Einsetzung von Abkömmlingen zu Nacherben
Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss 19.1.2001 – 1Z BR 176/99
Sachverhalt:
Die Erblasserin verstarb 1950 und hinterließ ein notarielles Testament aus demselben Jahr.
Darin setzte sie ihre Tochter S. als Vorerbin ein.
Unter Punkt III des Testaments ordnete sie die Nacherbfolge an:
„Zu Nacherben setze ich ein meine übrigen Abkömmlinge und die Abkömmlinge der S. zu gleichen Anteilen nach Stämmen, wobei die sämtlichen Abkömmlinge der S. als ein Nacherbenstamm gelten sollen.
Die Nacherbfolge soll eintreten beim Tod der Vorerbin.“
Die Vorerbin S. verstarb 1998 kinderlos.
Von den sechs weiteren Kindern der Erblasserin, die zum Zeitpunkt ihres Todes lebten, waren vier bis zum Eintritt des Nacherbfalls verstorben und hinterließen Abkömmlinge.
Die Tochter A der Erblasserin war 1996 verstorben und hinterließ sieben Kinder, von denen sechs zum Zeitpunkt des Nacherbfalls noch lebten;
ein weiteres Kind war 1989 kinderlos verstorben, ein Sohn verstarb 1998 und wurde von den Beteiligten zu 3 a) und b) beerbt.
Die übrigen sechs lebenden Kinder der A sind die Beteiligten zu 1, 2, 4, 5 und 6.
Die Beteiligte zu 1 wurde durch Testament ihrer Mutter A zur Alleinerbin eingesetzt.
Die Beteiligte zu 1 beantragte einen Erbschein, der sie als Miterbin zu 1/6 nach der Erblasserin ausweisen sollte.
Sie argumentierte, dass das Anwartschaftsrecht ihrer Mutter auf die Nacherbschaft auf sie übergegangen sei, wodurch sie allein anstelle ihrer Mutter Nacherbin geworden sei.
Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück.
Es interpretierte das Testament der Erblasserin dahingehend, dass die zum Zeitpunkt des Nacherbfalls lebenden Abkömmlinge als Nacherben eingesetzt seien
und die durch die Kinder der Erblasserin begründeten Stämme gleichmäßig beteiligt seien.
Da die Mutter der Beteiligten zu 1 bereits vor dem Nacherbfall verstorben war, sei sie nicht zur Nacherbin berufen worden; die Beteiligte zu 1 sei zwar Nacherbin geworden,
aber nur zu einem geringeren Anteil, da sie nicht das einzige Kind ihrer Mutter sei.
Das Landgericht wies die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurück.
Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 1 die weitere Beschwerde zum Bayerischen Obersten Landesgericht ein.
Das Bayerische Oberste Landesgericht wies die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurück.
Es bestätigte die Auslegung des Testaments durch das Landgericht und sah keine Rechtsfehler.
Das Gericht führte aus, dass die Auslegung eines Testaments grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts sei und die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz auf Rechtsfehler beschränkt sei.
Die Auslegung des Landgerichts verstoße nicht gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften.
Das Gericht stimmte der Auffassung des Landgerichts zu, dass die Formulierung „meine übrigen Abkömmlinge und die Abkömmlinge der S.“ sowie die Anordnung der Verteilung „zu gleichen Anteilen
nach Stämmen“ darauf hindeuteten, dass die Erblasserin die zum Zeitpunkt des Nacherbfalls lebenden Abkömmlinge als Nacherben einsetzen wollte.
Die Erblasserin habe bewusst den Begriff „Abkömmlinge“ und nicht „Kinder“ verwendet, was auf ihren Willen schließen lasse, auch nachfolgende Generationen zu berücksichtigen.
Die Anordnung der Verteilung nach Stämmen wäre überflüssig gewesen, wenn die Erblasserin lediglich ihre zum Zeitpunkt ihres Todes lebenden Kinder als Nacherben hätte einsetzen wollen.
Zudem sei die Einbeziehung der Abkömmlinge der Vorerbin S., die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung kinderlos war,
ein weiteres Indiz dafür, dass die Nacherben erst zum Zeitpunkt des Nacherbfalls bestimmt werden sollten.
Das Gericht wies darauf hin, dass in Fällen, in denen Erben nicht individuell, sondern durch Gattungsbezeichnungen wie „Abkömmlinge“ bestimmt werden, die §§ 2066, 2067 BGB entsprechend anzuwenden seien.
Diese Vorschriften sehen vor, dass für die Bestimmung des Kreises der Erben bzw. Nacherben auf den Zeitpunkt des Erbfalls bzw. des Nacherbfalls abzustellen ist.
Da die Mutter der Beteiligten zu 1 bereits vor dem Nacherbfall verstorben war, konnte sie kein vererbliches Anwartschaftsrecht gemäß § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB erworben haben.
Die Nacherben wurden erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls bestimmt.
Das Gericht teilte auch die hilfsweise Erwägung des Landgerichts, dass selbst wenn man ein Anwartschaftsrecht der zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Kinder annehmen würde, dessen
Vererblichkeit aufgrund der Einsetzung der weiteren Abkömmlinge als Ersatznacherben ausgeschlossen wäre.
Bezüglich der Aufteilung des Erbteils innerhalb eines Stammes schloss sich das Gericht der analogen Anwendung der §§ 1924 Abs. 2 und 4 BGB durch das Landgericht an.
Da die Nacherbfolge „zu gleichen Anteilen nach Stämmen“ der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung entspreche, sei es naheliegend,
auch für die Aufteilung innerhalb eines Stammes die Regelungen der gesetzlichen Erbfolge heranzuziehen.
Demnach schlössen Kinder ihre Abkömmlinge von der Erbfolge aus, und die Abkömmlinge innerhalb eines Stammes erbten zu gleichen Teilen.
Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte somit, dass die Beteiligte zu 1 lediglich zu 1/36 Nacherbin geworden ist
und ihr Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterbin zu 1/6 ausweisen sollte, zu Recht zurückgewiesen wurde.
Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittelverfahrens trug die Beteiligte zu 1.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.