Eigenbedarf und Härtefallwiderspruch – Zwangsvollstreckungseinstellung

Juni 19, 2025

Eigenbedarf und Härtefallwiderspruch – Zwangsvollstreckungseinstellung

BGH Beschluss vom 8.4.2025 – VIII ZR 17/25

RA und Notar Krau

Dieser Text fasst ein wichtiges Gerichtsurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Deutschland zusammen, das sich mit Eigenbedarfskündigungen, Härtefällen und der Einstellung von Zwangsräumungen befasst. Hier ist eine einfache Erklärung für Laien:


Was ist hier passiert?

Stellen Sie sich vor, Sie mieten seit langer Zeit eine Wohnung. Plötzlich kündigt Ihnen Ihr Vermieter, weil er die Wohnung selbst für sich oder seine Familie braucht – das nennt man Eigenbedarfskündigung (§ 573 BGB). Sie wehren sich dagegen, weil ein Auszug für Sie eine extreme Belastung wäre, vielleicht wegen hohem Alter, Krankheit oder weil Sie keine andere passende Wohnung finden. Das ist der Härtefallwiderspruch (§§ 574 ff. BGB).

In diesem konkreten Fall hat eine Mieterin seit 1993 eine 100 m² große Wohnung gemietet. Ihr Vermieter hat wegen Eigenbedarfs gekündigt, weil seine Tochter mit ihrer vierköpfigen Familie auf nur 40 m² wohnen musste. Die Mieterin wurde erstinstanzlich (vom Amtsgericht) zur Räumung verurteilt. Sie legte Berufung ein (vor dem Landgericht), verlor aber auch dort.

Der Haken: Die Zwangsvollstreckung

Wenn Sie ein Gerichtsverfahren verlieren, kann der Vermieter versuchen, Sie per Zwangsvollstreckung aus der Wohnung zu bekommen. Das bedeutet, ein Gerichtsvollzieher kann Sie räumen lassen. Die Mieterin wollte das verhindern und hat eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingereicht. Das ist eine Art letzter Versuch, das Urteil der unteren Gerichte überprüfen zu lassen, meistens wenn es um grundsätzliche Rechtsfragen geht.

Gleichzeitig beantragte sie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das bedeutet: Solange der BGH noch nicht über ihre Beschwerde entschieden hat, soll sie nicht aus der Wohnung geworfen werden.

Eigenbedarf und Härtefallwiderspruch – Zwangsvollstreckungseinstellung


Die Entscheidung des BGH – Kurz gesagt

Der BGH hat entschieden, dass die Zwangsvollstreckung vorläufig eingestellt werden muss. Das ist eine wichtige Nachricht für Mieter in ähnlichen Situationen.

Hier die Gründe des BGH, einfach erklärt:

  1. Unwiderbringlicher Nachteil für den Mieter: Der BGH sagt: Wenn die Mieterin aus der Wohnung geworfen würde, wäre das für sie ein nicht wiedergutzumachender Nachteil. Das bedeutet, der Schaden durch den Verlust der Wohnung (z.B. weil sie keine neue findet oder stark gesundheitlich darunter leidet) wäre so groß, dass er nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Auch wenn der Vermieter Nachteile hat (seine Tochter muss länger in der zu kleinen Wohnung bleiben), überwiegen diese nicht die potenziellen Nachteile der Mieterin.
  2. Der Mieter muss sich gewehrt haben: Ein wichtiger Punkt ist, dass der Mieter in der Berufungsinstanz (hier vor dem Landgericht) auch einen speziellen Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO gestellt haben muss. Das zeigt, dass sich der Mieter aktiv gegen die Räumung gewehrt und nicht einfach alles laufen lassen hat. Das hat die Mieterin in diesem Fall getan.
  3. Aussicht auf Erfolg: Der BGH prüft auch, ob die Nichtzulassungsbeschwerde des Mieters überhaupt eine Chance hat, erfolgreich zu sein. Hier konnte der BGH nicht ausschließen, dass die Beschwerde der Mieterin Erfolg haben könnte, auch wenn sie noch nicht ausführlich begründet war.

Was bedeutet das Urteil?

  • Schutz für Mieter bei Härtefällen: Das Urteil stärkt die Position von Mietern, die von einer Eigenbedarfskündigung betroffen sind und sich auf einen Härtefall berufen. Es zeigt, dass Gerichte die persönlichen Nachteile des Mieters bei einer Räumung sehr ernst nehmen.
  • Voraussetzung: Aktiver Schutzantrag: Um diesen Schutz zu erhalten, ist es entscheidend, dass Mieter nicht nur die Kündigung anfechten, sondern auch einen Antrag auf Vollstreckungsschutz stellen, sobald es zu einem Urteil kommt, das die Räumung anordnet.
  • Vorläufiger Aufschub: Die Zwangsvollstreckung wird hier nicht endgültig, sondern einstweilig (also vorläufig) eingestellt. Das gibt der Mieterin Zeit, bis der BGH endgültig über ihre Nichtzulassungsbeschwerde entschieden hat. Sie muss aber weiterhin die Miete zahlen.

Dieses Urteil ist ein Beispiel dafür, wie Gerichte versuchen, einen Ausgleich zwischen den Interessen von Vermietern (die ihre Wohnung für Eigenbedarf brauchen) und Mietern (die vor existenziellen Härten geschützt werden müssen) zu finden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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