Einrede der beschränkten Erbenhaftung nach § 45 II AO + § 1975 BGB – FG Düsseldorf 3 K 643/21 KV

Juni 11, 2024

Einrede der beschränkten Erbenhaftung nach § 45 II AO + § 1975 BGB – FG Düsseldorf 3 K 643/21 KV

RA und Notar Krau


Tenor


Der Bescheid über die Ablehnung der Einrede der beschränkten Erbenhaftung nach § 45 Abs. 2 AO i. V.m. § 1975 BGB betreffend die Einkommensteuerschulden des Jahres 2012

vom 02.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2021 wird dahingehend geändert, dass sich die Beschränkung der Erbenhaftung über den vom Beklagten

bereits anerkannten Betrag hinaus auch auf die verbleibenden Steuerbeträge (39.071,02 € Einkommensteuer, 6.655 € Zinsen zur Einkommensteuer und 2.186,25 € Solidaritätszuschlag) erstreckt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden,

soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Einrede der beschränkten Erbenhaftung nach § 45 II AO + § 1975 BGB – FG Düsseldorf 3 K 643/21 KV

Der Streit betrifft die Frage, ob die Haftung der Erben für Steuerverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt werden kann.

Der Kläger und sein Bruder erbten die Anteile ihres verstorbenen Vaters an einem Unternehmen, das aus einer KG und einer GmbH bestand.

Nachdem der Vater gestorben war, stellten die Erben einen Antrag auf Nachlassinsolvenz und ebenfalls auf Insolvenz des Unternehmens.

Der Beklagte, zuständig für die Einkommensfeststellung, argumentierte, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Betriebsaufspaltung endete,

was zur Aufdeckung stiller Reserven führte, die als Aufgabegewinn versteuert werden mussten.

Daraus ergab sich eine hohe Steuerschuld, die der Kläger und sein Bruder begleichen sollten.

Der Kläger beantragte die Beschränkung der Haftung auf den Nachlasswert, was der Beklagte ablehnte.

Der Beklagte argumentierte, dass die Steuerverbindlichkeiten aus Handlungen der Erben nach dem Tod des Vaters resultierten und

daher nicht als Nachlassverbindlichkeiten gelten, sondern als Eigenverbindlichkeiten der Erben.

Diese Argumentation stützte sich auf die Annahme, dass die Erben durch ihre Entscheidungen (z.B. den Insolvenzantrag) aktiv in das Geschehen eingegriffen hätten.

Einrede der beschränkten Erbenhaftung nach § 45 II AO + § 1975 BGB – FG Düsseldorf 3 K 643/21 KV

Das Finanzgericht Düsseldorf entschied jedoch zugunsten des Klägers.

Es stellte fest, dass die auf den Aufgabegewinn entfallenden Steuern als Nachlassverbindlichkeiten zu qualifizieren sind.

Diese Steuerschuld resultierte aus der Auflösung stiller Reserven, die durch den Tod des Erblassers und die nachfolgende Insolvenzeröffnung

über das Unternehmen entstanden, ohne dass die Erben dies durch eigenes Handeln hätten verhindern können.

Damit fiel die Steuer unter die beschränkte Erbenhaftung.

Das Gericht stellte klar, dass das rechtliche Konstrukt der Betriebsaufspaltung und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ursächlich für den steuerpflichtigen Aufgabegewinn waren, nicht das Verhalten der Erben.

Entsprechend durfte die Haftung der Erben auf den Nachlass beschränkt werden, auch für die streitigen Steuerverbindlichkeiten.

Allgemeiner Hinweis:

Die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass ist im deutschen Erbrecht in den §§ 1975 ff. BGB geregelt.

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Sie ermöglicht es dem Erben, seine persönliche Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken,

sodass er nicht mit seinem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers haftet.

Gründe für die Haftungsbeschränkung:

  • Schutz des Erben: Der Erbe soll davor geschützt werden, durch die Erbschaft in eine finanzielle Notlage zu geraten, wenn der Nachlass überschuldet ist.
  • Gläubigerschutz: Die Haftungsbeschränkung dient auch dem Schutz der Nachlassgläubiger, da sie sicherstellt, dass der Nachlass nicht durch die Befriedigung von Eigengläubigern des Erben geschmälert wird.

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Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung:

  • Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB): Wird eine Nachlassverwaltung angeordnet, so ist die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt. Die Nachlassverwaltung wird durch das Nachlassgericht auf Antrag des Erben oder eines Nachlassgläubigers angeordnet.
  • Nachlassinsolvenzverfahren (§ 1975 BGB): Wird das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, so ist die Haftung des Erben ebenfalls auf den Nachlass beschränkt. Das Nachlassinsolvenzverfahren wird durch das Insolvenzgericht auf Antrag eines Nachlassgläubigers oder des Erben eröffnet.
  • Dürftigkeitseinrede (§§ 1990 – 1992 BGB): Ist der Nachlass so gering, dass er nicht einmal die Kosten einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens deckt, kann der Erbe die Dürftigkeitseinrede erheben und so die Haftung auf den Nachlass beschränken.

Wirkungen der Haftungsbeschränkung:

  • Trennung von Nachlass- und Eigenvermögen: Durch die Haftungsbeschränkung wird das Nachlassvermögen vom Eigenvermögen des Erben getrennt.
  • Haftung nur mit dem Nachlass: Der Erbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten nur noch mit dem Nachlassvermögen.
  • Vollstreckungsschutz: Gläubiger des Erben können nicht mehr in den Nachlass vollstrecken, und Nachlassgläubiger können nicht mehr in das Eigenvermögen des Erben vollstrecken.

Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung:

  • Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens: Für die Haftungsbeschränkung ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erforderlich.
  • Rechtzeitige Geltendmachung: Der Erbe muss die Haftungsbeschränkung rechtzeitig geltend machen, indem er einen entsprechenden Antrag beim Nachlassgericht stellt.

Fazit:

Die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass ist ein wichtiges Instrument im deutschen Erbrecht, das sowohl den Erben als auch die Nachlassgläubiger schützt.

Sie ermöglicht es dem Erben, die Erbschaft anzunehmen, ohne das Risiko einzugehen, mit seinem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers zu haften.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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