt seine HIV-Infektion mitgeteilt hatte.

Die Beklagte begründete die Kündigung mit Sicherheitsbedenken und berief sich auf den EG-GMP-Leitfaden,

der die Beschäftigung von Personen mit ansteckenden Krankheiten in der Arzneimittelherstellung einschränkt.

Der Kläger war symptomfrei und machte geltend, dass die Kündigung diskriminierend sei.

Diskriminierungsschutz von HIV-infizierten Arbeitnehmern

Kernaussage des Urteils:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) auf und verwies die Sache zurück.

Das BAG entschied, dass eine symptomlose HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) darstellt

und eine Kündigung während der Wartezeit, die auf der HIV-Infektion beruht, diskriminierend ist.

Die Beklagte hätte prüfen müssen, ob der Kläger durch angemessene Vorkehrungen im Reinraumbereich eingesetzt werden kann.

Begründung des Gerichts:

  • Diskriminierungsschutz in der Wartezeit:
    • Auch Arbeitnehmer in der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) genießen Diskriminierungsschutz nach dem AGG.
    • Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer in der Wartezeit aus einem in § 1 AGG genannten Grund diskriminiert, ist nach § 134 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam.
  • HIV-Infektion als Behinderung:
    • Eine symptomlose HIV-Infektion stellt eine Behinderung im Sinne des AGG dar.
    • Das gegenwärtige soziale Vermeidungsverhalten und die Stigmatisierung von HIV-Infizierten beeinträchtigen die Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben.
  • Kündigung als Diskriminierung:
    • Die Kündigung des Klägers war diskriminierend, da sie auf seiner HIV-Infektion beruhte.
    • Die Beklagte hätte prüfen müssen, ob der Kläger durch angemessene Vorkehrungen im Reinraumbereich eingesetzt werden kann.
    • Die bloße Berufung auf den EG-GMP-Leitfaden reicht nicht aus.
  • Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen:
    • Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Beschäftigung behinderter Menschen zu ermöglichen.
    • Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Arbeitsplatz angepasst werden kann, um eine Beschäftigung trotz HIV-Infektion zu ermöglichen.
  • Hinweise für das weitere Verfahren:
    • Das LAG muss prüfen, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können.
    • Dabei sind die konkreten Produktionsbedingungen und Tätigkeiten des Klägers zu berücksichtigen.
    • Die Beklagte muss darlegen, ob ein messbares Risiko einer Kontamination der Medikamente besteht.
    • Gegebenenfalls muss ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
    • Die Kosten für die angemessenen Vorkehrungen sind bei der Prüfung der Zumutbarkeit zu berücksichtigen.

Diskriminierungsschutz von HIV-infizierten Arbeitnehmern

Fazit:

Das Urteil stärkt den Diskriminierungsschutz von HIV-infizierten Arbeitnehmern. Arbeitgeber dürfen sich nicht auf pauschale Sicherheitsbedenken berufen,

sondern müssen im Einzelfall prüfen, ob eine Beschäftigung durch angemessene Vorkehrungen möglich ist.

Zusätzliche Informationen:

    • Das Urteil hat Bedeutung für die Praxis, da es die Anforderungen an den Diskriminierungsschutz von HIV-infizierten Arbeitnehmern konkretisiert.
    • Arbeitgeber sollten bei der Beschäftigung von HIV-infizierten Arbeitnehmern sorgfältig prüfen, ob und welche angemessenen Vorkehrungen zu treffen sind.
    • Arbeitnehmer sollten sich bei Diskriminierung wegen ihrer HIV-Infektion auf den Schutz des AGG berufen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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