Ehegattentestament Auslegung Schlusserbeneinsetzung bei Ableben beider Ehepartner durch Unfall oder sonstige Umstände
AG Torgau VI 240/03
Beschluss vom 15. April 2004
Der Erblasser Herr …, geboren am …, verstarb am 8. Juli 2003.
Seine Ehefrau, mit der er im gesetzlichen Güterstand verheiratet war, war bereits am 13. September 2000 vorverstorben.
Aus der Ehe gingen mehrere Kinder hervor, darunter die Antragstellerin (Beteiligte zu 1) und weitere Beteiligte (Beteiligte zu 2-8), die teilweise die Erbschaft ausgeschlagen hatten.
Am 1. Dezember 1989 verfassten der Erblasser und seine Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament.
Darin wurde verfügt, dass beim Ableben eines Ehepartners der Überlebende Alleinerbe des gesamten Besitzes sein sollte.
Im Fall des Ablebens beider Ehepartner „durch Unfall oder sonstige Umstände“ sollte die Tochter (Beteiligte zu 1) alleinige Erbin sein.
Verfahrensverlauf
Nach dem Tod seiner Ehefrau wurde dem Erblasser 2001 ein Erbschein als Alleinerbe auf Grundlage des Testaments erteilt.
Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Beteiligte zu 1) am 29. Januar 2004 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als testamentarische Alleinerbin ausweist.
Das Nachlassgericht hörte die Beteiligten an und wies auf seine abweichende Rechtsansicht hin.
Der Notar legte ein Gutachten des Deutschen Notarinstituts vor, das das Testament im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) auslegte.
Das Amtsgericht wies den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurück, da das Testament keine hinreichende Regelung bezüglich der Alleinerbinnenstellung der Beteiligten zu 1) trifft.
Zuständigkeit und Formvoraussetzungen:
Das Amtsgericht Torgau war sachlich und örtlich zuständig, und der Antrag war formwirksam gestellt.
Auslegung des Testaments:
Das Gericht stellte fest, dass das Testament nur im Fall des gleichzeitigen Ablebens beider Ehepartner durch Unfall oder andere Umstände die Beteiligte zu 1) als Erbin vorsieht.
Dieser Fall trat nicht ein, da die Ehefrau Jahre vor dem Erblasser verstarb.
Rechtliche Rahmenbedingungen:
Die Rechtsnachfolge war nach den Bestimmungen des „Teilrechtsordnung Ost“ und den Übergangsvorschriften des Einigungsvertrags zu beurteilen.
Das ZGB-DDR ermöglichte gemeinschaftliche Testamente, die bindend waren, bis sie widerrufen wurden.
Bindungswirkung und Testierfreiheit:
Nach der damaligen Gesetzeslage war der überlebende Ehegatte zwar inhaltlich an das gemeinschaftliche Testament gebunden, konnte aber über den Nachlass verfügen.
Dies bedeutete jedoch nicht, dass der überlebende Ehegatte widersprechende testamentarische Verfügungen treffen konnte.
Testamentsauslegung:
Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers.
Der Zusatz „durch Unfall oder sonstige Umstände“ konnte nicht vernachlässigt werden und deutete auf eine besondere Bedingung hin, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt war.
Gesetzliche Erbfolge:
Da keine klare testamentarische Bestimmung für die alleinige Erbenstellung der Beteiligten zu 1) vorlag, trat die gesetzliche Erbfolge ein.
Die Beteiligten zu 1) und 5) wurden Miterben zu je 1/4, die übrigen Beteiligten zu je 1/12.
Fazit
Der Antrag der Beteiligten zu 1) wurde abgewiesen, da das Testament nicht die Voraussetzungen erfüllte, unter denen sie Alleinerbin werden sollte.
Es wurde die gesetzliche Erbfolge festgestellt, die alle Nachkommen des Erblassers berücksichtigt.
Wichtige Rechtsgrundlagen und Literaturhinweise
§ 2355 BGB: Form des Erbscheinsantrags.
§ 2356 BGB: Vorlage des Testaments und Nachweise.
ZGB-DDR: Regelungen zum gemeinschaftlichen Testament.
Art. 235 § 2 EGBGB: Übergangsvorschriften und Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente.
Auslegungsmethodik
Die Auslegung eines Testaments erfolgt durch die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers unter
Berücksichtigung des gesamten Testamentsinhalts, der verwendeten Formulierungen und der Umstände bei Testamentserrichtung.
Dies beinhaltet auch frühere oder widerrufene Verfügungen und das Verhalten des Erblassers.
Schlussfolgerung
In diesem Fall konnte nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin des Erblassers bestimmt war,
da die im Testament genannte Bedingung des „Ablebens beider Ehepartner durch Unfall oder sonstige Umstände“ nicht eintrat.
Daher wurde der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins abgewiesen und die gesetzliche Erbfolge angewendet.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.