einseitige Abänderungsbefugnis in der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung – OLG Hamm 15 W 479/19

August 29, 2020

einseitige Abänderungsbefugnis in der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung – OLG Hamm 15 W 479/19

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

  1. Einleitung
    • Hintergrund des Falles
    • Bedeutung der Entscheidung
  2. Tatbestand
    • Parteien des Verfahrens
    • Darstellung der letztwilligen Verfügungen und des Erbscheinsantrags
    • Entscheidungen der ersten Instanz
  3. Verfahrensverlauf
    • Anträge der Beteiligten
    • Entscheidung des Nachlassgerichts
    • Beschwerde und weitere Verfahrensschritte
  4. Rechtliche Würdigung und Entscheidungsgründe
    • Allgemeine rechtliche Grundlagen
    • Einseitige Abänderungsbefugnis in gemeinschaftlicher letztwilliger Verfügung
      • Definition und rechtliche Bedeutung
      • Abänderungsvorbehalt und seine Auswirkungen
    • Auslegung der notariellen Urkunde vom 3.03.1967
      • Prüfung der Vereinbarungen in §§ 3 und 4
      • Abgrenzung zwischen Erbvertrag und Ehegattentestament
    • Prüfung des Testaments vom 23.07.2015
      • Widerruf und Abänderung der gemeinschaftlichen Verfügung
      • Erbeinsetzung der Bürgerstiftung W
      • Auslegung und Bestimmung des tatsächlichen Erben
  5. Kostenentscheidung
    • Gerichtskosten erster Instanz und deren Verteilung
    • Kostenentscheidung in der Beschwerdeinstanz
    • Keine Erhebung der Gerichtskosten in der Beschwerdeinstanz
    • Erstattung der außergerichtlichen Kosten
  6. Zusammenfassung und Fazit
    • Zusammenfassung der wesentlichen Urteilsgründe
    • Schlussfolgerungen für zukünftige Fälle gemeinschaftlicher letztwilliger Verfügungen

einseitige Abänderungsbefugnis in der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung – OLG Hamm 15 W 479/19

Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Hamm befasst sich mit der Frage, ob ein Ehegatte eine in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügung einseitig abändern kann,

wenn der ursprüngliche Vertrag eine solche Abänderungsmöglichkeit vorsah.

Der Fall:

Ein Ehepaar hatte in einem notariell beurkundeten Vertrag vom 3. März 1967 festgelegt, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzen.

Der Vertrag enthielt jedoch auch eine Klausel, die jedem Ehegatten das Recht einräumte, diese Verfügung zu Lebzeiten des anderen „allein und ohne besonderen Grund“ zu ändern.

Der Ehemann machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und setzte in einem Testament vom 23. Juli 2015 die „I Stiftung Sonderfonds der Bürgerstiftung der Stadt W“ als Alleinerbin ein.

Nach seinem Tod beantragte die Ehefrau die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist.

Sie argumentierte, dass es sich bei dem Vertrag von 1967 um einen Erbvertrag handele, der nicht einseitig abgeändert werden könne.

einseitige Abänderungsbefugnis in der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung – OLG Hamm 15 W 479/19

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Hamm entschied, dass es sich bei dem Vertrag von 1967 nicht um einen Erbvertrag, sondern um ein gemeinschaftliches Testament mit Abänderungsvorbehalt handelte.

Daher war der Ehemann berechtigt, die Erbeinsetzung seiner Ehefrau durch ein späteres Testament zu widerrufen und eine andere Person als Erben einzusetzen.

Begründung:

Ein Erbvertrag setzt voraus, dass mindestens eine vertragsmäßige Verfügung im Sinne des § 2278 Abs. 1 BGB enthalten ist.

Eine solche Verfügung liegt vor, wenn die Vertragsparteien sich „gegenseitig zu Erben einsetzen“ oder „einem Dritten eine Zuwendung von Todes wegen zuwenden“.

Im vorliegenden Fall enthielt der Vertrag zwar eine gegenseitige Erbeinsetzung, jedoch wurde diese durch den bedingungslosen Abänderungsvorbehalt wieder aufgehoben.

Damit fehlte es an einer bindenden Verfügung, die für einen Erbvertrag unerlässlich ist.

Das Gericht legte den Vertrag daher als gemeinschaftliches Testament aus.

Bei einem gemeinschaftlichen Testament können sich die Ehegatten vorbehalten, die getroffenen Verfügungen auch durch ein einseitiges Testament zu ändern.

Diesen Willen hatten die Eheleute im vorliegenden Fall eindeutig zum Ausdruck gebracht.

einseitige Abänderungsbefugnis in der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung – OLG Hamm 15 W 479/19

Weitere Punkte:

  • Auslegung des Testaments: Das Gericht stellte fest, dass der Erblasser mit der Bezeichnung „I Stiftung Sonderfonds der Bürgerstiftung der Stadt W“ die Bürgerstiftung W als Alleinerbin einsetzen wollte. Da es keine rechtsfähige Stiftung mit dem Namen „I Stiftung Sonderfonds“ gab, musste der Wille des Erblassers durch Auslegung des Testaments ermittelt werden.
  • Kostenentscheidung: Das Gericht entschied über die Verteilung der Gerichtskosten und die Erstattung außergerichtlicher Kosten.
  • Rechtsbeschwerde: Das Gericht ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu.

Fazit:

Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Erbvertrag und gemeinschaftlichem Testament.

Während ein Erbvertrag bindende, nicht einseitig abänderbare Verfügungen enthält, können sich die Ehegatten bei einem gemeinschaftlichen Testament die Möglichkeit vorbehalten, die getroffenen Verfügungen zu ändern.

Im vorliegenden Fall hatte der bedingungslose Abänderungsvorbehalt zur Folge, dass der Vertrag als gemeinschaftliches Testament auszulegen war und der Ehemann die Erbeinsetzung seiner Frau wirksam widerrufen konnte.

einseitige Abänderungsbefugnis in der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung – OLG Hamm 15 W 479/19

Hinweise für die Praxis:

  • Bei der Gestaltung von gemeinschaftlichen Testamenten sollte sorgfältig geprüft werden, ob ein Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament mit Abänderungsvorbehalt gewünscht ist.
  • Die Formulierungen im Testament sollten eindeutig und unmissverständlich sein, um spätere Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.
  • Im Zweifelsfall sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden, um sicherzustellen, dass der wirkliche Wille des Erblassers umgesetzt wird.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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