Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Rahmen der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs

Oktober 30, 2025

Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Rahmen der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs

Gerne fasse ich das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf (FG Düsseldorf) vom 08.04.2025 (Az.: 10 K 245/22 E) zusammen. Es geht um die Besteuerung eines Grundstücksverkaufs innerhalb der Familie.

Kernfrage: Entgeltlicher Kauf oder gemischte Schenkung?

Das Urteil befasst sich mit der Frage, wie der Gewinn aus dem Verkauf eines Grundstücks zu berechnen ist, wenn die Verkäuferin (die Tochter) das Grundstück zuvor von ihrer Mutter zu einem deutlich günstigeren Preis erworben hat als es mutmaßlich wert war. War dieser Vorgang ein vollständiger Kauf zum vereinbarten Preis, oder war er eine „gemischte Schenkung“ (teilweise Kauf, teilweise Schenkung)?

Die steuerliche Einordnung ist entscheidend, weil Gewinne aus dem Verkauf von Grundstücken, die innerhalb einer bestimmten Frist (hier 10 Jahre, sog. Spekulationsfrist) erworben und wieder verkauft werden, als „private Veräußerungsgeschäfte“ (Spekulationsgewinne) der Einkommensteuer unterliegen (§ 23 EStG).

Der Sachverhalt – Erwerb des Grundstücks (2014):

Die Klägerin (Tochter) erwarb im Jahr 2014 ein Grundstück von ihrer Mutter. Die Mutter litt an Demenz und wurde durch einen Ergänzungsbetreuer vertreten.

Kaufpreis und Hintergrund:

Als Gegenleistung für das Grundstück wurde ein Anspruch der Tochter aus dem Nachlass ihres verstorbenen Vaters in Höhe von 52.000 € als getilgt vereinbart. Dieser Betrag entsprach dem Wert, den ein Immobilienmaklergutachten für das stark sanierungsbedürftige (Abriss empfohlen) Grundstück ermittelt hatte.

Weiterverkauf (2016/2017):

Nur etwa zwei Jahre später, im Dezember 2016, verkaufte die Tochter das Grundstück an Dritte für 160.000 € weiter. Der Erlös floss ihr im Februar 2017 zu.

Standpunkt des Finanzamts:

Das Finanzamt setzte den steuerpflichtigen Gewinn im Jahr 2017 an, indem es den vereinbarten Kaufpreis (52.000 €) vom Verkaufspreis (160.000 €) abzog. Daraus ergab sich ein Gewinn von 108.000 €.

Standpunkt der Tochter (Klägerin):

Die Tochter argumentierte, die Übertragung von 2014 sei eine gemischte Schenkung gewesen. Da der tatsächliche Marktwert (geschätzt 160.000 €) den vereinbarten Preis (52.000 €) deutlich überstieg, sei ein Großteil (108.000 €) geschenkt worden. Nur der geschenkte Anteil gelte als unentgeltlich erworben.

Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Rahmen der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs

Die Konsequenz:

Bei einem unentgeltlichen Erwerb (Schenkung oder Erbe) tritt der Beschenkte in die Fußstapfen des Schenkers. Da die Mutter das Grundstück länger als 10 Jahre besaß, wäre der geschenkte Anteil des Gewinns steuerfrei.

Der restliche, entgeltliche Anteil (Kaufpreis 52.000 €) hätte keinen Gewinn erzielt, da er für 52.000 € erworben und für 52.000 € (Anteil am Gesamtverkauf) verkauft wurde.

Fazit der Klägerin:

Der gesamte Gewinn sei steuerfrei oder zumindest deutlich geringer.

Die Entscheidung des FG Düsseldorf

Das Gericht wies die Klage ab und gab dem Finanzamt recht. Der gesamte Gewinn von 108.000 € muss versteuert werden.

1. Kein „Versorgungscharakter“ und keine Schenkung

Das Gericht verneinte sowohl einen erbrechtlichen Vorgang mit Versorgungscharakter als auch eine gemischte Schenkung

.2. Die fehlende Einigkeit über die Schenkung (Schenkungswille)

Der entscheidende Punkt war der subjektive Tatbestand einer Schenkung:

Objektive Diskrepanz:

Das Gericht bestätigte, dass die objektiven Voraussetzungen für eine gemischte Schenkung vorlagen. Der Wert der Leistung (Grundstück 160.000 €) überstieg die Gegenleistung (52.000 €).

Allein die deutliche Diskrepanz begründet zwar eine widerlegbare Vermutung für einen Schenkungswillen, aber…Widerlegung der Vermutung: …diese Vermutung wurde hier widerlegt.

Maßgeblich ist der Wille der Vertragsparteien: Es muss festgestellt werden, dass die Vertragsparteien die Wertdifferenz kannten und übereinstimmend wollten, dass der überschießende Teil (108.000 €) unentgeltlich (also geschenkt) zugewendet wird.

Der Fall:

Hier hatten die Parteien (vertreten durch die Klägerin und den Ergänzungsbetreuer der Mutter) extra ein Wertgutachten eingeholt und den Kaufpreis explizit auf diesen Gutachtenwert (52.000 €) festgelegt.

Der Vertrag war auf eine vollständige, entgeltliche Tilgung der Forderung der Tochter gerichtet.

Kein Schenkungswille beim Betreuer:

Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ergänzungsbetreuer – der das Vermögen der Mutter schützen sollte – wissentlich eine Schenkung des übersteigenden Wertes an die Tochter vornehmen wollte. Er handelte vielmehr auf Basis des Gutachtens, um einen vollwertigen Ausgleich zu schaffen, sodass der Wille zu einer unentgeltlichen Zuwendung nicht erkennbar war.

Folge:

Da der subjektive Wille zur teilweisen Schenkung (Schenkungswille) fehlte, galt das Geschäft als vollentgeltlicher Kauf zum vereinbarten Preis von $52.000 €$.3. Anschaffungskosten und GewinnberechnungDie Anschaffungskosten für die Klägerin betrugen demnach $52.000 €$ (die Höhe ihrer getilgten Forderung).Der steuerpflichtige Gewinn ($160.000 €$ Verkaufspreis minus $52.000 €$ Anschaffungskosten) beträgt $108.000 €$ und ist im Jahr des Zuflusses (2017) als Spekulationsgewinn zu versteuern.💡 Fazit für LaienBei Immobiliengeschäften zwischen nahen Angehörigen zu einem offensichtlich zu niedrigen Preis gilt man steuerlich nur dann als teilweiser Erbe/Beschenkter, wenn man nachweisen kann, dass sich beide Parteien der Wertdifferenz bewusst waren und übereinstimmend beabsichtigten, den Differenzbetrag zu schenken.Wenn die Parteien (wie hier durch ein Gutachten) den Preis so festlegen, als handele es sich um den vollen Marktwert, gilt das Geschäft als vollständiger Kauf zum vereinbarten Preis, auch wenn der Preis objektiv zu niedrig ist. Der später realisierte hohe Verkaufsgewinn ist dann komplett als Spekulationsgewinn steuerpflichtig.

RA und Notar Krau

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